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·23 de maio de 2025
Kommentar zur Debatte um Lena Oberdorf: Wück brüskiert sein Mittelfeld

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·23 de maio de 2025
Sie fährt mit, sie fährt nicht mit, sie fährt mit, sie fährt nicht mit... Ob Christian Wück wohl auch gerne Gänseblümchen pflückt? Fast stellt man sich den Bundestrainer schon im Gras sitzend vor, wie er die Entscheidung abwägt, ob Lena Oberdorf jetzt bei der Europameisterschaft dabei ist oder nicht. Ähnlich willkürlich wie die Entscheidungsfindung beim Gänseblümchen-Zupfen (sie liebt mich, sie liebt mich nicht...) wirkte nämlich die Kommunikation des DFB rund um die Rolle von Lena Oberdorf in den letzten Wochen.
Die Medienbranche freute es, denn alle zwei Tage konnte eine neue Schlagzeile geliefert werden: "Machtwort! Lena Oberdorf nicht bei EM dabei", dann wieder "Überraschung: DFB-Star doch für EM fit?". Der Schlingerkurs der vergangenen Wochen kurz im Schnelldurchlauf: Zunächst kokettierte Wück wochenlang mit einer möglichen EM-Teilnahme von Lena Oberdorf, falls sie davor noch ein, zwei Spiele absolvieren könnte. Dann sprach der FC Bayern in Form von Bianca Rech das erwähnte Machtwort und schien eine EM-Teilnahme von Oberdorf auszuschließen, bevor doch weltmeisterlich zurückgerudert wurde.
Jetzt steht Lena Oberdorf im Kader für die anstehenden Nations-League-Spiele, aber die Verwirrung hat das nicht im Geringsten verringert. Wück deutete an, dass die 23-Jährige zu einem Einsatz kommen könnte, während der FC Bayern und Lena Oberdorf dem Bundestrainer schleunigst widersprachen: "Ich darf nicht spielen", sagte Oberdorf in ihrem Podcast 'Popcorn und Panenka', aber sie freue sich, beim Training mit den DFB-Frauen dabei zu sein.
Wenn die Spielerin besser weiß als der Bundestrainer, ob sie nun eingesetzt wird oder nicht, dann ist kommunikativ einiges schiefgelaufen. Viel wurde in den letzten Wochen über eine mögliche EM-Teilnahme von Oberdorf geschrieben, ein möglicher Einsatz von Oberdorf dabei oft als unverantwortlich beschrieben: Ihr letztes Spiel bestritt die Sechserin am 17. Juli 2024 gegen Österreich, seitdem feilt sie in der Reha an einem Comeback. Ob dieses Comeback direkt unter höchstem Druck auf allerhöchstem Niveau geschehen sollte, ist die eine Frage.
Die andere Frage ist aber, ob sich der Bundestrainer mit dieser unklaren Kommunikation selbst einen Gefallen tut. Durch den Schlingerkurs liegt der mediale Fokus ständig nur auf Oberdorf; man kann davon ausgehen, dass das alle Beteiligten nervt. Wück brüskiert mit seinem resoluten Festhalten vor allem die restlichen Mittelfeldspielerinnen.
Elisa Senß, Sjoeke Nüsken und Janina Minge sind alle hervorragende Optionen auf der Sechserposition. Aber durch Wücks Kommunikation wirken sie wie Platzhalterinnen zweiten Ranges für Oberdorf, die bei der EM dann doch die Kohlen aus dem Feuer holen soll. Eine Oberdorf ohne Spielpraxis, so entsteht der Eindruck, wird dennoch dringend gebraucht, weil der Mangel auf ihrer Position so groß ist.
Zwar sagte Wück, er sehe Oberdorf nicht unbedingt in der ersten Elf: "Ich bin nicht so blauäugig, Lena als Stammspielerin einzuplanen, aber sie kann auch dann eine wichtige Rolle spielen." Das macht die Sache aber nur bedingt besser - in dem Fall wäre Oberdorf die Notfalloption, falls es die Kolleginnen auf der Sechs nicht gebacken bekommen. Keine angenehme Option für die DFB-Mittelfeldspielerinnen, die unter permanenter Beobachtung stehen.
Natürlich ist Lena Oberdorf eine Weltklassespielerin, die jedes Team gerne im Kader hätte - aber der Qualitätsunterschied zwischen ihr und den anderen Optionen ist nicht so groß, wie es durch den ständigen Fokus auf ihre Rolle nun scheint.
Nüsken und Senß, die aktuell im defensiven Mittelfeld die besten Chancen auf einen Startplatz haben, spielten beide eine starke Saison: Nüsken hat sich als Stammspielerin bei einem der besten Klubs der Welt, dem FC Chelsea, etabliert, die 24-Jährige hat ihr Spiel offensiver ausgerichtet und fährt mit viel Selbstvertrauen in die Schweiz. Elisa Senß dagegen ist bei Eintracht Frankfurt dank ihres Mutes und ihrer technischen Fähigkeiten gesetzt - Horst Hrubesch fand bei ihrer ersten Berufung mit dem Wort "griffig" die perfekte Beschreibung für Senß, die unzweifelhaft eine der besten Mittelfeldspielerinnen der Liga ist.
Zur Wahrheit gehört auch, dass es unter Wück bei den DFB-Frauen durchaus Probleme im Bereich zwischen Abwehr und Mittelfeld gab, aber Oberdorf wird diese nicht im Alleingang lösen können. Zumal noch weitere Optionen wie Janina Minge auf der Sechs zur Verfügung stehen - die Wolfsburgerin scheint für die Innenverteidigung eingeplant, könnte aber im defensiven Mittelfeld für mehr Stabilität sorgen.
Kurz, das Problem wurde in den letzten Wochen größer gemacht, als es ist, und Wücks Kommunikation hat dazu beigetragen, dass Oberdorf nun zur einzigen Hoffnung des deutschen Mittelfelds hochstilisiert wird.
Gut möglich, dass sie als Einwechselspielerin bei der EM tatsächlich einen wichtigen Impact hat - Oberdorf wäre das zuzutrauen und nach ihrem Kreuzbandriss zu gönnen. Aber war es das dann wirklich wert, war es das Risiko wert, die anderen Mittelfeldspielerinnen zu brüskieren, statt ihnen offensiv den Rücken zu stärken?
Wück könnte seinem Team klarer das Vertrauen aussprechen und sagen: "Lena Oberdorf ist eine tolle Option, falls sie fit ist, aber die Welt geht ohne sie auch nicht unter." Idealerweise wäre die Debatte schon frühzeitig durch eine klarere Kommunikation unterbunden worden - denn es waren weniger Wücks Wortbeiträge, als der Fakt, dass die Diskussion überhaupt solche Ausmaße annahm, die den anderen Mittelfeldspielerinnen etwas sauer aufgestoßen sein dürfte. Falls Oberdorfs Fitness nun doch nicht für die EM in der Schweiz reicht, könnte sich dieses ausbleibende öffentliche Vertrauen noch rächen. Und falls sie fit ist, tut man ihr mit diesen Herkuleserwartungen ebenfalls keinen Gefallen.