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·12. Juli 2025
Andrea Pirlo: Maestro der kalkulierten Zurückhaltung

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Er wirkte langsam – weil er schneller dachte als alle anderen. Andrea Pirlo, der auch ohne Tempo und Getöse einer der Größten seiner Zeit wurde und bewies: Wer das Spiel versteht, muss nicht viel laufen, um zur Legende zu werden.Während andere rannten, blieb er stehen. Während sie beschleunigten, entschleunigte er. Nicht aus Trägheit – sondern aus Überlegtheit. Denn Andrea Pirlo spielte mit Köpfchen. Im Prinzip wie ein Schachspieler am Brett. Vorausschauend. seines herausragenden Spielverständnisses war er seinen Mit- und Gegenspielern gedanklich immer zwei, drei Spielzüge voraus. Pirlos Spiel war Meditation in Bewegung: langsam, aber bewusst und vor allem tödlich präzise. Sein Motto: “Ich habe das Spiel nie gesucht. Ich habe gewartet, bis es zu mir kam.”
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Aber das dauerte etwas. Als Jugendlicher galt er als „Predestinato“. Experten waren sich sicher: Dem ist eine große Karriere vorherbestimmt. Denn Pirlo war fußballerisch hochbegabt – aber trotzdem lange unverstanden. Bei Inter versuchte man, ihn zur klassischen Zehn zu machen. Vergeblich. Für diese Rolle war er zu still. Außerdem spielte er – altersuntypisch – nicht stürmisch wie ein Teenager, sondern eher wie ein Routinier.
Dass dahinter aber keine Lauffaulheit steckte, kein Phlegma, sondern eine kalkulierte Ruhe, Überlegtheit und vor allem auch Weitblick, das erkannte erst Trainer Carlo Mazzone bei seiner Leihstation in Brescia. Mazzone zog Pirlo zurück vor die Abwehr – auf eine Position, auf der er das Spiel sehen, eröffnen und vor allem steuern konnte. Und er machte aus dem Offensivtalent einen Regisseur, einen modernen Regista.
Pirlos Spiel beruhte auf Kontrolle: über Ball, Tempo, Emotion. Selbst im WM-Finale 2006 blieb er cool. Er trat als Erster zum Elfmeterschießen gegen Frankreich an – und traf. Auch im EM-Viertelfinale 2012 gegen England – per Panenka. Aber eben nicht aus Showgründen, nicht wegen eines Ego-Trips, sondern kalkuliert, aus purer Berechnung: “Der Torwart bewegte sich viel. Das war der sicherste Weg”, erklärte er später.
Die Szene seiner Karriere war jedoch WM-Halbfinale 2006, in der 119. Minute. Ein kurzer Blick. Ein Pass auf Grosso. Zwei Sekunden später: das Tor. Kein Sprint, kein Spektakel – der Grundstein für den WM-Titel. Die perfekte Entscheidung im perfekten Moment. Die totale Kontrolle.
Die Pirlo aber auch mal verlor. 2005, im Champions-League-Finale mit Milan gegen Liverpool zum Beispiel. Zur Halbzeit führten die Italiener 3:0. Dann der Einbruch. Liverpool glich aus, gewann im Elfmeterschießen, in dem Pirlo verschoss und über das er später sagte: „Diese Wunde wird nie heilen. Ich war zerstört. Ich dachte ans Aufhören.“
Aber zum Glück beließ er es bei dem Gedanken. Ein Jahr später war er Weltmeister, zwei Jahre später holte er sich mit Milan den Champions-League-Titel zurück. Zweimal geawnn er die Champions-League. Sechsmal wurde er mit Milan und Juve italienischer Meister. Weltmeister 2006. Dreimal Spieler des Jahres. Doch wichtiger als jeder Titel: Er spielte nie das Spiel der anderen. Sondern sein eigenes. Als man ihn 2011 bei Milan für zu alt hielt, wechselte er zu Juventus. Und brillierte dort vier Jahre.
Auf seine Art. Pirlo hat den Fußball nicht neu erfunden. Aber er hat bewiesen, dass man ihn anders denken kann. Dass Übersicht mehr zählt als Antritt. Dass Einfluss nicht laut sein muss. Und dass man eine Legende werden kann, ohne sich je zu bewegen.“ Andrea Pirlo. Der Maestro.
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