Clásico-Erkenntnis: Real ist wirklich ein „Irrenhaus“ – aber ein verdammt gutes! | OneFootball

Clásico-Erkenntnis: Real ist wirklich ein „Irrenhaus“ – aber ein verdammt gutes! | OneFootball

In partnership with

Yahoo sports
Icon: 90PLUS

90PLUS

·27. Oktober 2025

Clásico-Erkenntnis: Real ist wirklich ein „Irrenhaus“ – aber ein verdammt gutes!

Artikelbild:Clásico-Erkenntnis: Real ist wirklich ein „Irrenhaus“ – aber ein verdammt gutes!

Der hochverdiente Clásico-Erfolg von Real Madrid ist angesichts der vielen Nebenkriegsschauplätze fast schon in den Hintergrund gerückt. Das liegt ironischerweise zu großen Teilen an den Königlichen selbst. Aber auch an einer Provokation von Supertalent Lamine Yamal.

Fünf Siege in Folge, souveräner Tabellenführer in Spanien und eine Offensive, die zuweilen an einen Orkansturm erinnert: sportlich ist bei Real Madrid alles im Lot. Doch ein aktueller Bericht des Portals The Athletic hatte wenige Tage vor dem Clásico ein anderes Bild gezeichnet. Hinter den glänzenden Fassaden des Estadio Santiago Bernabéu soll es zugehen wie in einem „Irrenhaus“, so zitierte man dort anonyme Quellen. Spannungen, Reibungen, verletzte Egos. Das volle Programm also!


OneFootball Videos


Nun ja: Wenn die am Sonntag gezeigte Leistung gegen den FC Barcelona der Zustand eines „Irrenhauses“ ist, dann möchte man fast fragen, warum nicht mehr Mannschaften so „verrückt“ sind. Denn während viele Klubs seit jeher Harmonie predigen und Mittelmaß ernten, wächst Real offenbar in jenem Chaos, das für gewöhnlich ganze Teams zerreißt. Bei den Königlichen ist es – und das war es in der Vergangenheit immer wieder – Treibstoff.

Vinicius, der Vulkan

Nirgends wurde das sichtbarer als in der 72. Minute des Clásico. Vinicius Júnior, der wahrscheinlich unbeliebteste Profi der Fußball-Welt, sah seine Rückennummer auf der Wechseltafel und explodierte regelrecht. Fluchend wie ein Rohrspatz begab sich der Brasilianer in Richtung Bank. Fast vergessend, dass er sich gerade in der umkämpfen Schlussphase des größten Vereinsspiels überhaupt befindet.

Kein Händedruck mit Xabi Alonso, keine aufmunternden Worte für seinen an der Seitenlinie wartenden Landsmann Rodrygo, kein Schulterklopfen. Stattdessen wählte er den direkten Weg in die Kabine und kehrte nach ein paar Minuten zerknirscht auf die Bank zurück. Die spanische AS nannte das „beispiellos“, Mundo Deportivo fragte spitz: „Vinicius, warum bist du es immer?“

Alonso, seit diesem Sommer der Mann, der das Madrider Chaos in geordnete Bahnen lenken soll, nahm die Szene wiederum mit kühler Fassung. „Wir werden darüber reden“, sagte er. Aber natürlich erst nach dem Genießen. Man merkt: Alonso hat schon verstanden, dass man bei Real nicht immer gegen den Sturm ankämpfen muss. Das weiß der ehemalige Weltklasse-Sechser, der das weiße Ballett zwischen 2009 und 2014 als Taktgeber orchestrierte, aus eigener Erfahrung.

Artikelbild:Clásico-Erkenntnis: Real ist wirklich ein „Irrenhaus“ – aber ein verdammt gutes!

Foto: IMAGO

Große Egos als Stilmittel

Vinicius’ Ausbruch ist die sichtbarste Spitze jener zuweilen toxischen, aber zumeist erfolgsversprechenden Emotionalität, die Real Madrid seit jeher prägt. Cristiano Ronaldo, Sergio Ramos und José Mourinho sind die prominentesten Beispiele von vielen. Nun fehlt mit Luka Modric oder Lucas Vázquez zwar die alte, väterliche Ruhe. Doch das Vakuum wurde ganz Real-typisch nicht durch Schweigen, sondern durch neue Lautstärke gefüllt.

Junge Stars wie Vinicius, Jude Bellingham oder Kylian Mbappé verstehen das Rampenlicht nicht als Bürde, sondern als Bühne. Und sie liefern in den meisten Fällen ab. Im Clásico traf Mbappé früh zur Führung (22.), Bellingham erhöhte noch vor der Pause (43.).

Insbesondere für Bellingham muss sich der Sieg über den erbitterten Rivalen wie eine Genugtuung angefühlt haben. Immer wieder wurde er in den vergangenen Monaten heftig kritisiert. Vor dem Clásico spekulierten Medien darüber, dass Alonso den Engländer nur aufstellen würde, um dessen großes Ego zu besänftigen. Da wären wir also wieder beim Thema.

Die Provokation und Reals Antwort

Dass das Spiel schon vor dem Anpfiff brodelte und sämtliche Real-Stars ganz besonders angezündet waren, lag an Barcelonas jungem Superstar Lamine Yamal. Der 18-Jährige hatte im Vorfeld in einem Stream behauptet, Real werde von Schiedsrichtern bevorzugt. Eine eher ungeschickte Provokation, auf die man im Bernabéu naturgemäß allergisch reagierte.

Als es direkt nach dem Abpfiff zu einer hitzigen Rudelbildung kam, suchten Vinicius und Schlussmann Thibaut Courtois schnell den Weg zu Yamal. Die siegreichen Madrilenen waren sichtlich gewillt, den Youngster ein paar Takte mit auf dem Weg zu geben. Und auch Dani Carvajal, der dienstälteste Profi im Kader, wandte sich wie im Vorhinein angekündigt mit Nachdruck an den jungen Gegenspieler aus Katalonien. Dass dessen aufbrausende Reaktion à la „Wir treffen uns draußen vor dem Stadion“ in den kommenden Spielen für eine weitere Eskalationsstufe sorgen dürfte, tut in diesem Fall sein Übriges.

Artikelbild:Clásico-Erkenntnis: Real ist wirklich ein „Irrenhaus“ – aber ein verdammt gutes!

Foto: IMAGO

Xabi Alonso, der Pragmatiker unter den Lautsprechern, kommentierte die Yamal-Episode hingegen mit einer fast schon britischen Gelassenheit: „Ich weiß nicht, ob es uns besonders motiviert hat, aber wir waren auf jeden Fall motiviert.“ Eine schöne Untertreibung, wenn man bedenkt, wie verbissen seine Mannschaft jeden Zweikampf führte.

Ein erfolgreiches Irrenhaus

Und so schließt sich der Kreis. Ja, bei Real Madrid ist es laut. Es wird gestritten, geschrien und manchmal auch gezweifelt. Ein „Irrenhaus“? Wahrscheinlich ja. Doch eines, das aktuell in sämtlichen Wettbewerben auf Erfolgskurs liegt und spürbar darauf brennt, die titellose Vorsaison für immer und ewig vergessen zu machen.

Xabi Alonso könnte sich für diese Situation als der perfekte Moderator entpuppen: Er lässt gewähren, sortiert dezent nach, hält das Chaos gerade so in Schach, bevor es endgültig zu explodieren droht. Seine Botschaft nach dem Clásico: „Ich möchte den Fokus auf das Wesentliche nicht verlieren. Jetzt werden wir es genießen.“ Es ist eine bemerkenswerte Nüchternheit in einem Klub, der zumeist das Gegenteil verkörpert.

Impressum des Publishers ansehen