Rosenau Gazette
·31. Mai 2025
Die Wette des FC Augsburg

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·31. Mai 2025
Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.
Als Fußballfan lässt man sich schnell von den letzten Ergebnissen seines Teams einnehmen. Der FCA hat zum Saisonende erneut einige Spiele in Folge verloren. Das Team von Jess Thorup konnte an stärkere Phasen zuvor nicht mehr anknüpfen. Es ging ihm schlicht die Luft aus. Der kurzfristigen Logik des Fußball-Business folgend, könnte man annehmen, dass die Entlassungen von Jess Thorup und Marinko Jurendic diesem Saisonabschluss geschuldet sind.
Gerade bei Jess Thorup kommt dem Saisonabschluss vielleicht auch eine höhere Bedeutung zu, als man vermutet. Ja, die Saison war insgesamt sehr solide. Mancher in Augsburg würde sogar sagen, sie war sehr gut. Und hier liegt an sich liegt vielleicht das grundsätzliche Problem, gegen das die Vereinsführung anzuarbeiten hat.
Anspruch und Wirklichkeit gehen beim FCA seit einigen Jahren auseinander. Der FCA hat vor der Zeit von Jess Thorup regelmäßig gegen den Abstieg gespielt und Trainer um Trainer verschlissen. Der sportliche Bereich war abseits der Person Stefan Reuter nicht stabil und eine Fortentwicklung war nicht zu erkennen. Wirtschaftlich hatte dies Auswirkungen, denn durch die fehlende Entwicklung auch von Einzelspielern konnten nicht ausreichend Transfererlöse erzielt werden, um größere Sprünge zu machen.
Hier hat sich nach den Verkäufen von Ermedin Demirovic, Arne Engels und Co. etwas geändert. Zudem ist der FCA sehr gut durch die Corona-Krise gekommen und steht wirtschaftlich auf einem sehr soliden Fundament. Im Umfeld? Es wird sich weiterhin viel auf die Schultern geklopft bei jedem Klassenherhalt. Jess Thorup sagte noch kürzlich, der Klassenerhalt sei immer das erste Augsburger Ziel. Dies sehen nicht alle im Verein so. Sie schauen nach Mainz und Freiburg und hängen die Latte für den FCA mittlerweile höher. Manch Verantwortlicher des FCA hat Mut und den Anspruch, den FCA sportlich aggressiver weiterzuentwickeln.
Wenn man sich den Personalwechsel des FCA aus dieser Perspektive betrachtet, dann ist dieser ein Zeichen dafür, dass die Führung des FCA ihren Überzeugungen folgt. Von außen mag man sich fragen, ob man diese Überzeugen auch teilt. Aber Konsequenz kann man Krapf & Ströll in dieser Situation nicht absprechen.
Derweil muss man sich fragen, was der FCA mit Thorup und Jurendic aufgibt. Jurendic war verantwortlich für den Kader. Aber welchen Einfluss hatte er am Ende? Der FCA hat im Scouting Veränderungen vorgenommen, und einige der französischen Neuzugänge mögen auch hierauf zurückzuführen sein. Auf der anderen Seite hat man in Stuttgart Michael Ströll selbst die Ablöse von Ermedin Demirovic verhandeln sehen. Entscheidungsvorgänge im Verein sind von außen schwierig zu beurteilen.
Mit Thorup verliert der FCA einen sehr sympathischen, ruhigen und integrativen Charakter an der Seitenlinie. Ich mag Thorup persönlich und finde seinen Abschied schade. Auf der anderen Seite hätte ich mir so oft mehr Mut gewünscht. Mehr Minuten für die Jungen. Mehr offensive Kräfte. Was versuchen. Nicht nur reagieren. Und diesen Teil von Thorup, das Schwinden des Offensive Mindset, werde ich nicht vermissen.
Wie die nächste Saison mit beiden gelaufen wäre, weiß man auch nicht. Thorup stand zum Winter schon mal auf der Kippe. Wenn am Ende die Überzeugung fehlt, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt für einen Wechsel. Mit Enno Maaßen war man nochmal in die neue Saison gegangen. Man hätte es sich schenken sollen.
Nun kann ein Wechsel auf diesen Positionen auch nicht dazu führen, dass der FCA in der nächsten Saison unbedingt auf einem europäischen Platz landen muss. Die Augsburger Verantwortlichen, und das ist für die Branche und für Augsburg untypisch und riskant, haben den Druck auf sich selbst deutlich erhöht. Sie sind an ihren eigenen Ansprüchen zu messen.
Aber wie wären die? Die eigenen Jugendspieler sollten deutlich größere Rollen bekommen. Gute Neuigkeiten für Mert Kömür, Noki Banks und Co. Auf der anderen Seite muss der FCA im Sommer die offensive Qualität im Kader deutlich erhöhen und es muss der Anspruch sein, mehr Torgefahr erzeugen und Tore schießen zu können. Die Herausforderung wird – mal wieder – die Balance. Man wird in der Bundesliga nichts ohne defensive Stabilität. Man gewinnt keine Spiele ohne Tore. Der FCA ist hier weiter auf der Suche.
Nach Jahren der Selbstzufriedenheit halte ich die Entscheidung – abseits von persönlichem Wehmut – für verständlich. Ich habe andauernd Mut eingefordert. Ich will eine größere Rolle für die eigene Jugend. Es ist der richtige Weg. Hoffentlich dann auch mit den richtigen Personen. Aber ich gestehe: ein bisschen aufgeregt bin ich schon, was das nun wird! Der FCA geht mit der Entscheidung eine Wette ein. Geht sie am Ende auf?