
Miasanrot
·13. September 2025
FC Bayern: Tradition bewahrt: HSV wieder mal chancenlos in München – 5:0

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·13. September 2025
Nach sieben Jahren Abstinenz ist der HSV wieder in der ersten Bundesliga und mit ihm die gute alte Tradition des Hamburger Spießrutenlaufs in München.
Nach der ersten Länderspielunterbrechung empfing der FC Bayern erstmals seit sieben Jahren den einstigen Nordrivalen aus Hamburg. Die Stammelf hatte sich schon vor der Pause herauskristallisiert und durfte auch gegen den HSV ran, einzig im zentralen Mittelfeld stellte sich die ewige Frage: Pavlović oder Goretzka? Pavlović konnte die Trainingswoche unter Kompany nutzen und erhielt den Vorzug.
Merlin Polzin schickte den HSV in einem 5-2-3 mit den Neuzugängen Vusković und Vieira ins Rennen, Daniel Peretz behielt seinen Allianz-Arena-Stammplatz auf der Reservebank, wenn auch um einen paar Meter verrückt.
Im Vorlauf der Partie gab es nur zwei Themen: Kompanys Verbindung zum HSV und Hamburgs erschreckende Bilanz in München. Doch nun waren sieben Jahre vergangen, sieben Jahre, in denen der HSV den Dämon München durch Nichtanwesenheit eigentlich exorziert haben könnte. Könnte man meinen. War aber nicht so.
Es vergingen keine drei vollen Minuten, da richtete sich Merlin Polzins Blick flehentlich nach oben, nur um festzustellen, dass noch 87 Minuten schmerzmittelloser Tortur anstanden. Olise hatte gerade Gnabry schön freigespielt, der aus spitzestem Winkel mit dem rechten Spann ein Welttor unter die Querlatte zimmerte.
Als die Minutenzahl immer noch nicht zweistellig schlug, befand der Rekordmeister sich bereits auf dem Weg zu eben dieser. Ein spielmachender Kane schob auf einen durchgelaufenen Pavlović, der sich von halbrechts nicht bitten ließ.
Etwa zehn Minuten lang konnte der HSV nun durchschnaufen, ehe es wieder einschlug. Der bereits nach wenigen Sekunden gelbverwarnte Soumahoro wischte im Strafraum den Ball weg – mit der Hand wohlgemerkt. Tobias Stieler schaute sich die Bilder gemächlich am Monitor an, nur um dann Gnade vor Recht walten zu lassen: Soumahoro blieb auf dem Spielfeld, eine eigentlich klare und offensichtliche Fehlentscheidung, 70 Minuten Unterzahl wollte man dem HSV aber auch nicht gönnen. Kane verwandelte natürlich.
Als Ausgleich für den fortbleibenden Platzverweis fiel den heute in schwarz spielenden Rothosen dafür ein abgefälschtes Ei ins Nest (29.). Luis Díaz trauf auch in seinem dritten Bundesliga-Spiel und zog damit mit Ruggiero Rizzitelli, Luca Toni und Mario Mandzukić gleich, die ebenfalls in sämtlichen ihrer drei ersten Bundesligaspielen für den Rekordmeister treffen konnten.
Zur Halbzeit kamen Guerreiro und Neuzugang Jackson (Spiel Nummer Eins auf der Uli-Hoeneß-Skala). Im Stadion wurde es zunächst sehr ruhig, bedingt durch zwei Notarzteinsätze.
Das Spiel verlief ebenfalls gemächlich, der HSV war mit einem 0:4 gut bedient und beim FCB wusste jeder, dass Chelsea vor der Tür stand. In der 62. Minute konterte Bayern mit Kane als Verteidiger, Spielmacher und Vollstrecker, Heuer Fernandes war noch dran, konnte den Einschlag aber nicht verhindern. Daraufhin kamen die jungen Karl und Bischof, wenig später noch Boey.
Das Spiel indes war gelaufen. Einige konnten, viele wollten nicht mehr. Am Mittwoch empfängt der FC Bayern Chelsea in der Champions League.
5:0, 6:0, 9:2, 8:0, Hamburgs Bilanz in München ist abscheulich schlecht. Den letzten Punkt holten sie noch mit Kompany als Spieler, aber in der Eröffnung der Spielzusammenfassung hatten wir es schon beschrieben: Selbstverständlich war eine Weiterführung dieser Serie nicht. Immerhin waren die Mannschaften nun bis auf Neuer und Kimmich völlig ausgewechselt und der HSV kam als Aufsteiger mit einem anderen Mindset nach München.
Doch was bringt dir auch das beste Mindset, wenn Gnabry den Ball derart in den Winkel donnert, wie er es in der dritten Minute tat? Es ist eine Binsenweisheit, aber damit Außenseiter wirklich ins Spiel kommen, muss alles klappen, inklusive des Ausbleibens von Traumtoren.
Beim HSV indes klappte gar nichts, von Anfang an. Ein langer Diagonalball und die Räume waren noch beim Stand 0:0 sichtbar, mit den Toren fiel das letzte Gramm Engagement ab und irgendwann wurde es nur noch begleitendes Laufen. Der FC Bayern kombinierte sich in den Anfangsminuten in einen Rausch, solch herrliches Kurzpassspiel ist selbst für den verwöhnten Rasen der Allianz Arena außergewöhnlich…
… Hätte der FC Bayern gewollt, es hätte wieder Richtung Neun-Tore gehen können. Doch sie wollten nicht und warum hätten sie auch wollen sollen? Das 4:0 war schnell nach einer halben Stunde eingefahren, der Gegner schnell geschlagen. Wieso dann noch den Druck hochhalten, wenn am Mittwoch das potenziell hinrundenbestimmende Champions-League-Spiel gegen Chelsea ansteht? Wenn jeder weiß, dass die Bank schmal ist? Dass die Startelf sich fast gleichen wird?
Natürlich kann man die zweite Hälfte kritisieren. Man kann am fehlenden Druck, der fehlenden Zielstrebigkeit nörgeln. Man kann einzelne Spieler herauspicken.
Nicolas Jackson hat nichts gezeigt, was der Mannschaft helfen könnte. Aber er kam eben auch in ein untotes Spiel herein. 45 Minuten waren noch zu gehen, aber jeder wusste, dass es schon vorbei ist. Gepaart mit den fehlenden Trainingsabläufen bei seinem neuen Verein, sowie dem Reisestress nach Reisen quer durch Afrika, wäre es da fair, schon den Stab zu brechen? Fair, ihn bereits mit dem letzten Senegalesen beim deutschen Meister, Sadio Mané, gleichzusetzen?
Es ist aktuell fast schon ein neues Ritual beim FCB: Eine Stunde vor Spielbeginn wird die Mannschaftsaufstellung herausgegeben und prompt kreischen die Fans auf den verschiedenen Social-Media-Kanälen nach Lennart Karl. Seine Einwechslung wird auch stets am lautesten bejubelt.
Heute durfte Karl gut 25 Minuten lang ran und zeigte, wieso er so ein aufregendes Talent ist. Er ließ Gegner stehen, ging in die Mitte, zwang einmal Heuer Fernandes gar zu einer starken Flugparade. Er hat brillante Aktionen im Repertoire. Aber er ist eben auch noch sehr, sehr rau. Manchmal klappt das Dribbling, aber eben nicht die Anschlussaktion, manchmal ist das Dribbling fehl am Platz. Er erinnert hin und wieder an Kingsley Coman in seinen dunkleren Stunden: Am Gegner vorbei und dann blinde Flanke nach Mexiko. Die blinde Flanke ist bislang nicht Karls Problem, das Prinzip ist allerdings ähnlich.
Und das ist okay. Lennart Karl ist eben eines: Ein 17-jähriges Talent. Ja, Lamine Yamal existiert und gewiss, der war schon in diesem Alter einer der besten Offensivspieler der Welt, aber nicht jeder ist Yamal. Damit ist nicht einmal das Talent gemeint, sondern die Entwicklung. Karl ist ebenfalls ein außergewöhnliches Talent, aber mit 17 noch sehr rau zu sein, ist völlig in Ordnung.
Es erklärt allerdings auch, wieso Vincent Kompany Karl bislang so behutsam aufbaut, wieso er nicht ständig von Beginn an spielt, wie es viele fordern, wieso er nicht immer als erstes eingewechselt wird: Raue Diamanten sorgen beim Gegner für Gefahr, können aber auch dir selbst ins Fleisch schneiden und nichts sorgt beim Rekordmeister eben für mehr Chaos als Ballverluste.