
Miasanrot
·31 Juli 2025
Lennart Karl: Wie realistisch ist eine Zukunft beim FC Bayern?

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·31 Juli 2025
Nach Paul Wanner und Adam Aznou könnte Lennart Karl der nächste Jugendspieler des FC Bayern werden, der keine Perspektive sieht.
Der FC Bayern München hat ein Problem: Mit Lennart Karl steht zwar eines der größten deutschen Talente im eigenen Kader, doch wegen mangelnder Perspektive zögert der 17-Jährige damit, sich langfristig an den FCB zu binden.
Die Ausgangslage ist klar: Entweder unterschreibt Karl einen Profivertrag beim Rekordmeister, oder er geht im Sommer 2026. Dann läuft nämlich sein aktueller Vertrag in München aus. Er selbst hat sich bisher nicht zu seiner Zukunft geäußert.
Aus dem Umfeld des Campus ist aber zu vernehmen, dass der Offensivspieler und sein Berater Michael Ballack Zweifel daran haben, ob er sich beim FC Bayern optimal entwickeln kann. Auch die vielen Negativbeispiele der letzten Jahre helfen nicht dabei, eine Entscheidung für den Branchenprimus der Bundesliga zu treffen.
Was einerseits in der Natur der Sache liegt, tut andererseits mit Blick auf die starken Jahrgänge, die der Campus zuletzt herausgebracht hat, sehr weh.
Denn klar ist, dass die Bayern kein Ausbildungsverein sind und sein können. Wer in jungen Jahren nicht auf einem hohen Level performen kann, wird verliehen oder gar komplett abgegeben.
Aber die Frage bleibt, ob es sich die Münchner damit nicht selbst und vor allem den jungen Talenten viel zu schwer machen. Dass man bisher keinen gesunden Mittelweg zwischen dem eigenen, sehr hohen Anspruch und dem Willen gefunden hat, Campus-Spielern eine echte Chance zu geben, beschädigt den Ruf der eigenen Akademie.
Bei anderen Klubs ist immer wieder hinter vorgehaltener Hand zu vernehmen, dass man sich doch sehr darüber wundere, wie wenig Möglichkeiten es für offenkundig talentierte Spieler gebe. Die jüngsten Beispiele sind Paul Wanner und Adam Aznou. Letzterer kam 2022 vom FC Barcelona an den Campus. Während man dort normalerweise eher skeptisch ist, wenn transferierte Spieler den Weg für langjährige Jugendspieler erschweren, waren hier viele begeistert.
In Barcelona galt der Abgang damals als schwerwiegender Verlust. Aznou legte in den vergangenen drei Jahren sicherlich keinen kometenhaften Aufstieg hin, deutete sein Potenzial aber nicht nur mehrfach an, sondern hatte auch mehrere Phasen, in denen er sehr stark aufspielte. So sehr, dass auch die marokkanische A-Nationalmannschaft ihm zum Debüt verhalf.
Bei den Profis des FC Bayern bekam er dennoch keine Chance, wurde stattdessen an Real Valladolid verliehen, wo er mit einer komplett anderen Spielweise konfrontiert wurde. Diesen Sommer hatte er dann genug und wechselte zum FC Everton. Aus München soll es den Vorwurf geben, dass Aznou trainingsfaul gewesen sei. Unabhängig davon, von wo das Gerücht konkret kommt, hinterlassen diese bitteren Töne keinen guten Eindruck – auch bei anderen Talenten am Campus.
Ein weiteres Beispiel ist Paul Wanner. Mit 16 galt er wie Karl heute als einer der besten jungen Spieler seiner Altersklasse. Seine Leihen zur SV Elversberg und später zum 1. FC Heidenheim können retrospektiv aber durchaus kritisch betrachtet werden. Zwar tat es ihm spürbar gut, dass er Spielzeit sammeln und sich auf einem guten Niveau beweisen konnte.
Doch Wanner ist mittlerweile 19 Jahre „alt“ und scheint an einem Punkt angekommen zu sein, an dem er stagniert. Die Frage, die sich der FC Bayern stellen muss, ist, ob er die Chance verpasst hat, ihm zwischendrin einfach mal die Möglichkeit zu geben, sich einen Kaderplatz zu erarbeiten. Es scheint aber so, als hätte man dafür gefordert, dass er die 2. Bundesliga mit Elversberg überrennt.
Was hätte Wanner tun müssen, um beim FCB eine Perspektive zu erhalten? 15 Torbeteiligungen? 20? 25? Junge Spieler sind freilich fragil in ihrer Leistungsfähigkeit. Aber den Münchnern fehlt es an Progressivität, wenn es darum geht, auch mal selbst in Vorleistung zu gehen. Es ist mittlerweile das wahrscheinlichste Szenario, dass Wanner woanders seine Karriere fortsetzt – sei es noch in diesem Sommer oder in den kommenden Jahren.
Ihn als Notlösung für die aktuelle Saison zu behandeln, weil es auf dem Transfermarkt hakt, wäre jedenfalls auch nicht zielführend.
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Statt große Erwartungen aufzustellen, bevor sich ein Talent das Privileg verdient, bei den Profis eingesetzt zu werden, sollte man mehr auf Vertrauen setzen.
Nur Einsätze in Pflichtspielen des FC Bayern werden letztendlich zeigen, ob ein Spieler weit genug ist oder nicht – Training und Leihen allein können das nicht gewährleisten.
Karl wird diese zwei Geschichten und zahlreiche andere genau beobachtet haben. Sollte Nick Woltemade kommen, ist schon jetzt kaum noch Platz für ihn im Profikader – auch wenn er flexibel einsetzbar ist. Auf der linken Außenbahn ist man mit Kingsley Coman und Luis Díaz gut besetzt. Im Zentrum wären dann Woltemade und der aktuell verletzte Jamal Musiala die A-Lösungen.
Rechts spielen Michael Olise und Serge Gnabry, vorn ist Harry Kane gesetzt und dahinter gäbe es mit Woltemade und/oder Gnabry weitere Lösungen. Theoretisch könnte man Karl als Nutznießer bei Ausfällen noch integrieren. Aber wie lohnenswert ist eine solche Perspektive?
Stattdessen sollte der FC Bayern aus diesen Fällen lernen und den Kader bewusst progressiver gestalten. 17-18 Feldspieler auf gestandenem Profilevel reichen vollkommen aus, um die nationalen Ziele erreichen zu können und auch international konkurrenzfähig zu bleiben, solange man von großen Verletzungswellen verschont bleibt.
Um die Belastung zu steuern, werden diesem Kader drei bis vier vielversprechende Talente hinzugefügt, die in Bundesliga und Pokal regelmäßig Chancen erhalten, sich zu beweisen.
Dieses theoretische Gedankenspiel lässt sich auch auf diesen Transfersommer übertragen. Mit Adam Aznou, Cassiano Kiala, Jonathan Asp Jensen und Lennart Karl hätte man vier talentierte Jugendspieler, die hier aber nur als Beispiel dienen sollen. Im Einzelfall kann man bei Asp Jensen beispielsweise durchaus argumentieren, dass er zu oft verletzt war in den letzten Monaten. Oder bei Kiala, dass er körperlich vielleicht noch nicht weit genug ist.
Aber statt sich auf die negative Sicht zu fokussieren, sollte eher die Frage im Raum stehen: Wie können sich diese Spieler entwickeln, wenn man ihnen als Klub vertraut? Wenn man sie intern und extern stärkt und ihnen solche natürlichen Kaderplätze gibt? Auch wenn der Vergleich langsam überstrapaziert ist: Der FC Barcelona macht genau das. Er gibt Spielern eine Chance, die auf dem Papier eigentlich noch gar nicht so weit sind – und profitiert davon.
Der FC Bayern hätte auf Aznou statt Guerreiro setzen können. Er hätte Asp Jensen die Chance geben können, sich bis Winter im Duell mit Goretzka zu beweisen und ihn bewusst drei- viermal einzusetzen. Im nächsten Transferfenster wäre eine Leihe immer noch möglich gewesen. Selbiges gilt für Kiala, der zumindest mal temporär den Platz von Ito hätte einnehmen können. Beim Japaner ist vollkommen unklar, wie stark und stabil er zurückkommt.
Und der FCB kann sich immer noch bewusst dazu entscheiden, Kaderplätze an junge Spieler zu geben, statt für 20-40 Millionen Euro teure, meist ältere Profis zu holen, die im Ernstfall einer Verletzung eines Stammspielers ohnehin in der Champions League nicht ausreichen, um die ganz großen Ziele zu verfolgen.
Dabei muss man sich nicht am hier konkret genannten Beispiel aufhängen. Aber ein solches oder ein ähnliches Konzept würde dem Rekordmeister gewiss auf vielen Ebenen helfen: Sportlich, finanziell und letztlich auch beim Ansehen international.
Es muss ein Alarmsignal sein, dass ein junger Spieler wie Karl jetzt schon seit Monaten zögert und es noch keinen echten Durchbruch gab. Selbst wenn er sich am Ende doch für die Bayern entscheiden sollte. Zwar gibt es für jeden Einzelfall immer Argumente, warum es so lief, wie es gelaufen ist. Aber wenn sich die Einzelfälle Jahr für Jahr häufen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass strukturell einiges im Argen liegt.