
Miasanrot
·20 September 2025
Zum Karriereende von Jérôme Boateng: Das Thema, das chronisch zu kurz kommt

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·20 September 2025
Jérôme Boateng hat seine Karriere beendet. Wir nehmen das zum Anlass, um das Thema Gewalt gegen Frauen in den Mittelpunkt zu rücken.
Am Freitag verkündete Jérôme Boateng sein Karriereende. Für uns ist das ein Anlass, um ein Thema in den Mittelpunkt zu rücken, das diesbezüglich in bisher allen reichweitenstarken Artikeln zum Weltmeister von 2014 nur noch beiläufig erwähnt wird.
„Sein Privatleben beschäftigte den Boulevard und lange die Gerichte“, schrieb der kicker, als hätte er als „Fachmagazin“ nicht die Aufgabe, sich mit dem zu befassen, was seit Jahren offenkundig auf dem Tisch liegt. Keine Einordnung, keine Informationen darüber, was konkret passiert ist. Damit ist er nicht allein.
Und um ehrlich zu sein: Auch wir wollen uns hier nicht mit der konkreten Causa Boateng befassen. Denn das haben andere deutlich fundierter, besser und kompetenter getan, als wir das je könnten. Daher sprechen wir die Empfehlung für die Recherche von Correctiv und SZ zum Thema „Machtmissbrauch im Profifußball“ aus und für den Podcast „NDA: Die Akte Kasia Lenhardt“.
Was wir tun wollen, ist über Gewalt gegen Frauen generell zu schreiben – weil uns das wichtiger erscheint als ein Weltmeistertitel im Fußball.
Der bff, der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland, schreibt auf seiner Website, dass es viele Formen von Gewalt gegen Frauen gibt: körperliche Gewalt, sexualisierte Gewalt und sexuelle Belästigung, psychische Gewalt und strukturelle Gewalt, die persönliche Freiheiten und Lebenschancen einschränkt.
Laut bff haben in Deutschland 40 % der Frauen seit ihrem 16. Lebensjahr körperliche und/oder sexualisierte Gewalt erlebt, 42 % von ihnen psychische Gewalt: Die Betroffenen kommen aus allen sozialen Schichten mit unterschiedlichen Bildungsgraden und kulturellen Hintergründen. Mit Gewalt konfrontierte Frauen passen in keine Schublade.
Gewalt gegen Frauen wird in den allermeisten Fällen von Männern ausgeübt. Dabei sind die Täter meist Männer, die den Frauen nahestehen. Im November 2024 stellten die ehemalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bundesfrauenministerin Lisa Paus gemeinsam mit dem damaligen Vizepräsidenten des Bundeskriminalamts, Michael Kretschmer, in Berlin das erste Lagebild „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“ vor.
Die Erkenntnisse waren ernüchternd, hier nur ein kurzer Auszug davon (die Zahlen beziehen sich auf das Berichtsjahr 2023 und sind der Pressemitteilung des Bundeskriminalamts entnommen).
Wir finden: Fußball muss bezahlbar sein. Deshalb bieten wir unseren Content frei zugänglich für alle an. Außerdem verzichten wir bisher auf Werbung, um in der Themensetzung einen Fokus auf Qualität statt Quantität gewährleisten zu können. Unser Konzept baut auf die finanzielle Unterstützung unserer Leser*innen und Hörer*innen. Damit wir auch morgen wieder kritischen, fairen und sachlichen Journalismus rund um den FC Bayern betreiben können, brauchen wir dich!
2023 wurden 938 Mädchen und Frauen Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten. Der Anteil an weiblichen Opfern, die im Zusammenhang mit partnerschaftlichen Beziehungen Opfer von Tötungsdelikten wurden, liegt bei 80,6 %. Insgesamt wurden 360 Mädchen und Frauen Opfer vollendeter Taten. Demnach gab es 2023 beinahe jeden Tag einen Femizid in Deutschland.
Im Berichtsjahr 2023 wurden 52.330 Frauen und Mädchen Opfer von Sexualstraftaten (eine Steigerung von 6,2 % im Vergleich zum Vorjahr); davon war über die Hälfte unter 18 Jahre alt.
Mit 70,5 % sind die weit überwiegende Zahl der Opfer Häuslicher Gewalt Frauen und Mädchen. Im Berichtsjahr stieg die Zahl der weiblichen Opfer um 5,6 % auf 180.715 an. Die Häusliche Gewalt gliedert sich in Partnerschaftsgewalt und innerfamiliäre Gewalt. Bei Partnerschaftsgewalt sind mit 79,2 % mehr weibliche Opfer betroffen als bei innerfamiliärer Gewalt (54 % Frauen und Mädchen).
Auch die Delikte im Bereich der Digitalen Gewalt nehmen zu. Über 17.193 Frauen und Mädchen wurden im vergangenen Jahr Opfer Digitaler Gewalt. Hier ist mit 25 % ein deutlicher Anstieg der weiblichen Opferzahlen im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen. Der Graubereich jener, die hier nicht erfasst werden können, weil ihre Fälle nicht gemeldet werden, dürfte zudem riesig sein.
Auch der Fußball sollte sich mehr mit dem Thema Gewalt gegen Frauen auseinandersetzen. Bereits im vergangenen Jahr haben wir in unserem EM-Blog das Thema Sicherheit von Frauen vor, während und nach Fußballspielen bei Miasanrot diskutiert. Die wichtigsten Erkenntnisse daraus:
Die sehenswerte Reportage des deutschen ARD-Videoformats „Vollbild“ dreht sich um die Frage, wie verbreitet sexuelle Übergriffe in Stadien sind. Da auch das Team auf keine Zahlen zurückgreifen kann, erhebt sie diese selbst.
In einer deutschlandweiten Umfrage befragten sie über 2.500 Personen, knapp die Hälfte davon Frauen. Das Ergebnis zeigt, dass fast jede vierte Frau schon mindestens einmal einen sexuellen Übergriff im Fußballstadion erlebt hat. In der Reportage teilen Betroffene ihre Erfahrungen, die von sexistischen Kommentaren über K.-o.-Tropfen bis hin zu ungewollten Berührungen reichen.
Das 2019 gegründete „Netzwerk gegen Sexismus und Sexualisierte Gewalt“ vernetzt lokales und bundesweites Engagement aus Fanszenen, Vereinen und Fanprojekten. Noch im gleichen Jahr hat es ein „Handlungskonzept gegen sexualisierte Gewalt im Zuschauer*innensport Fußball“ entwickelt, das sich an Vereine und Verbände, Fanprojekte, Fangruppen und -clubs, aber auch Sicherheits- und Ordnungsdienste sowie Polizeistellen richtet.
Nicht nur im Stadion, auch in den eigenen vier Wänden erleben Frauen häusliche Gewalt, die in direktem Zusammenhang mit Fußball steht, wie eine Studie aus England zeigt, die bereits im Jahr 2013 veröffentlicht wurde: Das Risiko häuslicher Gewalt während großer Fußballturniere stieg um 26 % an, wenn die englische Nationalmannschaft gewann oder unentschieden spielte, und um 38 %, wenn sie verlor.
Eine weitere Studie aus Großbritannien, die im Februar 2024 erschien, untersucht, wie sich Alkohol und Emotionen auf häusliche Gewalt während und nach Fußballspielen auswirken: Während des Spiels nahm die Gewalt für etwa zwei Stunden ab, nach dem Spiel stiegen die Gewaltvorfälle allerdings an.
Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben. Unter der Nummer 116 016 werden Betroffene aller Nationalitäten, mit und ohne Behinderung 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr unterstützt: Startseite: Hilfetelefon.
Frauenhäuser und Fachberatungsstellen bieten Frauen Schutz vor Gewalt und helfen ihnen, die Folgen von Gewalt und Missbrauch zu überwinden und ein gewaltfreies Leben aufzubauen: Suche nach Frauenhäusern und Beratungsstellen – Frauenhauskoordinierung – die auch Spenden annimmt. Miasanrot hat 100 Euro an die Frauenhauskoordinierung gespendet.
Hilfe für Frauen und Mädchen mit Behinderung: Startseite – Suse hilft
Informationen über digitale Gewalt wie Cyberstalking, Cybermobbing, Doxing, Hate Speech: Startseite – Aktiv gegen digitale Gewalt.
Die App des Vereins „Gewaltfrei in die Zukunft e.V.“ bietet von häuslicher Gewalt betroffenen Personen einen niedrigschwelligen Zugang zu Informationen und Unterstützungsangeboten und dient als Brücke in das bestehende Hilfenetzwerk: http://www.gewaltfrei-in-die-zukunft.de.
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