Miasanrot
·09 de janeiro de 2025
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Skandale, Schlagzeilen, Spielerstars: Die fünfteilige ZDF-Dokuserie „FC Hollywood“ beleuchtet die wilden 90er des FC Bayern. Wir haben sie uns vorab für euch angesehen.
Immer, wenn es an der Säbener Straße etwas lauter wird, wenn mal wieder ein Trainer vorzeitig gehen muss, oder wenn Uli Hoeneß wegen Steuerhinterziehung eine Gefängnisstrafe absitzt, oder wenn Karl-Heinz Rummenigge bei einer Pressekonferenz das Grundgesetz zitiert – dann wird schnell der Begriff „FC Hollywood“ aus der Schublade geholt. Ach, heißt es dann, der „FC Hollywood“ ist wieder da.
Doch nichts toppt bislang die 90er Jahre, in denen eben jener Begriff entstanden ist – laut der langjährigen Bunte-Chefin Patricia Riekel hatte ein Kollege ihn bei einer Themenkonferenz der Illustrierten suggeriert.
Die neue ZDF-Dokuserie „FC Hollywood – Der FC Bayern und die verrückten 90er“ von Nicolas Berse-Gilles, Markus Brauckmann und Simone Schillinger nimmt das ereignisreiche Jahrzehnt in fünf Folgen noch einmal genauer unter die Lupe.
An Stoff mangelt es nicht. Wir steigen ein im Jahr 1995, als Jürgen Klinsmann als großer Hoffnungsträger zum FC Bayern wechselt und schnell zum Publikumsliebling wird – der damals verletzte Kapitän Lothar Matthäus teilt diese Euphorie nicht. Er unterstellte dem Stürmer gar, er habe in der Nationalmannschaft Stimmung gegen ihn gemacht, um seine Rückkehr zu verhindern.
Das Interessante an dieser Dokureihe ist, dass sie zum größten Teil von denen erzählt wird, die vor ca. 30 Jahren mit dabei waren, sei es als Spieler, wie etwa Matthäus, Klinsmann, Mehmet Scholl, Mario Basler und Stefan Effenberg, Trainer oder Journalist*innen. Und so besteht Matthäus offensichtlich bis heute darauf, dass es diesen Putschversuch gegen ihn gegeben habe, während Klinsmann dazu lachend sagt: „Nein. Das stimmt nicht.“
Thomas Helmer, Verteidiger und Mitspieler der beiden Streithähne, erinnert sich: „Wenn der eine links lang wollte, wollte der andere rechts lang.“ Die Fehde zwischen den beiden ging so tief, dass Matthäus Klinsmann schließlich zu einem öffentlichen TV-Duell herausforderte, um Klartext zu reden – dieses Duell kam zwar nie zustande, hätte aber ganz bestimmt einen Platz in der Primetime erhalten.
Die Presse interessierte sich schon immer dafür, was beim Rekordmeister los war. Doch der Medienrummel nahm neue Züge an, als Uli Hoeneß beschloss, die Marketing-Maschine anzuschmeißen, um den FC Bayern noch bekannter zu machen und mehr Zuschauer*innen für die Spiele zu gewinnen
„Wir müssen von Montag bis Freitag die Leute unterhalten, damit sie am Samstag ins Stadion gehen“, erinnert sich Markus Hörwick, ehemaliger Kommunikationschef des FC Bayern, in der Doku. Vor allem die Boulevard-Presse nahm dankend an. Doch diese Öffnung gegenüber den Medien hatte auch Schattenseiten, die besonders von der Vereinsführung unterschätzt wurden.
Die Spieler bekamen kein spezielles Medientraining, so sagt es Matthäus, es war vielmehr ein Sprung ins kalte Wasser. Freigaben von Interviews und Zitaten seitens des Vereins oder ähnliches gab es damals nicht. „Du hast eine Anfrage bekommen und hast dann schön drauflosgeredet.“
Journalist*innen hatten die privaten Handynummern der Spieler und kontaktierten sie regelmäßig. Bunte-Chefin Riekel erzählt, dass sie oft in Themenkonferenzen saß, in denen sich keine guten Stories aufdrängten, und es dann oft hieß: Ruf doch mal den Lothar an, da gibt’s bestimmt eine spannende Geschichte. „Man konnte Lothar zu allem überreden“, sagt sie und freut sich, dass sie eine Homestory bei ihm drehen und einen Blick in seinen Kleiderschrank werfen konnte.
Und so war die Boulevard-Presse immer zur Stelle, wenn es etwas zu berichten gab, gerne auch aus dem Privatleben der Fußballstars: Bei der Veröffentlichung von Matthäus‘ „Tagebuch“, geschrieben von und mit einem Bild-Journalisten, das ihn die Kapitänsbinde und das Vertrauen seiner Mitspieler kostete, bei Scholls Aufstieg zum Teenie-Schwarm und der Trennung von seiner Frau und bei den nächtlichen Eskapaden der Spieler in Münchens Party- und Clubszene.
Dabei ging es selten um den Fußball, denn dieser litt gewaltig darunter: Trotz des Staraufgebots, das der FC Bayern in den 90er Jahren vorweisen konnte, gelang es der Mannschaft nicht, wieder an die großen und vor allem internationalen Erfolge der 70er Jahre anzuknüpfen. Das bemerkte auch Giovanni Trapattoni, dessen Frustration über seine Spieler im März 1998 in der legendären „Ich habe fertig“-Wutrede gipfelte. „Wenn ich noch ein Jahr bleibe, sterbe ich“, soll er später zur italienischen Presse gesagt haben.
Erst mit Trainer Ottmar Hitzfeld kehrte ein wenig Ruhe ein – obwohl auch in seiner Zeit noch der ein oder andere Spieler Schlagzeilen machte – und trotz des sportlichen Aufschwungs endeten die 90er Jahre mit der Mutter aller Niederlagen. Die Mannschaft hatte fertig.
Es lohnt sich, die Dokuserie anzusehen. Sie ist bunt und schrill, bedient sich an teilweise noch nie gesehenem Archivmaterial, und führt noch einmal deutlich vor Augen, wie vogelwild es damals an der Säbener Straße zuging. „Kurz vor der Irrenanstalt“, sagt Hörwick über diese Zeit.
Doch trotz der oft humorvollen Momente stimmt die Serie auch nachdenklich. Besonders interessant wird es, wenn die Akteure selbst zu Wort kommen. Einige blicken schmunzelnd auf die 90er Jahre zurück, andere haben ihre Wahrnehmung nicht geändert – Mario Basler etwa hält sich noch immer für den Besten und Größten – und wieder andere gestehen Fehler ein. So wie Matthäus, der inzwischen selbstkritisch auf seine Zusammenarbeit mit Bild-Sportchef Wolfgang Ruiner zu seinem „Tagebuch“ zurückblickt.
„Du denkst, er ist ein Freund, aber im Endeffekt hat er natürlich nur auf seine Arbeit, seine Schlagzeilen geschaut“, sagt der ehemalige Kapitän. „Ich hätte häufiger mal Nein sagen müssen oder diplomatischer mit Antworten umgehen sollen – das weiß ich heute, damals habe ich es anders eingeschätzt, und zwar falsch.“
Auch sehr deutlich wird, wie die Boulevard-Presse arbeitet. Udo Röbel, Chefredaktion Bild von 1993 bis 2000, erklärt, dass man so lange wie möglich von einer Skandal-Geschichte zehren muss, sie also wirklich bis ins kleinste Detail ausschlachtet. So ist nun mal der Job.
„Das war für uns ein entscheidender wirtschaftlicher Faktor“, sagt er. „Jeder Misserfolg war auch immer sofort eine riesengroße Krise, weil ganz Deutschland diskutierte, was ist mit denen los, warum gewinnen die nicht mehr.“ So sehr man die Boulevard-Presse auch dafür kritisieren kann, dass sie mit seriösem Journalismus nichts zu tun hat, muss sich der FC Bayern aber auch an die eigene Nase fassen, weil er die Tür einen Spalt geöffnet hat und diese dann mit Karacho aufgestoßen wurde. „Viele machen den Fehler, dass sie dann die Schuld den Medien geben, aber wir geben den Medien auch immer die Gelegenheit dazu“, so Franz Beckenbauer.
Sportjournalist und Autor Ronald Reng fasst es gut zusammen: „Heute denken wir, in den Sozialen Medien ist es ganz schlimm, wie die Leute niedergemacht werden – diese Funktion haben damals auch die Boulevard-Medien übernommen. Ich glaube, die hatten gar keine Grenzen mehr Mitte der 90er Jahre, die waren berauscht von ihrer Macht mit der großen Auflage, und das war eine Art Normalzustand. Aber noch befremdlicher finde ich eigentlich, dass wir das damals alles normal fanden.“
Die Dokuserie „FC Hollywood – Der FC Bayern und die verrückten 90er“ ist ab dem 10. Januar 2025 in der ZDF Mediathek zu sehen, sowie am 17. und 18. Januar 2025 im ZDF. Das ZDF stellte Miasanrot bereits im Vorfeld alle Folgen zur Verfügung.