VfL Osnabrück
·30 dicembre 2024
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Er saß eine rekordverdächtige Zeit auf der Osnabrücker Trainerbank: In zwei Etappen, aber summa summarum sechs Jahre lang lenkte Walter Hollstein die Geschicke der Lila-Weißen. Er feierte große Erfolge, eckte mit seiner unnachgiebigen Art aber auch immer wieder an. Heute vor 125 Jahren wurde der Fußballlehrer in Gotha geboren.
Nach dem Abitur zog es Hollstein nach München und Jena, wo er zunächst Jura studierte, ehe er sich in Berlin zum Diplom-Sportlehrer ausbilden ließ. Bei Tennis Borussia übernahm er 1927/28 seinen ersten Chefposten – als Nachfolger des zum DFB-Trainer beförderten Otto Nerz und Übungsleiter des ehrgeizigen Spielertrainers Sepp Herberger. Herberger und Hollstein galten lange als Freunde und Studienkollegen, tatsächlich scheint ihr Verhältnis von Anfang an schwierig gewesen zu sein. „Mein Vater hat viel Persönliches erzählt, z.B. von Otto Nerz, den er hoch verehrt hat, und von Sepp Herberger, der ja in der Trainerzeit meines Vaters bei TeBe auch ´unter´ ihm gespielt hat. Letzteren mochte er nun gar nicht“, gab Walter Hollstein Junior, der bekannte Soziologe, einmal zu Protokoll.
Dass der DFB zehn Jahre später sowohl Herberger als auch Hollstein für die Nachfolge von Otto Nerz in Betracht zog, dürfte die Spannungen nicht verringert haben. Der berühmtere Kollege diente Walter Hollstein jedenfalls noch lange als Beispiel für die Kommerzialisierung des Fußballs, die er selbst strikt ablehnte. Seine Haltung blieb streng und betont intellektuell, wurde aber nicht kompromissbereiter. Am Ende kündigte er die Ehrenmitgliedschaft im „Bund Deutscher Fußballehrer“ und schickte die entsprechende Urkunde an den DFB zurück.
Große Erfolge feierte aber nicht nur Herberger. Walter Hollstein wurde 1936 und 37 mit Werder Bremen Meister der Gauliga Niedersachsen und qualifizierte sich jeweils für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft. Nach seinem Wechsel zum VfL Osnabrück wiederholte er diesen Coup mit den Lila-Weißen in den Jahren 1939 und 40. Hollstein baute um den starken Torhüter Heinz Flotho, Kapitän Mattes Billen und Stürmer Addi Vetter die legendäre Gartlager Elf, mit der sich der VfL erstmals auf der ganz großen Fußballbühne präsentierte. Allerdings nur für kurze Zeit, denn die Nationalsozialisten waren bereits damit beschäftigt, die Welt in den Abgrund eines neuen Krieges zu stürzen. Dass der VfL-Trainer in dieser Zeit auch als Leiter des städtischen Amts für „Volks- und Jugendertüchtigung“ tätig war, verdiente eine genauere historische Untersuchung, die bis jetzt noch aussteht.
Nach Kriegsende widmete sich Walter Hollstein einer Reihe ganz unterschiedlicher Tätigkeiten, die jedoch alle unmittelbar mit seinem Lieblingssport zu tun hatten. Er unterrichtete als Sport-Dozent an der Uni Frankfurt, coachte neben dem FSV Frankfurt und dem 1. FC Rödelheim 02 auch die Frankfurter Eintracht, wurde Leiter der Sportschule in Barsinghausen und Trainer der studentischen Fußballnationalmannschaft. Als sich der VfL 1952 ein weiteres Mal für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft qualifizierte, kehrte Walter Hollstein auf die Trainerbank der Lila-Weißen zurück, allerdings nicht allein, sondern an der Seite des fast 30 Jahre jüngeren Harry Hemmo.
Zwei Jahre führten die beiden an der Seitenlinie Regie, doch als der VfL 1954 erstmals in Abstiegsnot geriet, neigte sich die Ära Hollstein endgültig ihrem Ende entgegen. Während der Osnabrücker seine Ausrüstung an den Nagel hängte und fortan als Leiter des städtischen Sportamtes tätig war, feierte sein alter Rivale in Bern den größtmöglichen Triumph mit dem Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft. Walter Hollstein zog es schließlich in die Schweiz. Er starb am 15. April 1977 in Basel.
Text: Thorsten Stegemann
Bild: Walter Hollstein (1952) als VfL-Trainer beim Endrundenspiel um die Deutsche Fußballmeisterschaft, CC BY-SA 3.0 DE, wikimedia