REAL TOTAL
·25 aprile 2025
Kernschmelze vor Finale: Kritik ja, aber Boykott nein

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·25 aprile 2025
Nils Kern ist nicht einverstanden mit dem, was am Freitagabend passiert ist, und noch weiter passieren könnte – Foto: getty images
So ein Clásico steckt ja eh schon voller Feuer, speziell die letzten beiden Jahre, seit ein gewisser Fall geleakt wurde. Aber ein Clásico in einem großen Finale? Madre mía! Und das, was jetzt passiert ist, da kann der FC Barcelona aktiv wenig für. Real Madrid lässt kurzfristig Pressekonferenzen und Abschlusstraining in Sevilla ausfallen, darunter auch die obligatorischen Fotos mit dem gegnerischen Trainer und Kapitän. Dass allein diese traditionellen Fotos entfallen, ist schon schade, aber dass Real Madrid generell diesen Schritt geht, ist nicht gut. Ein Boykott, der nicht sein muss.
So sehr ich auch Kritik und sogar Druck auf die Verbände und sonstigen Verantwortlichen verstehen kann. Und das nicht nur aufgrund des seit zwei Jahren vor Gericht liegenden Negreira-Falls, sondern weil damalige Verantwortliche (im Verband, Schiedsrichter und mehr) immer noch aktiv sind, aber auch wegen des Chaos um Liga-Verband LFP (Kalender generell, kurzfristige Verlegungen, wenig Transparenz, Fokus auf Vermarktung statt Technologie und vieles mehr). So sehr ich mir da sogar auch eine proaktive Rolle von „meinem Klub“ wünsche, aber hier hat es Real Madrid übertrieben. So ein Boykott geht nicht.
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Von der auch mir meist zu einseitigen Realmadrid TV-Berichterstattung mal abgesehen: Was soll dieser Boykott bezwecken? Also, außer dass das öffentliche Ansehen des Klubs noch mehr leiden, der Hass noch größer wird, und auch Schiedsrichter jetzt bei der einen oder anderen 50:50-Entscheidung noch andere Faktoren in ihren Entscheidungsprozess einfließen lassen könnte… Was hat Real Madrid davon, diese Pressekonferenz, die Fotos, das letzte Training nicht nur ausfallen zu lassen, sondern quasi wenige Minuten vorher abzublasen? Das ist peinlich. Und auch kindisch! Ein bisschen wie der kurzfristige Boykott der Ballon d’Or-Gala. Ja, auch damals gab es Gründe, um Real Madrids Sichtweise teilweise (!) verstehen zu können, so auch jetzt. Aber so ein Schritt gleicht im Fußballbusiness einer Kernschmelze.
Dabei hat der Klub, der sich „caballero del honor“, Ehrenmann, in die Hymne schreibt (oh, wait, die alte Hymne ist ja seit einiger Zeit nach Abpfiff durch die neue ersetzt…), hier nicht mal eine Chance verpasst, Größe zu zeigen – so wie damals, als nach Barcelonas Pasillo-Verweigerung später auch Real den Ehrenspalier verweigerte. Dieser Boykott ist noch etwas grundloser, und daher noch kindischer eigentlich. Was hat sich der Klub dabei gedacht – sollen Medienprofis wie Carlo Ancelotti und Luka Modric keine unangenehmen Fragen erhalten von den Reportern, die doch wahrscheinlich auch vor einem Pokalfinale Reals Pressesprecher auswählt? Fürchtet man wirklich, dass ein Schiedsrichter wie Ricardo de Burgos Bengoetxea regelmäßig für Barcelona pfeifen will? Versteht mich nicht falsch: Ich hielt den 39-jährigen Spanier schon immer für einen zu weichen, nicht autoritäten, sehr zweifelnden Schiedsrichter, schon bei der Ansetzung wunderte ich mich, warum ein Schiedsrichter ohne Champions-League-, EM- oder WM-Erfahrung nicht nur ein Pokalfinale, sondern so ein Pokalfinale bekommt. Aber er ist meiner Meinung nach nicht primär einseitig, sondern vor allem eines: nicht gut genug. Und nur ein bemitleidenswerter Bauer eines meiner Meinung nach korrupten Verbands. Fürchtet Real also wirklich, wegen der Aussagen der beiden Referees inklusive vermeintlicher Drohungen („Wir müssen anfangen, Maßnahmen zu ergreifen. Wir werden nicht weiter zulassen, was passiert.“) das Finale nicht mit fairen Mitteln gewinnen zu können?
Nein, man will dem Verband vermutlich auch eins auswischen. „Nicht mit uns. Wir machen ein bisschen was auf unseren eigenen Kanälen, von unserer Strahlkraft kriegt ihr nur das Minimum.“ Dass Real genau deswegen gegen den LaLiga-Medienvertrag ist und so keine Halbzeit-Interviews oder Kabinen-Kameras will: genau meine Meinung, diese Dinge sind unnötiger Quatsch. Aber jetzt: so ein Schritt vor so einem Spiel geht zu weit. Und erzwingt mal wieder leider ein anderes Narrativ. Hätte man rund um den Ballon d’Or auch weltweit über die Vergabe oder andere Prozesse reden können, wenn denn die Blancos zumindest teilweise Präsenz gezeigt hätten, so geht es auch jetzt nicht mehr um einen offensichtlich korrupten, intransparenten, veralteten Verband, in dem neue Verantwortliche teilweise aus dem gleichen Sumpf stammen (so wie bei Neu-Präsident Rafael Louzán oder Vorgänger Pedro Rocha auch), sondern primär darum, wie Real Madrid mal wieder sein eigenes Ding macht. Oder wie ich oft sage, nicht nur wegen Hymnenwechsel, sondern auch Ticketpreisen, Trikotpreisen, Boykott der LaLiga-Auswärtsticket-Revolution, Interview-Boykotts nach Patzern und vielem mehr: Real ist zu abgehoben, nicht mehr greifbar. Wir gegen alle – teilweise darf das mal sein, aber das hier geht mal wieder zu weit. Erst recht, wenn jetzt auch das Finale selbst boykottiert werden könnte. So wird Real den Negreira-Fall nicht vorantreiben, so wird Real das Schiedsrichter-System nicht revolutionieren (zumal Louzán angeblich plant, Verantwortliche wie Medina Cantaleja und Clos Gómez zu ersetzen, wenn auch durch die oben erwähnten internen Lösungen). So würde der Verband vermutlich den FC Barcelona zum Sieger küren aufgrund des Nichtantretens der anderen Mannschaft. Der Verlierer wäre hier mal wieder nur einer: Real Madrid. Titel, öffentliches Ansehen, und auch weitere Gefühle für „meinen Klub“ würden verloren gehen.
Florentino Pérez und Co. entwickeln sich mehr und mehr zu einem narzisstisch geführten Konzern, in dem Gegenwind nicht geduldet wird, diktatorisch getrumpt, also regiert wird. Nicht gut! Nochmal: So viel Kritik und Druck die Verbände, Schiedsrichter und sonstige Verantwortliche auch verdient haben, aber dieser Schritt geht erstens zu weit und würde zweitens die eh schon nicht wünschenswerte Situation noch schlimmer machen. Aber die Kernschmelze ist da – nicht nur bei mir. Und ich fürchte, da gibt es kein Zurück: weder die RFEF wird einknicken und die Schiedsrichter ändern, noch wird Real einknicken. Oder?