Rund um den Brustring
·01 de dezembro de 2024
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·01 de dezembro de 2024
In Bremen gelingt dem VfB vieles nicht, was ihn in den letzten Monaten ausgezeichnet hat — und trotzdem kommt die Mannschaft dank eines überragenden Ermedin Demirovic zwei Mal nach einem Rückstand zurück. Sowohl die Klatsche in Belgrad als auch der eng gesteckte Terminplan scheint den Spielern an diesem Nachmittag zuzusetzen.
Was nicht überraschte in Bremen: Dass der VfB dort nicht gewann, obwohl ein weitere Dreier nach dem Heimsieg gegen Bochum die Lücke zum oberen Tabellendrittel weiter hätte schrumpfen lassen. Denn in Bremen haben wir in den letzten 20 Jahren nur drei Mal gewonnen, einmal unter Ausschluss der Öffentlichkeit, als Silas die Bremer mit seinem Schuss von der Torlinie foppte. Davor hieß der letzte Siegtorschütze Mario Gomez. Was hingegen an der Weser überraschte: Dass der VfB dort nicht verlor, obwohl er den Bremern eine zweistellige Anzahl an Eckbällen ermöglichte und obwohl auch sonst beim Vizemeister nur wenige Tage nach dem enttäuschenden Champions League-Spiel in Belgrad nicht wirklich viel zusammenlief. Was vielleicht auch miteinander zu tun hat, aber beginnen wir mit der Bestandsaufnahme, bevor wir zur Ursachenforschung übergehen.
Denn das Spiel hatte kaum begonnen, als die Hausherren schon in Führung gingen. Nach einem Zweikampf an der Seitenlinie hielten sich die Brustringträger mit Reklamieren auf, ließen Marvin Duksch über die Außenbahn davonziehen, flanken und konnten Justin Njinmah zu zweit nicht daran hindern, den Ball ins Tor zu köpfen. Ein Gegentor, dass in seiner Entstehung schon fast zu einfach war, wie auch sonst die Bremer unsere Innenverteidigung immer wieder durch hohes Pressing und lange, hohe Diagonalbälle in brenzlige Situation brachte. Werder gab doppelt so viele Schüsse ab wie der VfB, der froh sein konnte, dass nur sechs auch wirklich auf den Kasten von Alex Nübel gingen. Denn die Mannschaft von Sebastian Hoeneß kam mit dem kompakten und aggressiven Auftreten der Bremer überhaupt nicht klar. Leo Stergiou und Anrie Chase gewannen nur ein Drittel ihrer Zweikämpfe und Jeff Chabot hatte durchaus Glück, dass Harm Osmers den vorschnell gepfiffenen Elfmeter wieder zurücknahm.
Dass es am Ende trotzdem 2:2 stand, hatte der VfB wie schon gegen Bochum individueller Qualität zu verdanken. Während Chris Führich diesmal leider etwas abtauchte, spielte Ermedin Demirovic groß auf und überlupfte zwei Mal Bremens Torwart Michael Zetter, der sich diesmal nicht von Salat-Trikots überwinden ließ, sondern durch gute Vorbereitung. Denn Demirovic gab nach dem Spiel zu Protokoll, dass Zetterer bei Zweikämpfen ob abtauchte, weswegen der VfB Stürmer sowohl nach der Flanke von Maxi Mittelstädt als auch nach einem Traumpass von Stiller und mit nur einer weiteren Ballberühung das Spielgerät ins Tor löffeln konnte. Wohl dem, der trotz fehlender Abläufe einen solchen Stürmer in seinen Reihen hat. Dass Nick Woltemade in der Nachspielzeit noch den Siegtreffer auf dem Fuß hatte, zeigt auch den unerschütterlichen Glauben der Mannschaft an sich selber, es wäre aber vielleicht des Guten ein wenig zuviel gewesen.
Denn der VfB machte erneut kein gutes Spiel. Das konsequente gemeinsame Verteidigen klappt derzeit genausowenig wie ein dynamisches Offensivspiel. Es waren schließlich die Einwechslungen von Diehl und eben Woltemade, die zwar keinen Erfolg, aber immerhin ein bisschen Bewegung in die Offensive des VfB brachten. Die war nämlich sonst von Sicherheitspässen geprägt, die viel Ballbesitz und eine hohe Passquote einbrachten, aber keinen Raumgewinn und erst recht keine Torchancen. Am deutlichsten wurde die Angst vor dem eigenen Angriff nach einem Ballverlust der Bremer im Mittelfeld, als es dem VfB nicht gelang, daraus einen vielversprechenden Konter zu generieren. Es wirkte alles ähnlich hilflos wie in der Endphase unter Matarazzo, nur eben mit dem Unterschied, dass der VfB am Ende einen Punkt auf dem Konto hatte — und die Gründe für das derzeitige Auftreten andere sind.
Denn die Mannschaft geht ganz offensichtlich mindestens mental und vielleicht auch körperlich auf dem Zahnfleisch. Vielleicht hätte ein bisschen mehr Grundlagenarbeit im Sommer mehr geholfen als von der DFL fürs Schwitzen im japanischen Sommer bezahlt zu werden. Ganz unabhängig davon wird die Mannschaft, bis Weihnachten in dieser Saison bereit 25 Pflichtspiele absolviert haben — das sind nur neun oder zehn weniger, als sie in den letzten Jahren in einer gesamten Spielzeit bestritt. Der Vertikalpass greift es in seinem Spielbericht auf: Der Alltag des VfB besteht derzeit aus Reisen, Spielen, Regenerieren, Repeat. Und zur Regeneration bleibt nicht einmal viel Zeit und schon gar nicht zum Trainieren, was auch ein Grund für die fehlenden Abläufe ist. Es ist aber nicht nur das, denn zeitweise fragte man sich in Bremen schon, ob die Mannschaft einfach nicht mehr konnte, oder ob sie der Meinung war, das Gezeigte reiche für einen Auswärtssieg in Bremen.
Zwar gab es selbst in unserer Fabelsaison das ein oder andere Schlendrian-Spiel, in dem es der Mannschaft nicht gelang, ihr volles Potenzial abzurufen, ich glaube aber nicht, dass die Spieler grundsätzliche der Meinung sind, sie seien so gut, dass sie irgendein Spiel im Vorbeigehen gewönnen. In Belgrad wurden sie von der von Roter Stern-Fan Denis im Podcast beschriebenen “Alles oder nichts”-Einstellung der Gastgeber überrollt und dieses Spiel hing ihnen sichtbar auch am Samstag noch in den Knochen. Dass gleich drei Spieler, die vorne für Entlastung sorgen könnten, ausfallen tut sein Übriges. Die Mannschaft merkt, dass die vielen Spiele langsam an die Substanz gehen und ist dadurch in vielen Aktionen unkonzentriert und blockiert, unterbewusst in den Gedanken ständig beim straffen Terminplan, der in den kommenden drei Wochen weitere fünf Spiele vorsieht, in denen es um das Überwintern im Pokal, das Weiterkommen in der Champions League und zuvorderst um den Anschluss in der Bundesliga geht.
Für genau diese Phasen, betonen Sportvorstand Wohlgemuth und Trainer Hoeneß, habe man vor der Saison einen breiten Kader zusammengestellt und der zeigt ja in der Breite durchaus auch ein gewisse Qualität. Gegen Regensburg hat Hoeneß die nächste Gelegenheit, eine ganze Reihe von Stammkräften zu schonen. Spieler wie Keitel, Krätzig, Hendriks, Stenzel, Diehl, Woltemade haben dann die Gelegenheit zu zeigen, dass sie auch in der Bundesliga regelmäßiger für Entlastung sorgen können, so dass Hoeneß die Rotation nicht immer wieder um des Ergebnisses willen einschränken muss. Abgesehen von den Verletzungen ist die aktuelle Phase ein erwartbarer Kraftakt, den die Mannschaft gemeinsam bewältigen muss und in der die Verantwortung auf verschiedene Schultern verteilt ist.
Zum Weiterlesen: Stuttgart.International findet “Der Tabellenplatz entspricht genau der aktuellen Leistungsfähigkeit der Mannschaft” und warnt: “Normalerweise verlierst du ein solches Spiel. Da sollte man sich in Cannstatt nicht in die eigene Tasche lügen.”
Titelfoto: © Selim Sudheimer/Getty Images
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