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·5. Juli 2024
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Wenn Schiedsrichter Anthony Taylor am Freitagabend um 18 Uhr den Kracher zwischen Deutschland und Spanien anpfeift, zieht ein Hauch Endspiel-Flair durch die Stuttgarter Arena. Es ist nicht nur das Duell zweier traditionell starker Fußballnationen, sondern auch das der mit Abstand überzeugendsten EM-Teilnehmer. Die Vorschau.
„Wir werden ein Spiel auf Augenhöhe bestreiten, es könnte wie ein Finale werden“, sagte Luis de la Fuente, Nationaltrainer der Spanier, am Donnerstagabend auf der Pressekonferenz und wird diese Meinung nicht exklusiv haben. Das Duell zwischen den Iberern und der DFB-Elf wurde, alsbald es feststand, als das „vorgezogene Finale“ deklariert. Kein Wunder: Spanien hat bislang alle Spiele in diesem Turnier gewinnen können, Deutschland lediglich im finalen Gruppenspiel gegen die Schweiz nicht (1:1). Fast noch stärker als die blanken Ergebnisse wiegen mit Blick auf das Drehbuch die überzeugenden Auftritte beider Nationalmannschaften. Was der auf dem Papier ohnehin schon so hochklassigen Partie zusätzlich Würze verleiht, ist die stark ähnelnde Herangehensweise. Beide mögen es, den Ball zu haben, wobei sowohl die DFB-Elf, vor allem aber La Roja auch Qualitäten im Umschaltspiel haben.
„Die spanische Mannschaft versucht, hoch und mit viel Personal zu pressen. Das schnelle Umschalten ist eine Qualität, die sie dazugewonnen haben. Sie erspielen sich mehr Chancen als früher“, analysierte Julian Nagelsmann den kommenden Gegner. Dass es bei den Spaniern gerne auch schnell und gradlinig geht, liegt in erster Linie an ihrer Flügelzange. Nico Williams und Youngster Lamine Yamal sorgen mit Tempo und ihren sensationellen Fähigkeiten im Eins-gegen-eins ständig für Unruhe beim Gegner und spielen ein herausragendes Turnier. Die Duelle der beiden offensiven Außen gegen Joshua Kimmich und – vermutlich – David Raum werden ein Schlüssel sein.
Auch Nagelsmann betonte: „Es wird sehr wichtig, die Eins-gegen-Eins-Duelle zu gewinnen – defensiv wie auch offensiv.” Denn was Spanien in Yamal und Williams hat, findet Deutschland gewissermaßen in Jamal Musiala und Florian Wirtz wieder, wobei sich letzterer bislang noch nicht in Topform zeigte und daher gegen Spanien womöglich erneut durch Leroy Sané ersetzt wird. So oder so wird es die Aufgabe der deutschen Offensive sein, die bis hierhin so sattelfeste Defensive der Iberer (erst ein Gegentreffer durch ein Eigentor) in direkte Duelle zu verwickeln.
Spanische Shootingstars: Lamine Yamal und Nico Williams. (Photo by Alex Grimm/Getty Images)
Der wohl wichtigste Faktor wird aber sein, welche Mannschaft das Mittelfeld dominiert. Einen begnadeten Taktgeber auf der Sechs haben beide: Rodri aufseiten der Spanier, Toni Kroos bei den Deutschen. Sie sind die Spieler, deren Aktionsradius es jeweils so weit wie möglich einzuschränken gilt. “Wir haben eine Idee entwickelt, dass er nicht wie in den letzten Spielen jeden Ball ohne Druck spielen kann“, kündigte Nagelsmann auf die Frage an, wie man Rodris gefährliche Pässe unterbinden könne. Auf der anderen Seite will die Selección Kroos ebenfalls früh attackieren und seine „Passmöglichkeiten einschränken“, erklärte de la Fuente. Um seine Qualitäten vollständig zu eliminieren, müsste man ihm aber „die Füße zusammenbinden“, sagte der 58-Jährige scherzhaft und wird damit wohl recht haben.
Am Ende wird es also nicht nur darauf ankommen, wer das Beste aus seinem Ballbesitz herausholt, sondern auch darauf, „wie sehr die Mannschaften in den Phasen, in denen sie nicht im Ballbesitz sind, klarkommen“, so DFB-Kapitän Ilkay Gündogan. „Wer diese Situationen besser regelt, könnte als Gewinner hervorgehen“. Weil die Spanier nicht nur als einzige Mannschaft alle Spiele gewonnen haben, sondern in Summe auch einen Tick überzeugender auftraten als die DFB-Elf, könnte man zumindest auf die Idee kommen, die Favoritenrolle in ihre Richtung zu schieben. Aber: Die DFB-Elf hat den Heimvorteil – und der Anteil an deutschen Fans in der Stuttgarter Arena wird voraussichtlich nochmal deutlich höher sein als in den Gruppenspielen und dem jüngsten 2:0-Sieg im Achtelfinale gegen Dänemark. Dass sich die DFB-Elf von der entfachten Euphorie im Land nährt, erwähnte Nagelsmann nicht zum ersten Mal in diesem Turnier lobend: „Wir spüren eine große Unterstützung und sind aktuell in einer guten Symbiose mit den Fans”, sagte der Bundestrainer und betonte: “Gemeinsam ist man stärker, diesen Heimvorteil sollten wir nutzen.”
Text von Michael Bojkov
(Photo by ODD ANDERSENOZAN KOSE/AFP via Getty Images)