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·2 settembre 2025
BVB: Die riskante Wette von Ricken und Kehl

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·2 settembre 2025
Für den BVB war es ein wegweisender Sommer. Die sportliche Führung rund um Lars Ricken und Sebastian Kehl hat Niko Kovac enorm viel Macht gegeben und somit die Weichen für die Zukunft gestellt.
Borussia Dortmunds Sportdirektor Sebastian Kehl wird sich vielleicht wundern, warum denn so viele Fans nach wie vor unzufrieden mit der aktuellen Zusammensetzung des schwarzgelben Kaders sind. Schon im Frühjahr betonte der 45-Jährige, dass der ganz große Umbruch nicht zu erwarten sei.
Auch der zum Jahresende scheidende Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke äußerte sich in den vergangenen Monaten recht optimistisch. Denn unter den Spitzenmannschaften in der Bundesliga habe der BVB die geringste Fluktuation im Kader. Sprich: Während die anderen sich erstmal einspielen müssen, wird der BVB sofort am Start sein. Davon war in den ersten drei Pflichtspielen allerdings noch nicht viel zu sehen.
Hieran wird schnell klar, wie unterschiedlich intern und extern gedacht wird. Die Verantwortlichen des BVB betrachten den Klub immer noch als Spitzenmannschaft, die für alle Aufgaben gewappnet ist, während viele Fans und Beobachter von der Borussia nicht sonderlich beeindruckt sind. Während Ricken, Kehl & Co. noch die Siegesserie zum Ende der Saison im Kopf haben und optimistisch sind, dass es so weitergehen wird, legen Fans den Fokus vielmehr auf die Schwächen der Borussia.
(Foto: Getty Images)
Das „Weiter so“ der Vereinsführung sorgt bei Anhängern für Frust. Der größte Gewinner dieses Vorgehens ist bislang Cheftrainer Niko Kovac. Er durfte seine Vision des Kaders im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten deutlich vorantreiben und hat schon im August einen neuen Vertrag unterschreiben dürfen. Grundsätzlich ist es auch gut, Ruhe und Kontinuität in den Verein bringen zu wollen, aber bis in den Herbst hinein hätte man schon warten können. Ein Formtief nach der Länderspielpause und schon würde die Hütte wieder brennen.
Jetzt sollen aber die Spieler erstmal liefern. Dass es allerdings genau die Profis sind, die schon etliche Male in der jüngeren Vergangenheit bewiesen haben, nur phasenweise Leistung erbringen zu können, lässt die Zweifel an diesem Weg wachsen. Es war klar, dass Spieler wie Marcel Sabitzer, Niklas Süle, Julian Brandt und viele weitere ihre gut dotierten Verträge nicht einfach so aufgeben werden. Das limitierte den Handlungsspielraum des BVB natürlich, auch wenn das klar ein selbst kreiertes Problem ist. Es liegt insgesamt ein teurer, überbewerteter Kader vor, der etliche offene Baustellen aufweist. Nicht ohne Grund hat Dortmund zuletzt nur die Plätze fünf und vier in der Bundesliga belegt.
Dass Kehl aber erst im Spätsommer vermehrt auf dem Transfermarkt zuschlug, verwunderte dann doch. Er bezeichnete es selbst im August als „überlegtes Agieren“. Der BVB, so der viel kritisierte Sportdirektor gegenüber Sky, ist „sehr zufrieden, mit dem, was wir haben“. Der Markt sei „sehr hitzig“, insbesondere aufgrund der englischen Vereine, die finanziell der Konkurrenz enteilt sind. Aber warum richtete sich dann der Blick der Borussia fast ausschließlich nach England, wenn es um Neuzugänge ging? Die Premier League für die explodierenden Ablösesummen zu verteufeln, nur um dann für fast 100 Millionen Euro Yan Couto (Man City), Carney Chukwuemeka (Chelsea), Fabio Silva (Wolverhampton) und Jobe Bellingham (Sunderland) zu verpflichten, ist ein Vorgehen, das Fragezeichen auslöst.
Doch nicht nur die Summen rufen Kritiker auf den Plan, sondern auch die Priorisierung der Spielerprofile. Weil Kovac mit einer Dreierkette plant, wurden keine Flügelspieler geholt. Jetzt fehlt dieser Spielertyp gänzlich. Damit raubt sich Dortmund zwar taktischer Flexibilität, aber wenn der Cheftrainer sich derart auf die Dreierkette festlegen will, macht es Sinn, ihm einen Kader bereitzustellen, der dahingehend gut ausbalanciert ist.
Nur ist das auch nicht wirklich der Fall. Im zentralen Mittelfeld stehen sechs Spieler bereit, die allesamt ihre Stärken auf der Acht besitzen. Kein einziger davon, funktioniert zuverlässig als spielstarker Sechser. Heißt: Selbst, wenn alle Spieler fit sein sollten und Kovac die Qual der Wahl hat, müsste immer mindestens ein Spieler auf einer Position ran, die ihm nicht liegt. In den ersten Spielen war es vor allem Marcel Sabitzer im defensiven Mittelfeld, der sich regelrecht vor Anspielen im Deckungsschatten versteckte.
(Foto: Getty Images)
Warum wurde nicht das Geld, das in Jobe Bellingham gesteckt wurde, genommen, um genau diese Baustelle zu schließen? Dann kommt noch dazu, dass es über den ganzen Sommer Gerüchte um mögliche Spielmacher gab (Cherki, Buonanotte, Echeverri, Nwaneri, McAtee), aber kein einziger Spieler verpflichtet wurde. Jetzt muss es wieder Julian Brandt richten, der aus der schwersten Krise seiner Karriere kommt. Ansonsten könnte auch Carney Chukwuemeka die Rolle übernehmen, der aber als Achter nochmal ein Stück besser ist und in seiner Profikarriere aufgrund seiner Verletzungsanfälligkeit erst eine Handvoll Spiele absolviert hat.
Auch auf den Außenbahnen ist der Kader für die Dreifachbelastung recht dünn besetzt. Yan Couto und Julian Ryerson werden sich die Aufgaben auf der rechten Seite teilen, doch sobald Daniel Svensson als linker Wingback ausfällt, wird sich die Statik der Mannschaft drastisch verändern. Ramy Bensebaini ist ein deutlich anderer Spielertyp und kommt spielerisch nicht an den Schweden heran.
Das alles ist recht bezeichnend für Dortmund. Es muss nur ganz wenig nicht stimmen und das Konstrukt droht auseinanderzubrechen. Plan A funktioniert recht gut, doch Plan B droht katastrophal zu enden. Hier eine Verletzung, da ein Formtief und Kovac sind recht schnell die Hände gebunden. Aber das ist der Weg, den Lars Ricken und Sebastian Kehl gewählt haben.
Geht alles gut, schafft es der BVB erneut in die Champions League, lässt im nächsten Sommer viele Verträge auslaufen und kann Geld in die Hand nehmen, um den Kovac-Kader zu endgültig zu formen. Doch wird diese Saison in den Sand gesetzt, droht eine richtig zähe Zukunft. Denn dieser Kader ist jetzt tief mit Kovacs Spielidee verbunden. Im Falle einer Trennung würde es bestimmt wieder mehrere Transferfenster dauern, um die DNA der Mannschaft grundlegend zu verändern.
(Foto: Getty Images)
Zur Erinnerung: Dortmund hat keinen spielstarken, defensiven Mittelfeldspieler, keine Flügelspieler und keinen Zehner mit Zukunft in diesem Verein. Dass ausgerechnet Niko Kovac von allen BVB-Trainern der letzten zehn Jahre das größte Mitspracherecht bei der Entwicklung des Vereins gegeben wurde, ist riskant. Der BVB ist unter seiner Führung zwar stabiler geworden, hat aber immer noch ziemlich viele Schattenseiten.
Die Wette, die Ricken und Kehl mit ihrer Arbeit eingegangen sind, ist super riskant. Im Frühjahr hieß es noch, dass der BVB aus der vergangenen Saison gelernt habe. Zu Beginn sei der Verein unter Ex-Trainer Nuri Sahin regelrecht durch die Saison „geirrt“, wie es der Geschäftsführer formulierte. Nach dem Erreichen des Minimalziels folgten ein Transfersommer der Ernüchterung und drei Pflichtspiele, die bis auf die zweite Hälfte gegen Union alle Probleme der Vorsaison wieder aufleben ließen. Sollte es zu einer erneuten Krise im Verlauf der Spielzeit kommen, müsste nicht nur der Trainer ausgetauscht werden, sondern zur Abwechslung auch mal seine Vorgesetzten.