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·5 Juni 2025
Woltemade-Debüt ausgerechnet gegen CR7: Ein Spiel, das zwei Geschichten erzählt

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·5 Juni 2025
Am Mittwochabend gab Nick Woltemade sein DFB-Debüt, und das gegen keinen Geringeren als Cristiano Ronaldo. Grund zum Feiern gab es für den VfB-Überflieger aber schon nach knapp 60 Minuten nicht mehr, für den portugiesischen Superstar dagegen doppelt und dreifach.
Aus der Allianz Arena berichtet Michael Bojkov
Zwei Personalien hatte Julian Nagelsmann auf der Pressekonferenz am Tag vor dem Nations-League-Halbfinale gegen Portugal offengelassen, eine davon war die Stürmerposition. Am Mittwochnachmittag sickerte die Nachricht durch, dass diese wohl Nick Woltemade bekleiden würde, rund eine Stunde vor Anpfiff war es dann auch offiziell: Der Stürmer vom VfB Stuttgart wird sein Länderspiel-Debüt geben.
Es dürfte nur die wenigsten überrascht haben, dass Nagelsmann auch ihm zur Premiere im DFB-Dress verhalf. Schließlich ist der Bundestrainer mittlerweile bekannt dafür, sowohl bei der Kadernominierung als auch bei der Auswahl seiner Startelf auf Momentum zu setzen. Mit dieser Vokabel begründete Nagelsmann seine Wahl pro Woltemade auch im Interview kurz vor dem Anpfiff. Es gehöre auch dazu, „eine mutige Entscheidung zu treffen“, sagte der Bundestrainer beim ZDF, und weiter: „Nick ist voll im Rhythmus und hat seine Tore gemacht“ – nämlich zwölf an der Zahl in der abgelaufenen Saison für den VfB.
Die Wahl auf Woltemade war vielleicht eine mutige, vor allem aber eine logische Entscheidung. Zumal seine Kontrahenten im Sturm, Niclas Füllkrug und VfB-Kollege Deniz Undav, höchstens phasenweise bei ihren Klubs performen konnten. Länderspieldebüt in der ausverkauften Münchner Allianz Arena also, und das gegen die Portugiesen, bei denen – selbstverständlich – kein Geringerer als Cristiano Ronaldo auf der Stürmerposition startete. Der Superstar, der schon an einer Europameisterschaft teilnahm, als Woltemade noch Windeln trug. Wie schlug sich der DFB-Frischling im Duell mit CR7? Wir waren vor Ort und haben ganz genau hingeschaut …
(Photo by Alex Grimm/Getty Images)
Anfangsminuten: Qua Position war natürlich klar, dass Woltemades direkten Gegner auf dem Spielfeld heute nicht Ronaldo, sondern die Innenverteidiger der Portugiesen werden würden. Der VfB-Überflieger lauerte viel in der Schnittstelle zwischen Goncalo Inacio und Rubén Dias. Gerade mit Letzterem teilte sich der 23-Jährige viel räumliche Hähe an diesem Abend.
Auf der anderen Spielfeldseite versuchte auch Ronaldo, sich stets im Dunstkreis der – heute drei – deutschen Innenverteidiger aufzuhalten und auf Bälle in die Spitze zu lauern. Das gelang ihm etwas besser als Woltemade: Schon nach sieben Minuten lief sich CR7 im Sechzehner frei und prüfte ein erstes mal ter Stegen, in Minute 15 dribbelte er in alter Manier von links in den Strafraum, bleib dann aber mit seinem Schuss hängen.
19. Minute: Jetzt komm auch der bis hierhin eher blasse Woltemade ein erstes Mal stark zur Geltung: Mit dem Rücken zum Tor legt er mit einem Kontakt zurück auf Pavlovic, der hängenbleibt. Im Anschluss landet die Kugel erneut bei Woltemade, der diesmal selbst halblinks aus rund sieben Metern an Diogo Costa scheitert. Erste Torchance für den Debütanten!
27. Minute: Die vorige Szene bildet aber eher eine Ausnahme. Woltemade ragt heraus, mehr aber wegen seiner Körpergröße von 1,98 Metern und weniger ob seiner spielerischen Leistung. Eine exemplarische Szene hier: Woltemade hat im Mittelfeld viel Wiese vor sich, verzettelt sich dann aber gegen mehrere Portugiesen, statt im richtigen Moment abzuspielen.
34. Minute: Die Mühe kann man dem DFB-Debütanten aber nicht absprechen. Woltemade lauert, läuft an und lässt sich auch mal tiefer fallen, um sich im Spielaufbau zu betzeiligen. Jetzt wird er bei der Ballannahme in der gegnerischen Hälfte gelegt und holt einen Freistoß raus.
41. Minute: Die zentrale Frage bleibt aber: Wann und wie kommen die entscheidenden Bälle Richtung Woltemade? Bei einer kurzen Spielunterbrechung bespricht sich der VfB-Stürmer mit Torwart ter Stegen und den Innenverteidigern. Der Plan: Mehr lange Bälle Richtung Sturmzentrum?
HALBZEITPAUSE
(Photo by Lars Baron/Getty Images)
47. Minute: Riesenchance für Ronaldo! Nach Hereingabe von links von Pedro Neto fehlen dem Superstar auf Höhe des zweiten Pfostens nur Zentimeter zur Führung.
48. Minute: Die fällt im Gegenzug auf der anderen Seite: Wirtz erzielt das 1:0 für Deutschland! Auch Woltemade ist beteiligt, bedrängt seinen heutigen Lieblingsgegner Dias bei Wirtz’ Kopfball. Fader Beigeschmack: Woltemade stand dabei im Abseits, wird durch seine Körperarbeit gegen Dias eigentlich aktiv. Doch auch nach VAR-Intervention hat der Treffer Bestand.
60. Minute: Und Ronaldo? Der steht bei einer Ecke in gewohnter Manier gefühlt drei Meter in der Luft, köpft aber deutlich drüber. Immerhin: Für einen Augenblick war Woltemade nicht der größte Spieler auf dem Platz – kommt so oft auch nicht vor!
Für den Debütanten ist jetzt übrigens Schluss, für ihn kommt Füllkrug in die Partie.
62. Minute: Große Hoffnung bei den portugiesischen Anhängern: Ronaldo tritt zum Freistoß an. Sein Versuch aus gut 35 Metern bleibt aber in der deutschen Mauer hängen.
63. Minute: Kurz darauf der Ausgleich für Portugal! Der eingewechselte Francisco Conceicao überlistet ter Stegen mit einem traumhaften Schlenker ins linke Eck.
66. Minute: Jetzt hat Portugal Oberwasser – und Ronaldo die nächste Chance: Im Getümmel kommt der Superstar zum Abschluss, kann den Ball aber nicht drücken.
68. Minute: Kurz darauf macht es Ronaldo besser und dreht das Spiel zu Portugals Gunsten! Fernandes und Mendes können sich viel zu einfach per Doppelpass durchsetzen, Letzterer legt auf den mitgelaufenen Ronaldo quer, der nur noch ins verwaiste Tor einschieben muss.
(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)
89. Minute: Bei der DFB-Elf schwinden die Hoffnungen auf ein spätes Comeback. Vielmehr schraubt Portugal am 3:1. Ronaldo setzt sich links stark gegen Koch durch und bedient anschließend Jota, der an ter Stegen scheitert. Im Nachsetzen vergibt auch Conceicao.
90. Minute: Das war’s für Ronaldo! Die Portugal-Ikone räumt für Palhinha den Platz und lässt sich dabei gebührend von den eigenen Fans feiern.
Nach einer fünfminütigen Nachspielzeit, die der DFB-Elf nichts mehr einbringt, ist auch das Spiel zu Ende. Mit einem knappen, aber verdienten 2:1-Sieg zieht Portugal ins Finale der Nations League ein.
Für eine enttäuschende deutsche Auswahl sind die Hoffnungen auf den ersten Titel seit dem Confederations Cup 2017 dahin. Und Woltemade erlebte ein Debüt, das er sich selbstverständlich anders vorgestellt hatte. Mit seiner persönlichen Leistung kann der 23-Jährige für ein erstes Spiel mit dem Adler auf der Brust vielleicht zufrieden sein, schließlich zeigte er sich mit und gegen den Ball engagiert. Allerdings wurde er von den eigenen Mitspielern kaum mit Bällen gefüttert. Zu fehleranfällig präsentierte sich die sonst so spielfreudige Nagelsmann-Elf im eigenen Passspiel, entsprechend kam auch Woltemade kaum zur geltung. Dass der Zwei-Meter-Hüne bei Wirtz’ Treffer zum 1:0 im aktiven Abseits stand und das Tor damit eigentlich irregulär machte, ist rückblickend irrelevant, dürfte ihm aber auch nicht sonderlich gut schmecken.
Bitter auch für den ehemaligen Werder-Stümer: Seine Auswechslung nach 60 Minuten markierte – zumindest zeitlich gesehen – den Wendepunkt der Partie. Woltemade musste von der Bank aus zusehen, wie Conceicao und Ronaldo die Partie zugunsten der Seleccao drehten und damit auch einen persönlichen Traum zunichte machten: Mit dem DFB-Pokalsieg und der Aussicht auf Pokale in der Nations League sowie bei der U-21-Europameisterschaft träumte Woltemade nämlich von einem persönlichen Triple. Die Enttäuschung, dass nun ausgerechnet bei seinem Länderspieldebüt ein Pokal flöten ging, war dem 23-Jährigen auch in der Mixed Zone anzumerken, die er mit heruntergezogener Kappe und dem offensichtlichen Signal, nicht unbedingt angesprochen werden zu wollen, gen Mannschaftsbus verließ.
Auf ein großes Spiel mit großem Resultat blickt indes Ronaldo zurück, der trotz des Sieges ebenfalls nicht zum Reden aufgelegt war und stattdessen stilecht gut bewacht und heimlich an den wartenden Journalisten vorbeigeschleust wurde. Grund zum Feiern hat der Superstar trotz seiner offenen Zukunft im Vereinsfußball doppelt und dreifach. Neben dem Einzug ins Finale der Nations League beendet der fünffache Weltfußballer nämlich auch zwei persönliche Durststrecken: Nach zuvor fünf Pflichtspielniederlagen gegen Deutschland – allesamt in großen Turnieren – feierte der Superstar seinen allerersten Sieg. Sein spielentscheidender Treffer in der Allianz Arena war ebenfalls sein erster überhaupt gegen eine deutsche Auswahl. Folgt am Sonntag sein zweiter Titel in der Nations League? Schon die erste Ausgabe des Turniers im Sommer 2019 konnte Ronaldo mit seinen Portugiesen gewinnen.