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·27 febbraio 2025

Wenn Leistung und Stimmung nicht zusammenpassen

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Beim FC St. Pauli herrscht nach drei Niederlagen in Serie vielerorts Alarmstimmung. Dabei würde es sehr helfen, der eigenen Erwartungshaltung einen Realitäts-Check zu unterziehen.(Titelfoto: Stefan Groenveld)

Mal drei Tage fast kein FC St. Pauli, nichts schreiben – tat mir auch mal gut. Zumal ich nach der Niederlage gegen Mainz auch gar nicht so richtig wusste, wie ich damit umgehen soll. Die dritte Niederlage in Folge, erneut keinen eigenen Treffer erzielt – da sollten doch bitte, endlich(!), die Alarmglocken schrillen? Hallo?! St. Pauli in der Vollkrise! Push the RedButton! Now!!! AUFWACHEN! Sonst steigen wir ab!!! (Ja, solche Stimmen kann man nicht nur vereinzelt wahrnehmen rund um den FC St. Pauli. Wenn sie Euch noch nicht erreicht haben, dann herzlichen Glückwunsch zu Eurer FCSP-Bubble)


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Kritik an Trainer Blessin – Bitte was?!

Dabei ist der Frust aufgrund der aktuellen Niederlagenserie verständlich, die Reaktion aber nicht. Denn es wäre natürlich viel zu einfach, wenn man allein aufgrund der Ergebnisse der letzten drei Spiele (0:2, 0:1, 0:2) sagen könnte: „Ok, so wird das nichts. Wir ziehen jetzt die Notbremse und dann wird ganz sicher alles besser“ – kann man aber nicht. Weil Fußball zwar ein Ergebnissport ist, die Ergebnisse aber nicht immer die Leistungen widerspiegeln. Und wie bitte würde die Notbremse beim FC St. Pauli denn aussehen?Einen neuen Stürmer einsetzen? Wo soll der herkommen?Den Trainer entlassen? Das wäre die schlimmste Entscheidung, die man aktuell treffen könnte.

Am besten fand ich am Wochenende den Kommentator bei Sky, der ständig davon faselte, dass dem FC St. Pauli in der Offensive „der absolute Wille“ fehle – wie bitte soll man sich das vorstellen? Jackson Irvine bringt sich zwar in beste Kopfballposition und will dann aber nur so halb einen Treffer erzielen? Klar, der trifft nicht, weil er es einfach nicht genug gewollt hat?! Was für ein Bullshit! Wie misst man denn überhaupt, zumal aus Sicht eines Kommentatoren-Platzes, den „absoluten Willen“? Nein, so ein Argument ist ein Armutszeugnis, weil es die eigene Planlosigkeit offenlegt. Aber ich schweife ab.

Es ist eine Veränderung, die bereits die gesamte Saison moderiert werden muss: Aus dem FC St. Pauli, der mit einer Ausnahme von neun Monaten die zweite Liga mit fußballerischer Klasse seit Anfang 2021 mit dominiert hat, die letzten 18 Monate sogar ganz alleine, ist nun ein Team geworden, welches knapp über dem Abstiegsrelegationsplatz in der Bundesliga steht. Und diese tabellarische Veränderung ist natürlich auch am Spielstil erkennbar. Das wichtigste an der Tabellenposition: Genau dort, knapp über den Strich, gehört der FCSP auch hin. Nicht höher, aber – und das ist extrem wichtig zu betonen – ganz sicher auch nicht niedriger.

Ja, sind wir denn schon abgestiegen?

Was die drei Niederlagen in Serie für den FC St. Pauli besonders schmerzhaft macht, sind die Punkte der anderen Clubs im Abstiegskampf. Der Abstand, der nie komfortabel gewesen ist, schrumpft langsam zusammen. Aber er ist eben immer noch da. Versucht man aber die Stimmung rund ums Millerntor zu deuten, könnte man hier und dort zu dem Fazit kommen, dass der FCSP völlig abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz den Abstieg in die Kreisliga bereits sicher hat. Doch so ist es nicht, der FC St. Pauli steht über dem Strich, hat ein kleines Punktepolster nach unten und hat sich dieses auch verdient. Diese Feststellung sorgt aber nicht dafür, dass man nicht trotzdem ganz genau schauen sollte, wo es beim FCSP aktuell hakt.

Augsburg, Freiburg, Mainz – ja, das sind genau die Clubs, deren sportlichen Werdegang sich der FC St. Pauli genau anschaut und vermutlich auch wünscht. Alle drei Clubs waren irgendwann innerhalb der letzten 15 Jahre mit dem FC St. Pauli in etwa auf einem Level. Daher mag es für einige so vorkommen, diese Clubs seien solche, mit denen der FCSP mithalten könne in der Bundesliga. Doch das ist weit gefehlt. Vielmehr sind sie meilenweit entfernt. Augsburg hat in den letzten sechs Jahren immer mindestens 42 Millionen Euro an TV-Geldern erwirtschaftet, Mainz sogar noch mehr, Freiburg wird allein dieses Jahr rund 71 Millionen Euro aus dem TV-Topf erhalten, mehr als doppelt so viel wie der FC St. Pauli. Diese Clubs sind in Sachen Transfers und Gehaltsstrukturen auf Erstliganiveau. Ja, der FCSP hat in den letzten Jahren signifikante Transfereinnahmen erzielt. Mainz hat aber zum Beispiel in den letzten fünf Jahren allein durch Transferablösen ein Plus von 55 Millionen Euro erwirtschaftet – und dabei 13 Spieler jeweils mit einer Ablösesumme verpflichtet, die beim FC St. Pauli einen Rekordtransfer bedeutet hätte. Beim SC Freiburg sind es 19 Spieler und der Club hat auch ein fettes Transferplus. Will sagen: Man spielt in der Bundesliga zwar gegeneinander, aber das Ungleichgewicht ist extrem.

Ungleichheit in Bundesliga extrem groß

Dieses extreme finanzielle Ungleichgewicht kann nicht innerhalb weniger Monate, nicht einmal innerhalb einer Saison ausgeglichen werden. Um die „Mittelklasse-Bundesligisten“ einzuholen, benötigt der FC St. Pauli Jahre – die sind aktuell in einer anderen Liga. Ist doof, muss man aber akzeptieren und als Herausforderung annehmen. Vor allem muss man sich darüber im Klaren sein, dass es momentan diesen großen Unterschied gibt. Denn um Punkte gegen diese Teams zu holen, muss vieles in Richtung des FC St. Pauli laufen. Wenn Alexander Blessin betont, dass sein Team immer an die 100 Prozent kommen muss, um in der Bundesliga Punkte holen zu können, dann liegt es genau an diesem krassen Ungleichgewicht. Hätte der FCSP so wenig intensiv gespielt und wäre so ausgecoacht worden, wie es den Mainzern am Samstag passierte, hätte es vermutlich eine sehr deutliche und schmerzhafte Niederlage gegeben. Das ist der Unterschied: Ein Club wie Mainz hat eine so viel höhere Qualität, dass da auch mal 95 Prozent reichen. Beim FC St. Pauli hingegen langt sowas ganz sicher nicht.

Nun hat der FC St. Pauli gegen die drei genannten Clubs zuletzt gespielt (dazwischen gab es noch die Partie gegen die launische Diva aus Leipzig). All diese Clubs sind extrem formstark. Mainz hat zehn Punkte aus den letzten fünf Spielen geholt – und sich dabei nur einen Gegentreffer gefangen. Augsburg holte gar 17 Punkte aus den letzten sieben Partien (zwei Gegentreffer) und Freiburg hat viermal in Folge gewonnen (kein Gegentreffer). Beim heiß diskutierten Thema „Offensivschwäche des FC St. Pauli“ sollten diese zwei Dinge – die letzten Gegner sind defensivstark und qualitativ in einer anderen Liga – immer unbedingt mitgedacht werden.

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Kaum ein Durchkommen für den FC St. Pauli gegen den FC Augsburg? Das geht aktuell vielen Teams so, der FCA hat sich in den letzten sieben Ligaspielen gerade einmal zwei Gegentreffer gefangen. // (c) Stefan Groenveld

Offensive bleibt Sorgenkind des FC St. Pauli

Tatsache aber ist: Der FC St. Pauli hat in dieser Saison bisher zu wenige eigene Treffer erzielt. Grundsätzlich sollte man von einem Aufsteiger zwar nicht erwarten, dass er den Bundesliga-Teams Tor um Tor einschenkt, aber mehr als die 18 FCSP-Treffer nach 23 Spieltagen dürfen es dann schon sein. Das diese schwache Ausbeute auch mit der ineffizienten Nutzung der sich bietenden Gelegenheiten zusammenhängt, hatten wir letzte Woche bereits ausführlicher beschrieben – genauso wie die Tatsache, dass der Fokus des FC St. Pauli auf eine stabile Defensive eben auch ein paar Körner in der eigenen Offensive kostet (Aus dem Tritt gekommen).

Nun zeigte aber gerade das Spiel in Mainz eine starke Verbesserung im Vergleich zu den zwei Partien zuvor: Der FC St. Pauli fand Lösungen, um ins letzte Drittel der Mainzer zum gelangen. So erklärte Alexander Blessin nach der Partie auch völlig zu Recht, dass die Spieler offensiv einen klaren Fortschritt gemacht haben. Doch leider in den entscheidenden Momenten nicht: Gegen Mainz fand von den elf Schüssen kein einziger den Weg gen Mainzer Tor. Das ist eine Sache, die sich bereits durch die gesamte Saison zieht. Dem FC St. Pauli gelingt es nicht, die sich bietenden Gelegenheiten in ansprechender Anzahl in Torschüsse umzuwandeln.

Brutale Statistiken

Die Statistiken zeigen übrigens ziemlich klar auf, woran es offensiv hakt: Bei der Anzahl an erfolgreichen Pässen ins letzte Drittel hinein liegt der FC St. Pauli im sicheren Liga-Mittelfeld (Platz zehn). Bei der Anzahl an erfolgreichen Pässen in den gegnerischen Strafraum hinein dann zumindest noch nicht auf einem Abstiegsplatz. Doch bei den xG-Werten (je nach Anbieter auf Platz 16 oder 17) und der Anzahl der Abschlüsse (Platz 17) sieht das bereits anders aus. Der FC St. Pauli benötigt fast 20 Schüsse pro Treffer. Das ist der schlechteste Wert aller Bundesligisten. Das größte Problem ist und bleibt die zu niedrige Quote der Schüsse auf das Tor. Sie liegt aktuell bei 25,9 Prozent. Das ist die schwächste Quote aller Bundesligisten seit Beginn der Aufzeichnungen (15/16) von FBRef. Und diese Quote ist auch einer der wenigen recht zuverlässigen Anzeiger für konkrete Abstiegsgefahr. Denn nur ein einziges Mal seit 15/16 (weiter reichen die Daten nicht zurück) gelang es dem Team mit der schlechtesten Quote, in der Bundesliga zu bleiben. Meist standen mindestens zwei der drei Teams, die am Saisonende auf den Plätzen 16-18 landeten, auch ganz unten in dieser Statistik.

Ist sie also doch angebracht, die Panik? Nein, natürlich nicht. Wer jetzt in Panik verfällt, hat die Allgemeinsituation des FC St. Pauli in der Bundesliga bisher konsequent ignoriert. Die fehlende Effizienz ist bereits die gesamte Saison ein Thema, doch der FCSP steht nach dem 23. Spieltag trotzdem auf Platz 15. Wer viel mehr erwartet, hat scrollt bitte einfach ein paar Absätze nach oben und liest die Absätze zu den „Mittelklasse-Bundesligisten“ noch einmal. Zumal man die Partien gegen diese Clubs allesamt nicht hätte verlieren beziehungsweise nicht noch den Ausgleich fangen müssen. Gegen Augsburg hat der FCSP lange verdient geführt, gegen Freiburg ganz spät das Gegentor gefangen und gegen Mainz 60 Minuten dominiert. Klingt nicht nach RedButton, sondern eher nach durchatmen und weiterarbeiten, bis Realismus kicks in.

Mit Realismus und Ruhe zum Klassenerhalt

Realismus bedeutet die Gewissheit zu haben, dass der FC St. Pauli auch weiterhin kein Offensiv-Feuerwerk in der Bundesliga abbrennen wird. Dafür fehlt es auch einfach an Qualität im Kader. Das ist für einen Aufsteiger normal, doch es wird durch Verletzungsmisere im Kader noch verstärkt. Das Team definiert sich ganz eindeutig über die Arbeit gegen den Ball – die drittwenigsten Gegentreffer zeigen, dass das eine erfolgreiche Herangehensweise ist. Sowieso, Stichwort „erfolgreiche Herangehensweise“: Regelmäßig gelingt es dem FC St. Pauli, dem Gegner taktisch überlegen zu sein, im Vorfeld die richtige Lösung gefunden zu haben – wie passt das mit Kritik am Trainer zusammen?

Ja, dem FC St. Pauli fällt es extrem schwer, Tore zu erzielen. Ja, da würde ich mir natürlich auch wünschen, dass es zeitnah besser wird. Und ja, daran wird ganz sicher auch gearbeitet – das Team war da auch schonmal etwas weiter in dieser Saison. Und allein das gibt die Gewissheit, dass man da auch wieder hinkommen kann. Was allerdings nicht hilfreich sondern vermutlich kontraproduktiv ist, sind überzogene Erwartungen. Der FCSP ist ein Aufsteiger, der Bundesligist werden möchte – das wurde mehr als einmal so kommuniziert und sollte von allen berücksichtigt werden. Denn für eines sind die drei „Mittelklasse-Bundesligisten“ bekannt und es ist sicher auch eines ihrer Erfolgsgeheimnisse: Ein Umfeld, das den Verantwortlichen vertraut, sorgt für ruhige und somit oft erfolgreichere Arbeit. Das würde dem FC St. Pauli sicher auch gut tun.

// Tim

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