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Jule Stolpe·20 de abril de 2025

Unerklärliche Höhenflüge: Regionalliga mit 27, DFB-Team mit 32?!

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Gerd Müller, Jürgen Klinsmann, Miroslav Klose, Lukas Podolski - und danach lange nichts. Wir schreiben das Jahr 2023 und die deutsche Nationalmannschaft ist nach wie vor auf der Suche nach einem neuen klassischen „Neuner", der für viele Fans in die Startelf gehört wie der Senf auf die Stadionwurst. Trotz vieler Experimente rund um falsche Neunen und hängende Spitzen waren die Rufe nach einem „richtigen Knipser" nie abgeebbt. Ein Jahr zuvor hatte Niclas Füllkrug sein Debüt gegeben, aber eine Alternative schadet ja bekanntlich nicht und genau davon profitierte Kevin Behrens im Oktober 2023. Er wurde durch seine Einwechslung im Freundschaftsspiel gegen Mexiko mit 32 Jahren der neuntälteste Debütant des DFB-Teams.

Wenn man so will, endete sein unerklärlicher Höhenflug nach diesen exakt sechs  Nationalmannschaftsminuten. An die herausstechenden Leistungen der vergangenen Monate bei Union Berlin konnte er daraufhin nicht mehr anknüpfen, ganz im Gegenteil: Bis heute kam nicht mehr viel vom kurzzeitigen Füllkrug-Backup.


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Aber wie kam es überhaupt dazu, dass Kevin Behrens, der bis zu seinem 27. Lebensjahr und seinem dann folgenden Wechsel in die zweite Liga nicht über die Regionalliga hinausgekommen war, im mutmaßlichen Spätherbst seiner Karriere noch mal so einen Höhenflug hinlegen konnte? Immerhin war er in seiner zweiten Bundesligasaison bei Union Berlin maßgeblich daran beteiligt, dass die Eisernen sich als Viertplatzierter der Bundesliga für die Königsklasse qualifizieren konnten.

Der erste Erklärungsansatz ist wohl so vage wie logisch: Er war in der Saison 2022/2023 zur richtigen Zeit beim richtigen Klub unter dem richtigen Trainer. War Behrens in seiner ersten Saison nach dem Wechsel aus Sandhausen zu Union 2021/2022 noch hauptsächlich Einwechselspieler gewesen und nicht über sechs Tore hinausgekommen, änderte sich das in der nächsten Saison langsam, aber stetig.

In der Hinrunde wurde Behrens sechs Mal eingewechselt, startete drei Mal und konnte dabei immerhin bereits vier Scorerpunkte sammeln. Zum Stammspieler wurde er erst in der Rückrunde - aus mehreren Gründen: Er profitierte von der Verletzung des eigentlichen Union-Stammstürmers Taiwo Awoniyi, außerdem war die Konkurrenzsituation nicht ganz so brisant. Außerdem kam ihm die Dreier- respektive Fünferkette mit den beiden Schienenspielern und zwei Stürmern sehr entgegen. Man könnte sogar fast meinen, das System sei perfekt auf Behrens Spielertyp abgestimmt gewesen: Schnelles Umschaltspiel aus einer kompakten Defensive, mit dem der Ball im Optimalfall nach wenigen Ballkontakten den Mittelstürmer in aussichtsreicher Abschlussposition erreicht. An Unions Standardstärke dieser Saison können wir uns vermutlich auch alle erinnern: Nicht selten war es der kopfballstarke Behrens, der Ecken oder Flanken aus dem Halbfeld zum Torerfolg veredelte.

Seine robuste Art, zu spielen, Bälle festzumachen und zu verteilen, sein gutes Anlaufverhalten und natürlich die Stärke beim Kopfballspiel konnte er sich in seiner neuen Rolle als Stammstürmer zunutze machen, harmonierte außerdem sehr gut mit den anderen Offensivspielern wie Sheraldo Becker und Jordan Siebatcheu. Er belohnte das Vertrauen von Urs Fischer in dieser Rückrunde. Insgesamt kam er in der Saison 2022/23 auf wettbewerbsübergreifend zehn Tore und trug damit maßgeblich dazu bei, dass Union Berlin sich für die Champions Leauge qualifizierte.

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📸 Boris Streubel - 2023 Getty Images

Nach der Sommerpause schien erst mal alles beim Alten: Im ersten Bundesligaspiel der Saison 2023/24 erzielte er einen Hattrick gegen Mainz und wurde der erste Spieler seit der Datenerfassung, der in einem Buli-Spiel drei Mal mit dem Kopf traf. Am darauffolgenden Spieltag traf er erneut. Seine halbe Saison auf dem Leistungs-Peak wurde von Bundestrainer Nagelsmann mit der Nominierung und dem Kurzeinsatz gegen Mexiko belohnt. Auch neben dem Platz war der mittlerweile 32-Jährige bis dato ein echter Sympathieträger: Der bodenständige, familienbewusste Union-Stürmer, der nach Spielen von der Alten Försterei nicht etwa mit dem Lambo, sondern mit dem Fahrrad nach Hause fährt.

Nach seinem ersten und wohl auch einzigen Natio-Einsatz schien es dann stetig bergab zu gehen: Das Spielsystem rund um Behrens hatte sich wohl abgenutzt, Union trennt sich von seinem Förderer Fischer, Behrens selbst traf nach seinem Treffer am zweiten Spieltag nicht mehr und flüchtete in der Winterpause zum VfL Wolfsburg, nachdem klar wurde, dass Neu-Trainer Bjelica bei Union ein System ohne klassischen Stoßstürmer vorsah. Über ein Jahr später steht sein Treffer-Konto beim VfL bei zwei (!) Toren, eins davon gelang ihm natürlich ausgerechnet gegen seinen Ex-Klub.

Als Sympathieträger gilt er mittlerweile auch nicht mehr: Er selbst beschädigte seinen öffentlichen Ruf mit einer mutmaßlich homophoben Äußerung, die ihn vom umweltbewussten, auf dem Boden gebliebenen Fußballstar in den Augen vieler zu jemandem werden ließ, der noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen zu sein scheint. Und all das während er auf dem Rasen längst keine große Rolle mehr spielt.

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📸 Selim Sudheimer - 2024 Getty Images

Der Weg aus der Regionalliga zum Nationalspieler war lang, der aus dem DFB-Trikot hin zur Winterjacke auf der Wolfsburger Auswechselbank umso kürzer. Das Highlight der Behrens-Karriere wird wohl also diese halbe Saison bei Union Berlin bleiben, in der einfach alles passte und die ihn zum deutschen Nationalspieler machte - wenn auch nur für rund sechs Minuten.


📸 Alex Grimm - 2023 Getty Images