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·8. September 2025

FC Como Women: Luxus, Lake & Laborreihe für Frauenfußball

Artikelbild:FC Como Women: Luxus, Lake & Laborreihe für Frauenfußball

Von Klaus-Martin Meyer

Am Ufer des Comer Sees ist der Fußball plötzlich Fashion-nah: Monogramm-Wappen statt Provinzlogo, scharfes Schwarz-Weiß statt Streifen-Folklore, Partner aus Beauty, Tech und Mode statt Bauunternehmer und Autohäuser. Das Setting wirkt wie aus einer 11Freunde-Bildstrecke, doch dahinter steckt ein knochentrockenes Geschäftsexperiment: Mercury13, ein Investment-Fund, der Frauenfußball nicht als Appendix eines Männervereins, sondern als eigenständiges Produkt interpretiert – skalierbar, markenfähig, international.


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Die Wette

Die Hypothese ist bestechend einfach: Wenn man Frauenfußball mit dediziertem Kapital, dedizierter Geschäftsführung und eigenem Markenauftritt versieht, lässt sich eine heute noch unterbediente Zielgruppe erschließen – „die andere Hälfte der Welt“. Mercury13 will dafür rund 100 Mio. US-$ in eine Multi-Club-Struktur stecken und kontrollierende Anteile in Europa und Lateinamerika erwerben. Der erste Baustein: FC Como Women, am 4. März 2024 mehrheitlich übernommen.

Como ist bewusst kein Satellit eines Männershirts. Der Klub wird „separat und eigenständig“ erzählt – sportlich, organisatorisch und ästhetisch. Das Rebranding zielt explizit auf weibliche Fans, der Ton ist „Luxury-meets-Lake-Como“. Kurz: Man baut kein Abbild eines Männervereins, sondern ein eigenes Konsumgut.

Die Toolbox: Marke vor Matchday

Damit diese Wette trägt, setzt Mercury13 auf eine Kombo, die man aus dem Luxus- und Entertainment-Marketing kennt:

  • Technik- & Fashion-Nachbarschaft: Nike unterzeichnete 2024 einen Mehrjahres-Deal; die visuelle Identität und Content-Inszenierung sprechen Fashion-Codes.
  • Purpose-getriebene Sponsormodelle: Mit WeAre8 (Brust) und Casati (Rücken) stehen zwei frauengeführte Marken auf dem Trikot – eine bewusst gesetzte Erzählung für Partner, die nicht nur Banden buchen, sondern Weltanschauung.
  • Skalierte Rechtevermarktung: Wasserman | The Collective verkauft global Sponsorrechte über das entstehende Portfolio – ein Profi-Setup, das kleineren Klubs oft fehlt.

Diese Elemente sind nicht bloß Deko. Sie schaffen – so die Mercury-Logik – planbare, wiederholbare Umsatzbausteine, die über Spieltagserlöse hinausgehen: IP-Erträge, Lifestyle-Partnerschaften, digitale Communitys.

Kapital & Köpfe

Kapitalseitig holte Mercury13 Ende 2024 den Avenue Sports Fund (Marc Lasry) an Bord – wichtig, um neue Übernahmen zu finanzieren und die Vermarktungs-Maschine zu füttern. Auf Investorenseite folgten Giorgio Chiellini (Sept. 2024) sowie Juan Mata (Juni 2025; gemeinsam mit Sérgio Oliveira). Das liefert nicht nur Schlagzeilen, sondern Netzwerke in Marken- und Medienkreise.

Operativ prägen Victoire Cogevina Reynal und Mario Malavé die Architektur – mit Stationen zwischen Tech, Medien und Investment; das erklärt den ungewöhnlich produkt- und markenorientierten Zugriff, der im BBC-Porträt greifbar wird.

Das Labor Como

Warum Como? Weil sich hier Fußball, Lifestyle und Reisemythos überlagern. Die Positionierung als vollständig unabhängiger Frauenklub erlaubt klare Prioritäten und kurze Wege. Das schafft Vertrauen bei Spielerinnen („Hier sind wir nicht die Abteilung B“) und bei Marken, die eine nicht-maskulin geprägte Fanansprache suchen. Sichtbarer Output: modernisiertes Trainingsumfeld, aggressive Social-Strategie, Partnerschaften, die eher nach Magazin-Editorial als nach Haupttribüne aussehen.

Auch sportlich hilft die Erzählung: Alisha Lehmann wählte im Sommer 2025 Como – ein Transfer, der Reichweite und Aufmerksamkeit bündelt und die Kommerzstory verstärkt. (Genau diese Spirale – Reichweite → Sponsoren → Gehälter → sportliche Qualität – ist Kern der Mercury-These.)

Was (noch) nicht klappt – und warum das ehrlich ist

Mercury13 ist kein Angel-City-Klon mit sofortigem Hype-Cashflow. Die Financial Times erinnert daran, wie groß der strukturelle Abstand zu den Männerligen bleibt: schwächere Medienrechte, zögerliche lokale Infrastrukturen, geringere Ticket-Yield. Selbst in Boomjahren ist Profitabilität selten, Kapitalbedarf hoch. Kurz: Die Kurve zeigt nach oben, aber die Denkmuster des Männerfußballs sind kein Copy-Paste.

Genau deshalb baut Mercury13 das Modell von der Marke her und portfolio-basiert: Ein Netz aus mehreren Klubs soll Skaleneffekte in Sales, Content, Scouting und Sportwissenschaft bringen. Bislang ist Como Women der einzige öffentlich bestätigte Klub; die Pipeline zielt u. a. auf England, nachdem Lewes 2023 nicht zustande kam. Strategisch bleibt die Women’s Super League „absolute Priorität“.

Der Ökonomie-Kern (Economist-Brille)

  1. These 1 – Demand Gap, nicht Quality Gap: Frauenfußball leidet weniger an Produktmangel als an Distributions- und Kapitalmangel. Wer Reichweite, Verfügbarkeit und Marken-Relevanz erhöht, erntet überproportionalen Ertrag – ein für Wachstumsinvestoren typischer convex bet.
  2. These 2 – Portfolio schlägt Solist: Multi-Club-Struktur erlaubt zentrale Sponsoring-Pakete, Daten- und Content-Sharing, geteilte Backoffice-Kosten – entscheidend bei Märkten unter TV-Skalenniveau. Wasserman’s Mandat ist hier das operative Rückgrat.
  3. These 3 – Ort als Asset: Como’s „Place Branding“ (See, Mode, Tourismus) reduziert Customer-Acquisition-Costs im Sponsoring. Der Nike-Deal bestätigt, dass Premium-Brands in diese Erzählung einzahlen.
  4. These 4 – Governance & Purismus: Unabhängigkeit vom Männerverein vermeidet „B-Status“, erhöht aber CapEx-Last (Stadion, Akademie, Medienteam). Hier helfen Avenue-Mittel und profilierte Investoren mit öffentlicher Strahlkraft.

Ausblick

Mercury13 wird in den kommenden Saisons daran gemessen, ob Marken-Momentum in wiederkehrende Erlöse übersetzt wird: Verlängerungsquoten bei Sponsoren, Ticket-Yield, digitale Abos/Commerce, sowie sportliche KPI (UEFA-Ränge, Akademie-Durchlässigkeit). Erst mit Klub Nr. 2/3 wird sich zeigen, ob die Skalenerzählung trägt – und ob das Modell in Märkten ohne Como-Glamour ebenso funktioniert. Bis hierhin aber liefert Como ein selten sauberes Proof-of-Concept dafür, dass Frauenfußball als eigenständiges Produkt nicht nur idealistisch, sondern ökonomisch plausibel ist.

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