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·22. September 2025

Ein großer Schritt des FC St. Pauli

Artikelbild:Ein großer Schritt des FC St. Pauli

Die Niederlage des FC St. Pauli in Stuttgart setzt Minusmarken und sorgt für deutliche Kritik von Trainer und Spielern. Aber sie erdet auch – und das ist wichtig.(Titelfoto: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images/via OneFootball)

Fabian Hürzeler hatte sich mal darüber beschwert, dass Niederlagen des FC St. Pauli oft mit großem Drama im Anschluss daherkommen. Tatsächlich ist das durchaus auch jetzt spürbar, nach der Niederlage gegen den VfB Stuttgart. Zwar keine große Sinnkrise, aber doch deutlich vernehmbare Worte der Unzufriedenheit. Die team-interne, aber auch externe Kritik richtete sich dabei vor allem gegen die nicht ausreichende Einstellung, aber auch Fragezeichen rund um die (nicht mehr so sattelfeste?) Defensive waren zu vernehmen.


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Erinnerungen an Niederlage in Fürth im Januar 2021

Dabei hat, wenn man es denn trennen möchte, nicht die Defensiv-, sondern die Offensivleistung des FC St. Pauli deutliche Kritik verdient, vor allem jene in der ersten Hälfte. Da ging nämlich gar nichts nach vorne. Und während der letzte Satz zwar oft geschrieben wird, aber nur selten auch wirklich den Tatsachen entspricht, ist das am Freitagabend der Fall gewesen. Denn der FCSP brachte das seltene Kunststück zustande und gab in den ersten 45 Minuten keinen einzigen Torschussversuch ab.

Wie selten so etwas ist, zeigt der Blick in die Zahlen: In den letzten beiden Saisons gab es das schon mehrfach bei Spielen des FC St. Pauli, allerdings für den Gegner. Keinen einzigen Torabschluss in einer Halbzeit gab es vom FCSP zuletzt Anfang Januar 2021. Damals, als gruseligster Fußball in Fürth gespielt wurde (Kraft gespart gegen desolat) und das Team tief im Tabellenkeller feststeckte. Nun ist es also beim Auswärtsspiel in Stuttgart passiert.

Blessin und Wahl werden deutlich

Und damit direkt zur berühmten Frage, die unterlegene Trainer*innen im Fußball nahezu immer gestellt bekommen: „Woran hatt et jelegn?!“ Für Alexander Blessin war die Sache ziemlich klar: „Der VfB hat in der ersten Halbzeit ein höheres Energielevel gehabt.“ Er sprach von einer spürbaren Unsicherheit des Teams, was dazu geführt habe, dass das Team „viele Situationen mit dem Ball schlecht gelöst hat. Wir haben uns versteckt“ und wurde anschließend sehr deutlich: „Die Leistung zeigt uns, dass wir drei sehr gute Spiele gemacht haben und von dieser Leistung keinen Deut abkommen dürfen.“ Damit meinte er die Intensität seines Teams, welche ganz sicher nicht bei 100 Prozent gewesen sei, „das reicht einfach nicht, wenn ein Gegner so eine Intensität hat.“

Hauke Wahl ärgerte sich kurz nach Abpfiff ebenfalls, erklärte angefressen am Sportschau-Mikro, dass man den Gegner mit weniger als 100 Prozent stark gemacht habe. Auch er vermisste die Energie im Team und betonte, dass es eigentlich eine Situation in der Partie gab, die Auftrieb hätte geben können: Als Nikola Vasilj nämlich den Elfmeter von Angelo Stiller parierte. Sowieso war der Torhüter mal wieder der beste FCSP-Spieler auf dem Platz. Er hätte etwas Zählbares verdient gehabt. Übrigens: Vasilj hat nun sechs von sieben Elfmetern in der Bundesliga gehalten. Macht eine Quote von sagenhaften 86 Prozent. Das ist historisch die beste Quote aller Torhüter mit mehr als zwei Strafstößen gegen sich, vermeldete Bundesliga.de. Wow!

Vasilj – dann lange nichts

Das war es dann aber auch schon mit den guten Leistungen beim FC St. Pauli. Die MillernTon-Redaktion hat Nikola Vasilj im Durchschnitt mit 13,2 Punkten (von maximal von 15) bewertet, also mit der Schulnote 1-. Die am zweitbesten bewerteten Spieler sind Joel Chima Fujita, Manos Saliakas und Dapo Afolayan – mit einer Durchschnittspunktzahl von 7,6, also einer 3. Das wäre in den drei Spielen zuvor die mit Abstand schlechteste Note gewesen. Die hat dieses Mal Adam Dźwigała (4,8 Punkte – also eine 4) erhalten.

Stamm-Offensive fällt negativ, Afolayan positiv auf

„Ich könnte durch die Mannschaft gehen. Wir haben alle nicht die Leistung gezeigt wie in den ersten drei Spielen.“ – als Alexander Blessin auf die Leistung der Offensivspieler angesprochen wurde, holte er lieber gleich sämtliche Feldspieler mit ins Boot. Trotzdem war besonders die offensive Dreierreihe auffällig schlecht im Spiel. Andréas Hountondji hat zum Beispiel keinen seiner sieben Zweikämpfe gewonnen. Danel Sinani (Offensiv-Zweikämpfe 3/8) kam da etwas besser zurecht, auch Pereira Lage (4/5) war hier erfolgreicher. Einen erfolgreichen Pass oder eine erfolgreiche Flanke in den gegnerischen Strafraum brachte aber niemand von ihnen zustande. Das Trio hatte zusammen zwei Torabschlüsse. In den drei Spielen zuvor waren es 24 Abschlüsse.

Erfolgreiche Flanken und Pässe in den Strafraum gab es insgesamt ohnehin nur sechs (durschnittlich 16 waren es in den drei Spielen zuvor). Drei davon gelangen Dapo Afolayan, der nach seiner Einwechslung positiv auf sich aufmerksam machte (die anderen drei gelangen Fujita (2) und Sands(1)). Bevor Afolayan das tat, holte er sich aber erstmal die Gelbe Karte ab, weil er sich nach einem Zweikampf zu vehement beschwerte – was wohl dazu führte, dass seine Leistung in den Sozialen Medien von vielen als extrem schlecht eingestuft wurde. Dabei hatte er trotz nur 30 Minuten Einsatzzeit die meisten Ballkontakte aller FCSP-Spieler im gegnerischen Strafraum, war einer der wenigen Spieler, die Offensivgefahr erzeugten.

Ist der FC St. Pauli defensiv anfälliger?

Kommen wir von der Offensive zur Defensive. Hauke Wahl hatte bereits im Verlauf der letzten Woche erklärt, dass das Team defensiv nicht so stabil sei wie noch in der Vorsaison und das Spiel gegen den VfB Stuttgart ist da mehr oder weniger eine Bestätigung dessen.Allerdings muss man so langsam auch mal überlegen, was Alexander Blessin eigentlich für ein Problem mit dem Stuttgarter Fußball hat. In der Vorsaison waren die beiden Spiele gegen den VfB jene mit dem höchsten gegnerischen xG und den meisten zugelassenen Torschüssen. Auch die jetzige Partie passt da rein: 19 Torschüsse zugelassen – nur der VfB Stuttgart selbst hatte in der Vorsaison mehr gegen den FCSP (in beiden Spielen 20), ein xG-Wert von 2,8 – letzte Saison nur vom VfB selbst übertroffen (3,4 im Rückspiel).

Ist der VfB Stuttgart also einfach das Kryptonit der FCSP-Defensive? Oder ist das Team in dieser Saison defensiv anfälliger? Zumindest ist sehr offensichtlich, dass der FC St. Pauli vor allem gegen Stuttgart immer wieder große Probleme hat. Das dürfte mit der Spielweise des VfB unter Hoeneß zusammenhängen, mit den vielen Rotationen und dem Fokus auf die offensiven Halbräume, die von verschiedenen Spielern immer wieder belaufen werden. Zumindest hatte der FCSP in bisher jedem Spiel unter Blessin gegen den VfB ähnliche Probleme – und die waren groß. Das haben auch viele andere Teams, egal wie oft sie gegen Stuttgart ranmüssen. Beim FC St. Pauli ist das, aufgrund der sonst sehr stabilen Defensive, aber besonders auffällig.

Denn auch wenn Hauke Wahl natürlich nicht Unrecht damit hat, dass das Team gegen den Ball noch nicht so sattelfest ist wie am Ende der Vorsaison und es auch einige Kommentare nach dem Spiel gab, die sich mit der wackeligen Defensive befassten, so muss hier einmal klipp und klar festgehalten werden: Durchatmen – und alles mit etwas mehr Demut betrachten!

Artikelbild:Ein großer Schritt des FC St. Pauli

Keine Frage, Hauke Wahl hat mit seiner Kritik an der Leistung des FC St. Pauli natürlich Recht. Trotzdem zeigen die Zahlen, dass die Situation etwas komplexer ist. // (c) Stefan Groenveld

FC St. Pauli ist defensiv (eigentlich) gut drauf

Denn mit Blick auf die zugelassenen Torschüsse ist der FC St. Pauli sehr, sehr gut in die Saison gestartet. Laut Wyscout sind nur der FC Bayern München und Borussia Dortmund hier besser als der FCSP, basierend auf den xG-Werten sind nur drei Clubs besser. Warum es bereits sechs Gegentreffer gab („bereits“ ist hierbei vielleicht auch ein verzerrender Begriff, denn zehn Clubs in der Bundesliga haben mehr als sechs Gegentreffer)? Das hängt sicher auch mit der Effizienz der gegnerischen Abschlüsse zusammen. Denn zwar hat der FC St. Pauli die drittwenigsten Abschlüsse zugelassen, davon gingen aber mehr als die Hälfte auch auf das Tor (Spitzenwert). Der xG-Wert der zugelassenen Abschlüsse liegt bei 4,8, der Post-Shot-xG-Wert (also die Qualität des Abschlusses selbst – von FotMob) bei 7,5. Sechs Gegentore und ein PSxG-Wert von 7,5 – nur bei Heidenheim ist das Verhältnis höher.

Die Zahlen deuten darauf hin: Die Gegner haben ihre Chancen also eher effizient genutzt, als dass der FCSP defensiv bedenklich wackelt. Zu der These passt auch, dass der FC St. Pauli die viertwenigsten gegnerischen Pässe in den eigenen Strafraum zugelassen hat. Zudem hat kein Team eine bessere Quote bei Defensivzweikämpfen. Trotz des Spiels gegen „Angstgegner“ VfB Stuttgart. Worüber reden wir also, wenn es darum geht, ob der FC St. Pauli defensiv nicht (mehr) stabil ist?

Art der Niederlage zeigt Entwicklung des FC St. Pauli

Zahlen sind nicht alles. Vor allem, wenn Hauke Wahl selbst immer wieder betont, dass defensiv nicht alles so sattelfest ist, wie noch in der Vorsaison, dann sollten diese Worte gegenüber Zahlen priorisiert werden. Allerdings sollte völlig klar sein, dass mehr Präsenz in der Offensive natürlicherweise mit einer etwas anfälligeren Defensive einhergeht. Dass der FC St. Pauli offensiv mehr Gefahr erzeugen kann und defensiv trotzdem weiterhin sooo stabil bleiben würde, wie in der Vorsaison – Ja, meine Güte, bitte lasst uns die Kirche unbedingt im Dorf lassen! Und wenn schon nicht, dann sollte sie zumindest auf diesem Planeten bleiben. Das gilt nach einer Niederlage gegen den VfB Stuttgart – den amtierenden DFB-Pokalsieger, der mit Summen hantiert, von denen der FCSP weit, weit, weit entfernt ist – umso mehr.

Das Streben nach maximalem sportlichen Erfolg in allen Ehren. Aber ohne eine rationale Einordnung ist dieses Streben kontraproduktiv. Eine Niederlage beim VfB Stuttgart tut weh, sie nervt, keine Frage. Aber das ist ein Gegner, den wir in der Vorsaison in die Kategorie „Wir fahren da hin und hoffen, dass wir nicht zu hoch verlieren“ eingeordnet haben. Nun haben wir dort sicher nicht unser allerbestes Spiel bestritten. Aber wenn Oppie/Pereira Lage/Afolayan da den Anschlusstreffer erzielen, dann wird das echt spannend. Und das, obwohl wir nun wirklich nicht am Leistungsmaximum waren. Die Leistung an sich, dass es an den „Basics“ gefehlt hat, ja, das nervt. Aber die Tatsache, dass der FC St. Pauli trotzdem nicht chancenlos war, sie sollte Mut machen. Weil sie zeigt, wie groß der Schritt ist, den der FCSP im Vergleich zum Vorjahr gemacht hat.

Die Niederlage des FC St. Pauli beim VfB Stuttgart zeigt also sowohl, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen, aber eben auch, dass das Team einen großen Schritt im Vergleich zur Vorsaison gemacht hat. Alexander Blessin konnte der Niederlage auch direkt wieder Positives abgewinnen: „Es tut jetzt weh, wir haben uns mehr vorgestellt. Aber es tut auch gut, auch wenn sich das für den Moment blöd anhört, dass wir genau wissen, wo wir herkommen, was wir erreichen wollen.“ Damit meinte er gar nicht sein Team, sondern die teils völlig maßlosen, von außen gesteigerten Erwartungen. Blessin: „Es sollte jetzt auch den Letzten klar sein, dass wir nicht irgendwelche Luftschlösser bauen wollen.“ (MOPO)So nämlich!Übrigens: Nach der Niederlage in Fürth anno 2021 holte der FC St. Pauli aus den folgenden 17 Spielen in der 2. Liga zwölf Siege…

// Tim

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