
Rund um den Brustring
·24 agosto 2025
Taten statt Worte

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·24 agosto 2025
Nach dem Supercup verliert der VfB auch den Ligaauftakt gegen ein typisches Union Berlin mit 1:2. Die Ergebnisse mögen aktuell noch zweitrangig sein. Es sind vor allem die Auftritte, die (noch) nicht zu den proklamierten Saisonzielen passen.
Nachdem der VfB am Dienstagabend die Mission Titelverteidigung im Pokal hoffentlich erfolgreich eröffnet hat, wird am kommenden Freitag die Liga-Phase der Europa League ausgelost. Die erneute Reise nach Europa war schon letzte Saison angesichts der Investitionen in den Kader das offensichtliche Saisonziel, das am Ende über den Triumph im Pokal auch erreicht wurde. Nur folgerichtig, dass man auch in dieser Spielzeit hohe Ziele hat. Von Platz 6 sprach Deniz Undav nach dem Testspiel gegen Bologna im SWR und auch vor dem Supercup gab man sich selbstbewusst — und ich klammere hier ganz bewusst Jamie Lewelings angeschickerte Ankündigung auf der Pokalfeier aus.
Nun kann man natürlich nach einem Liga-Spiel und einem Kirmescup noch keine Saisonprognosen ausgeben. Was aber beim 1:2 in Köpenick auffiel: Der VfB liefert aktuell nicht. Schon gegen die Bayern spielte man viel zu lange mit angezogener Handbremse, ließ sich hinten reindrängen und am Ende vom 170-Millionen-Angriff der Münchner schlagen, auch wenn man mit seinem Abwehrverhalten auch einen gehörigen Eigenanteil an der Niederlage hatte. Für Ilyas Ansah zahlte der 1. FC Union Berlin schlappe drei bis vier Millionen an den Zweitligisten Paderborn, er hatte aber kaum weniger Mühe, das Spiel gegen den VfB auf eigene Faust zu entscheiden.
Vielleicht hätten uns die Bayern auch geschlagen, wenn wir in dieses Spiel das investiert hätten, was wir angekündigt haben. Für den Saisonauftakt kann das keinesfalls gelten. Der VfB war den Zahlen nach drückend überlegen, fiel aber am Ende wieder auf den alten Union-Trick rein: Beißen, kratzen, Chancen nutzen, weiterkratzen. Dass man dieses Spiel nicht für sich entscheiden konnte, ist eben genau das, was uns zu den angepeilten Top 6 in der Liga kurz vor Ende des Transerfensters noch fehlt: Hinten wenig zulassen, vorne die Qualität auch auf den Platz bringen.
Stattdessen ließ man sich vom naürlich mal wieder traumhaften Führungstreffer der Unioner beeindrucken, schlug Flanke um Flanke in einen überbesetzten Strafraum, in dem Nick Woltemade so blass blieb wie sein Berater nach jeder sommerlichen Verhandlungsrunde, in dem Ermedin Demirovic schon deshalb nicht auftauchte, weil Sebastian Hoeneß ihn unverständlicherweise auf Linksaußen beorderdert hatte, auch wenn ich den Denkzettel für unseren neuen Zehner und alten Flügeldribbler nachvollziehen kann. Konnten Tick, Trick und Track im Mai noch mit dem Sieg in Leipzig die Weichen auf Pokalsieg stellen, so nahm sich auch diesmal Deniz Undav jeden noch so schlechten Abschluss — mit dem erwarteten Ergebnis.
Am Ende war es Neuzugang Tiago Tomás, der den VfB mit einem ebenso sehenswerten wie unerwarteten Treffer auf die manuelle Anzeigetafel in der Alten Försterei brachte — wie schon in der Vorwoche viel zu spät, daran änderte auch Woltemades Abseitstor nicht. Zwei kreuzdumme Gegentore zu kassieren — und eins davon sogar tief in der Nachspielzeit der ersten Hälfte, nachdem man erneut (!) bei einem Einwurf zu hoch stand — ist das eine. Das eigene Potenzial und die eigene Dominanz derart zu verschleudern, ist einfach nur frustrierend. statt mit neuem Elan aus der Pause zu kommen, ließ man sich von kartensammelnden Unionern nach der Pause kurzerhand den Schneid abkaufen. Dass Ilic für seine Ellbogen-Attacke gegen Jaquez’ Nasenbein nicht mit Gelb-Rot vom Platz flog, war der einzige größere Fehler des sonst stabilen Schiedsrichters.
Nein, diese Niederlage haben wir uns schon selber zuzuschreiben. Nicht den Unionern, die nach zwei schwachen Jahren wieder genau das spielen, was sie können und zwar formvollendet. Nicht dem Schiedsrichter. Erneut konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Mannschaft mit dem Brustring davon ausging, der Treffer würde schon irgendwann fallen, wenn man nur ausdauernd genug auf den Zehner-Riegel am gegnerischen Strafraum drauf liefe. Einer mit Nationalspielern gespickten Offensiv-Abteilung fiel am Ende viel zu wenig ein, um den Auswärtssieg oder zumindest einen Punkt zu erzwingen. Von den gezählten 25 Schüssen gingen nur sechs wirklich aufs Tor und davon nur drei innerhalb des Strafraums. Das können auch keine hohen Ballbesitz- und Passquoten in ungefährlichen Räumen aufwiegen.
Damit knüpfen wir aktuell erstmal an die enttäuschende Rückrunde an, die man erst zu einem verträglichen Ende brachte, als einem vier Wochen vor dem Pokalfinale der Arsch auf Grundeis ging. Natürlich liegt das Narrativ nahe, dass man sich vom Finalsieg gegen einen Drittligisten habe blenden lassen und dass der VfB, der sechs Heimspiele am Stück vergeigte, näher an der Realität dran ist als der mit dem Pokal in der Hand. Gerade im Pokalfinale gegen einen topmotivierten Underdog lieferte die Mannschaft aber über weite Strecken des Spiels ab. Die letzten vier Pflichtspiele der vergangenen Saison sollten also nichr Täuschung angesehen werden, sondern als Vorbild.
Zum Beispiel für das anstehende Spiel beim Zweitliga-Relegationssieger. Der hat vielleicht nicht die Qualität von Union, wird aber mindestens genauso viel Bissigkeit in dieses Spiel investieren. Umso wichtiger, dass der VfB dem mehr entgegenzusetzen hat als schicken Kombinationsfußball. Gerade wenn wir wir aktuell ohne einen kreativen Offensivspieler auskommen müssen, ist die Widerstandsfähigkeit und die richtige Haltung zum Spiel umso wichtiger. Als Titelverteidiger nicht direkt in der ersten Runde auszuscheiden ist hoffentlich dringlich genug, um die Mannschaft aus ihrer “Es hat leider nicht gereicht”-Haltung zu lösen.
Titelbild: © Maryam Majd/Getty Images