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Hertha BASE

·24 ottobre 2025

Auf glückliche Weise unglücklich

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Glaubt man Leo Tolstoi, so steht fest, dass alle glücklichen Familien einander ähnlich sind, jede unglückliche Familie aber auf ihre Weise unglücklich sei. Als leidenserprobter Hertha-Fan fragt man sich an dieser Stelle vielleicht, wann man denn überhaupt das letzte Mal so wirklich glücklich war, also diejenige Emotion verspürt hat, die die Fans erfolgreicher Vereine wie dem FC Bayern Saison für Saison monopolisieren  dürfen. Unserem Hertha-Base Stimmungsbarometer zu Folge war der relative Moment höchsten Glücks am 14.9.2024 erreicht: 7.66/10 nach drei Siegen in Folge. Nur konsequent, dass wir danach 0:2 gegen Düsseldorf verloren haben und sich die Stimmung wieder auf die bekannte Talfahrt begeben hat.

„Ihr, die ihr eintretet, lasst alle Hoffnung fahren“

Eine Reise in die Tiefen der Leidensfähigkeit, die immer wieder vom Schlucklauf der Hoffnung unterbrochen wurde. Da mal wieder ein Sieg, hier eine Vertragsverlängerung. Momente des Innehaltens, an denen man sich dem intrusiven Gedanken, dass doch noch alles gut wird, ausgesetzt sieht. Doch bevor sich Hertha-Fans wirklich mit dem Ungewohnten, wohligen Empfindungen in der Bauchgegend auseinandersetzen müssen, werden sie von den opioiden Dämpfen, erfolgreicher Mittelmäßigkeit wieder ins Reich der Träume gezogen: Die Mannschaft tut gerade so viel, um ihren  Anhänger die  psychologische Beugehaft als wochenendliche Erholungsreise in Aussicht zu stellen, versagt im Unterhaltungsprogramm aber derart, dass uns alleine die Retraumatisierungsangst davon abhält, das erlebte Elend als wertvolle Lektion für die Zukunft zu nutzen.


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„Ihr, die ihr eintretet, lasst alle Hoffnung fahren“ – Würde dieser Spruch die olympischen Ringe am Eingang des Stadions ersetzen, wir wüssten wenigstens, was uns erwartet. Den Blick nach unten gerichtet, die Hände tief in den Taschen vergaben, würden wir uns so immer tiefer in den dunklen Wald unseres Fan-Seins hineinbegeben. Ein Umgang mit den Schlechtleistungen von Hertha BSC, der uns selbst noch die Freude des ungläubigen Erfolgs zu nehmen wüsste. Ein Weg direkt in die vermeintlich glückliche Gewissheit, dass alles genauso scheiße gekommen ist, wie man immer gesagt hat.

Allerdings ist es gerade die Möglichkeit des Irrtums, die das Gefühl individueller Genugtuung gegen die Erfahrung positiver Fassungslosigkeit austauschen kann. Was ist schon das Glück, immer recht zu behalten gegen das Unglück, die eigene Welt von einem spielentscheidenden Steckpass aus den Angeln heben zu lassen? Was ist die Bequemlichkeit der vorhersagbaren Langeweile gegen 90 Minuten Chaos pur? Was die Gewissheit, dass keiner der elf Spieler auf dem Platz einem Freude machen wird gegen das Spiel zwischen Genie und Wahnsinn, dem Verhandeln strahlender Zukunft gegen vergeudetes Talent. Was bringt uns das Glück der anderen, wenn es uns unseren Glauben kostet.

Wo Fans zwischen Beton nicht mehr träumen, ist der Fußball tot

Dumm ist der dummes tut. Das trifft vielleicht auf den ein oder anderen Verteidiger der letzen Jahre zu, aber nicht auf diejenigen, die es vermögen, sich die eigene Naivität zu bewahren. Man weiß ja nie, wann man sie wieder braucht. Wir täten alle deshalb gut daran, die Botschaft, dass Alles gut wird, nicht nur zu hören, sondern auch Glauben zu schenken. Nicht, weil unsere Hoffnung zwangsläufig irgendetwas am Ausgang des Spiels ändern würde, sondern weil das Verlieren in fauler Teilnahmslosigkeit der direkte Weg in die Wolfsburgisierung des Fußballs ist: Wo Fans zwischen Beton nicht mehr träumen, ist der Fußball tot und sie haben ihn getötet.

In diesem Sinne bleiben nur noch die leicht veränderten Worte von Charles Dickens:

Es war die beste aller Zeiten, es war die schlimmste aller Zeiten, es war das Zeitalter der Weisheit, es war das Zeitalter der Dummheit, es war die Epoche des Glaubens, es war die Epoche des Unglaubens, es war die Saison des Lichts, es war die Saison der Dunkelheit, es war der Frühling der Hoffnung, es war der Winter der Verzweiflung, wir hatten alles vor uns, wir hatten nichts vor uns, wir gingen alle direkt in den Himmel, wir alle machten uns in Richtung Olympiastadion auf …

[Titelbild: Maryam Majd/Getty Images]

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