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·24 dicembre 2025
Ismail Jakobs erklärt Galatasaray-Wechsel und Druck in der Türkei: „Das ist hier wie eine Religion“

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Ismail Jakobs hat in einem Interview bemerkenswert offen über seine Zeit bei Galatasaray gesprochen – und dabei nicht nur die besondere Derby-Atmosphäre in Istanbul beschrieben, sondern auch die Schattenseiten des enormen Drucks im türkischen Fußball. Der 26-Jährige, der im Zuge der Afrikameisterschaft zur senegalesischen Nationalmannschaft dazustieß, räusperte sich auf SAY LESS YouTube zu seinem Wechsel, zur Wucht der Fan-Kultur und zu Gerüchten, gegen die er sich deutlich wehrte.
Jakobs erklärte, dass ihn vor allem die besondere Mischung aus Fans und Stadion fasziniert habe. „Nirgends sind Fans und das Stadion sind in Sachen Atmosphäre lauter als bei Galatasaray“, sagte er. Als das Angebot kam, sei es für ihn ein Moment gewesen, in dem er klar wusste, was er braucht: „Ich brauche das; für mich selbst, für meine Karriere. Das ist eine sehr extreme Sache.“
In der Darstellung des Spielers klingt das weniger nach einem spontanen Schritt, sondern nach einer bewussten Entscheidung für eine Umgebung, in der Emotionen und Erwartungshaltung permanent auf Anschlag sind. Genau diese Intensität sei ein Faktor gewesen, der ihn reizte – auch wenn sie später eigene Regeln und Zwänge mit sich bringe.
Besonders deutlich wurde Jakobs beim Thema Derby. Die Spiele gegen Fenerbahce seien für ihn die wichtigsten Partien der Saison. Er beschrieb, wie früh diese Spannung im Klub zu spüren ist: „Diese Atmosphäre spürt man die ganze Woche„, sagte er und betonte, dass wirklich alle wissen, wie nah das Spiel ist. „Jeder, jeder, jeder weiß, dass dieses Spiel näher rückt„, so Jakobs.
Sein Eindruck: Das Derby dominiert den Alltag in Istanbul. „Jeder, den man auf der Straße trifft, spricht nur über dieses Spiel, und dies ist das wichtigste Spiel des Jahres“, erklärte er. Sogar große europäische Nächte ordnete er in diesem Kontext ein: Es könne sein, dass die Champions League für viele wichtig ist – „aber ansonsten ist das Derby gegen Fenerbahce das wichtigste Spiel des Jahres.“
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Ein besonders persönlicher Teil des Interviews drehte sich um den Umgang mit Verletzungen. Jakobs sagte, dass er in solchen Phasen am liebsten gar nicht vor die Tür gehe. „Verletzungsperioden sind eine wirklich schlechte Periode, denn ich verlasse mein Haus nicht„, erklärte er – und schob sofort nach, dass es nicht um Bequemlichkeit gehe: „Aber der Grund, warum ich mein Haus nicht verlasse, ist nicht Faulheit.“
Theoretisch habe er kein Problem damit, essen zu gehen oder Freunde zu treffen. Doch er fühle einen permanenten Beobachtungsdruck: Sobald er draußen sei, könnten Leute es aufzeichnen, darüber reden und alles gegen ihn drehen. Jakobs zitierte typische Reaktionen, die ihn belasten: „War dieser Typ nicht verletzt, wie kann er draußen sein?“ oder „Wie kann er im Restaurant sitzen?“ bis hin zur Erwartung, er müsse ständig im Fitnessstudio oder bei der Physiotherapie sein. Das seien Dinge, die einen „manchmal wirklich zu müde und zu wütend machen„.
Der Außenverteidiger reagierte auch auf Berichte über sein Privatleben, die ihm in der Vergangenheit zugeschrieben wurden. Er schilderte, dass aus einzelnen Erzählungen schnell ein Etikett gemacht werde: erst Stories über Beziehungen, dann heißt es, er falle wieder ins Nachtleben und es werde ständig Party genannt. Besonders störte ihn, wie selbstbewusst manche Urteile formuliert werden.
Jakobs brachte seinen Frust in einem direkten Satz auf den Punkt: „Sitzt du neben meinem Bett und weißt du, wann ich schlafe?“ Und weiter: Wenn jemand im Internet oder im Fernsehen behaupte, „dieser Junge schläft nie“, frage er sich, woher dieses Selbstvertrauen kommt. Für Jakobs ist das ein Kernproblem: Die Wucht der öffentlichen Meinung entsteht oft aus Behauptungen, die niemand wirklich belegen kann – aber sofort Wirkung entfalten.
Grundsätzlich ordnete Jakobs den Fußball in der Türkei als extrem emotional ein. Er sprach von „einer unglaublichen, wahnsinnigen Liebe“ zum Klub und zu Spielern – aber zugleich auch von einer Härte, die er so nicht gewohnt war. Der „ausgewogene Mittelstaat“, wie er ihn aus Deutschland kennt, sei weniger ausgeprägt. Genau deshalb seien die Fans so intensiv: „Diese Fanliebe wird auf wirklich fanatische Weise erlebt, unglaublich intensiv. Das ist hier wie eine Religion.“
Damit einher geht ein Druck, den man aushalten muss. Jakobs sagte, man wisse in solchen Ländern genau: Wenn man schlecht spielt oder verletzt ist, werde man hart kritisiert, teils auch beleidigt. Er machte zugleich klar, dass es nicht darum geht, dass „alle gegen ihn“ seien. Es sei ein Systemdruck, der jeden treffen kann: Jeder wird geliebt – und jeder kann von Zeit zu Zeit auf Härte stoßen. Seine Schlussfolgerung: Wer zu Galatasaray, Fenerbahce oder Besiktas kommt, brauche einen „sehr starken Charakter„, weil der Druck zu groß ist.
Zum Schluss sprach Jakobs über das Spannungsfeld zwischen öffentlicher Erwartung und persönlichem Stil. Er erklärte, dass er eigentlich nicht der Typ sei, der viel auf Instagram postet, Texte schreibt oder seine Arbeit demonstrativ zeigt. „Ich bin niemand, der gerne angibt“, brachte er es auf den Punkt. Gleichzeitig erlebe er in der Türkei einen sozialen Druck, Dinge sichtbar zu machen, um Diskussionen zu beruhigen.
Er schilderte sogar konkrete Situationen im Alltag: Nachbarn würden ihm raten, den Leuten zu zeigen, dass er trainiert, wenn er ins Fitnessstudio geht. Jakobs versteht, warum solche Tipps kommen – aber er bleibt bei seiner Haltung. Er wolle niemandem etwas beweisen und habe eine „deutsche Mentalität“, eher introvertiert zu sein und nicht alles nach außen zu tragen. Sein Schlussgedanke war klar: Er wolle nicht in eine Rolle rutschen, die nicht zu ihm passt, und „nicht so tun, als wäre ich jemand, der ich nicht bin„.









































