MillernTon
·25. August 2024
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Gegen den 1. FC Heidenheim verliert der FC St. Pauli eine Partie, in der aufgezeigt wurde, dass die eigene Spielidee funktionieren kann. Allerdings nur, wenn die Effizienz stimmt.(Titelfoto: Stefan Groenveld)
Willkommen in der Bundesliga, FC St. Pauli! Dort, wo eigene Torchancen genutzt werden müssen und die eigenen Fehler eiskalt bestraft werden. Diese Niederlage zum Auftakt gegen den 1. FC Heidenheim zeigte den Unterschied zwischen der ersten und zweiten Liga ziemlich deutlich auf. Und so hat der FCSP nach dieser Partie zwar keine Punkte auf dem Konto, kann aber trotzdem einige positive Dinge aus diesem Auftakt ziehen.
In der Startelf des FC St. Pauli gab es eine personelle Veränderung im Vergleich zu den letzten Spielen: Lars Ritzka startete anstelle von Fin Stevens. Ritzka rückte auf die linke Schienenposition, Philipp Treu nahm dafür die Position auf der rechten Seite ein. Eine Umstellung, die sich auszahlen sollte. Beide Schienenspieler machten ein gutes Spiel.
Beim 1. FC Heidenheim wurde mächtig rotiert im Vergleich zum Europapokalspiel am Donnerstag in Schweden: Gleich acht Spieler kamen neu in die Startelf. Einzig Innenverteidiger Patrick Mainka, Sechser Jan Schöppner und Offensivkraft Leo Scienza standen auch in Göteborg zum Anpfiff auf dem Platz. Das Team ordnete sich in einer Art 4–2-3-1 an, während der FC St. Pauli wie erwartet im 3-5-2 begann.
Aufstellung beim Spiel FC St. Pauli gegen 1. FC Heidenheim
FCSP: Vasilj – Wahl, Smith, Mets – Treu, Wagner, Irvine, Metcalfe, Ritzka – Eggestein, Guilavogui FCH: Müller – Traore, Mainka, Gimber, Föhrenbach – Maloney, Schöppner – Beck, Wanner, Scienza – Breunig
Die ersten Minuten Bundesliga-Fußball des FC St. Pauli waren alles andere als leicht. Der 1. FC Heidenheim agierte ungewohnt abwartend, presste nur auf Rückpässe im Aufbauspiel des FCSP höher, das aber mit zunehmendem Spielverlauf immer weniger. In der Anfangsphase gelang es den Gästen „das Zentrum gut zu schließen,“ wie FCH-Trainer Frank Schmidt später auf der Pressekonferenz erklärte. Der FCSP spielte in dieser Phase sehr fehlerhaft, doch gelang es zumindest, die Umschaltmomente der Heidenheimer meist bereits im Keim zu ersticken.
Alexander Blessin erklärte, dass man zu Spielbeginn mit den Außenverteidigern „zu flach“ gestanden habe. Hierbei, so der FCSP-Cheftrainer, haben vor allem die Gegenbewegungen gefehlt (das eigene Vorrücken, sobald der Gegner beginnt, hoch anzulaufen). Man habe gewusst, dass die Heidenheimer aus einer tieferen Position vorrücken und pressen, wenn der Gegner Rückpässe spielt. Diese Räume, die sich dann durch dieses Vorschieben des Gegners ergeben, wollte man bespielen. Dazu habe zu Spielbeginn auch etwas der Mut und die Genauigkeit gefehlt, erklärte Blessin.
Mit zunehmender Spieldauer aber konnte sich der FC St. Pauli immer besser in dieses Spiel hineinarbeiten, der Matchplan ging mehr und mehr auf. Dieser sah vor, dass das von Heidenheim eigentlich kompakt gehaltene Zentrum lückenhaft wird. Denn nur dadurch ist es möglich, dass der FCSP seine initialen Vorwärtspässe – flach oder halbhoch aus der Innenverteidigung in die Spitze – auf Eggestein und Guilavogui spielen kann.
Entscheidend zur Öffnung des Zentrums war dabei die Positionierung der beiden Achter, Metcalfe und Wagner. Gegen beide agierte die Heidenheimer Doppelsechs (Schöppner und Maloney) mannorientiert. Diese Mannorientierung machte sich der FCSP im Aufbauspiel zu nutze, indem Metcalfe und Wagner ihre Positionen verließen. Wagner ließ sich öfter etwas tiefer fallen, fast bis in den eigenen Sechserraum. Metcalfe zog es eher nach Außen, manchmal schoben auch beide auf eine Seite.
Angesprochen auf das große Loch, was sich da vor der eigenen Abwehr teilweise auftat, erklärte Frank Schmidt nach der Partie, dass es nach rund 20 Minuten „andere Laufwege beim Gegner“ gegeben habe und fügte an: „Damit sind wir nicht klargekommen, da hätten wir besser übergeben müssen“ und nahm dabei vor allem die beiden äußeren Mittelfeldspieler in die Pflicht. Das vorher sehr chaotische und von Umschaltmomenten lebende Spiel wurde nun ruhiger, der FC St. Pauli wurde dominanter.
Aufbauspiel des FC St. Pauli gegen den 1. FC Heidenheim Die beiden Achter des FCSP ziehen ihre Gegenspieler aus dem Mittelfeldzentrum heraus. Dadurch sind Pässe aus der eigenen Innenverteidigung auf die Stürmer möglich.
Nach 20 Minuten gab es dann auch endlich den ersten Torabschluss des FCSP: Connor Metcalfe schob den Ball aus vielversprechender Position knapp neben das Tor. Von Heidenheim, die in der vierten Minute durch Beck eine Einschussmöglichkeit hatten, kam bis Mitte der zweiten Hälfte nun nichts, wirklich gar nichts mehr. Bei all dem Ärger über vergebene Chancen und fehlende Effizienz muss festgehalten werden, dass es die Gäste nur auf mickrige fünf Torschüsse gebracht haben – zwischen der 4. und 58. Minute verzeichneten sie gar keinen Torschuss.
Der FC St. Pauli hingegen kam minütlich besser ins Spiel. Immer sicherer schienen sie in den Abläufen zu werden. Im Aufbau agierten sie mit einer Dreierkette (Smith verblieb zumeist zwischen Wahl und Mets) und davor zogen Wagner und Metcalfe die Gegenspieler aus dem Zentrum heraus – darauf folgte dann der lange, oft flache Pass zu einem der beiden Stürmer. Mit diesem offensiven Matchplan und der konzentrierten Defensivarbeit – das Trio Mets-Smith-Wahl machte einen sehr guten Job (Blessin: „Wir haben gut verteidigt, haben Lücken sehr gut geschlossen, standen kompakt.“) – war der FC St. Pauli gegen Ende der ersten Halbzeit das bessere und dominantere Team.
Was dem FC St. Pauli trotz gutem Spiel im ersten Abschnitt oft fehlte, waren Torgelegenheiten. Insgesamt gab es nur drei nennenswerte Abschlüsse des FCSP in den ersten 45 Minuten. Metcalfe hatte die wohl beste Gelegenheit in der 30. Minute, als sich Eggestein und Guilavogui in dessen Entstehung in Sachen Laufwege an einer Kopie des Ausgleichs in Halle probierten. Doch der 24-jährige, der jüngst seinen Vertrag verlängerte, brachte keinen Druck in den Torschuss aus kurzer Distanz. Aus taktischer Sicht noch spannender war aber der letzte Torschussversuch der ersten 45 Minuten…
Wer mal ein Beispiel sehen möchte, wie dieser Ablauf, dieses Herausziehen der Gegenspieler aus dem Sechserraum funktioniert: Wenn ihr die Möglichkeit habt, dann schaut Euch bitte unbedingt die Spielszene ab Minute 39:25 an und achtet dabei explizit auf die Bewegungen von Wagner und Metcalfe. Da ist sehr schön zu erkennen, wie Wagner seinen Gegenspieler in den Sechserraum zieht und Metcalfe seinen von der linken auf die rechte Seite. Dadurch öffnet sich ein riesengroßer Raum in der Mitte des Spielfelds – ein Horror-Szenario für die Defensivarbeit. Smith kann deshalb einen flachen 30m-Pass mitten durch das Zentrum zu Eggestein spielen. Der lässt mit einem Kontakt tropfen auf Irvine, der mit viel Tempo auf das Heidenheimer Tor zulaufen kann. Am Ende dieser Szene kann Treu abschließen, verfehlt das Heidenheimer Tor aber.
Zwingender vor dem gegnerischen Tor wurde es dann mit Beginn der zweiten 45 Minuten. An der spieltaktischen Herangehensweise änderte sich nur wenig. Warum auch, aus Sicht des FC St. Pauli? Hatte der Ansatz im ersten Abschnitt doch bereits gut funktioniert. Nun startete die Phase, in der federführend Morgan Guilavogui und weitere FCSP-Spieler fast im Minutentakt direkte Gefahr für das Heidenheimer Tor erzeugten. Und diese Phase bis zur 66. Minute, sie hätte ein Tor mehr als verdient gehabt.
Eine Auswahl an Tormöglichkeiten: Der starke Guilavogui machte in der 47. Minute den Anfang, als er einen Kopfball, leicht in Rücklage, neben das Tor setzte. Ritzka hatte auch eine gute Gelegenheit, die Blessin sicher gefreut haben dürfte, weil er aktiv einfordert, dass die ballfernen Schienenspieler (er nennt sie „Jolly“) immer wieder auch den Weg in den Strafraum suchen, um Flanken am zweiten Pfosten aufzunehmen. Doch Ritzka traf den Ball aus guter Position nur mit dem Schienbein. Gar nicht den Ball traf Guilavogui in der 63. Minute, als er eben jenen, gespielt als Querpass von Irvine, nur um wenige Zentimeter am zweiten Pfosten verpasste. Das Phrasenschwein freut sich: Wer solche Chancen nicht nutzt…
Stattdessen müssen wir leider zum großen Wendepunkt dieses Spiels kommen, der als Drama sicher auch auf der Theaterbühne zu was taugen würde. Denn die mögliche eigene Führung und das Gegentor liegen in dieser Phase wirklich fürchterlich nahe beieinander: In der 66. Minute, Heidenheim war da bereits seit vielen Minuten im eigenen Drittel eingeschnürt, hatte der FC St. Pauli gleich zwei Ecken in Folge. Hauke Wahl traf aus exzellenter Position leider nur Torwart Müller, der Nachschuss vom vorrückenden Ritzka blieb in Heidenheimer Beinen hängen. Es entwickelte sich eine Kontersituation mit den inzwischen eingewechselten Sirlord Conteh und Marvin Pieringer, die beide für hohe Geschwindigkeit bekannt sind. Das Tempo war also hoch, die Situation entsprechend besonders brenzlig, zumal Metcalfe und Smith beide die Möglichkeit verpassten, durch ein Foul den Konter zu unterbinden. Conteh fand Pieringer, Pieringer fand Paul Wanner – und der mit seinem Torschuss das Tornetz hinter Nikola Vasilj. Football, bloody hell.
Dieser Gegentreffer war ein schwerer Niederschlag und nahm dem FC St. Pauli komplett den Wind aus den Segeln. Johannes Eggestein, immerhin Psychologie-Student, sprach nach Abpfiff davon, dass dieses Heidenheimer Tor „uns psychologisch einen Knick“ gegeben habe. In der Folge war wieder viel mehr Chaos, viel weniger Struktur beim FCSP zu sehen.
Beim FC St. Pauli kamen zwar vier neue Spieler, aber eine solche Druckphase wie bis kurz vor dem 0:1 vermochte das Team nicht mehr zu entwickeln. Das Spiel schien so, als wäre es wieder auf Anfang zurückgesetzt worden. Dem FCSP gelang es nun kaum noch, zielgenau die Mitspieler in vorderer Reihe zu finden, alles wurde hektischer. Zwar ließen die Spieler nichts unversucht, aber das große Aufbäumen, eigentlich eine Stärke des FC St. Pauli, blieb aus. Stattdessen machte Heidenheim das 2:0, was dem Spiel endgültig den Stecker zog. Erneut war eine Ecke der Ausgangspunkt, dieses Mal aber eine der Gäste.
Morgan Guilavogui hat bei seiner Großchance den Weg ins Heidenheimer Tor gefunden, der Ball aber leider nicht. // (c) Stefan Groenveld
Das ist schon richtig, richtig bitter, wie der FC St. Pauli dieses Spiel verloren hat. Klar, nach dem 0:1 wäre noch eine Menge Zeit gewesen, um das Spiel zu drehen und wäre es gelungen, an die Minuten vor dem Rückstand anzuknüpfen, hätte das auch noch was werden können. Aber Konjunktiv im Fußball ist immer scheiße, wisst ihr ja von Alex Zorniger. Die starke Phase des FCSP ab der 20. Minute und vor allem nach dem Wiederanpfiff hätten aber zu einem eigenen Treffer reichen müssen, um sich ernsthaft für drei Punkte in diesem Spiel zu empfehlen.
So zeigten aber die Gäste aus Heidenheim dem FC St. Pauli, wie man in der Bundesliga mit Torchancen umgehen muss. Die Effizienz (zwei Treffer aus fünf Torabschlüssen) ist etwas, was der FCSP hoffentlich in den nächsten Spielen auch an den Tag legt. Denn das, und damit kommen wir zurück zum ersten Absatz dieses Textes, ist wohl der große Unterschied zwischen erster und zweiter Liga: In der Bundesliga werden Fehler gnadenlos bestraft, egal, ob es sich dabei um vergebene Chancen oder Momente der Unachtsamkeit in der Defensive handelt.
Der FC St. Pauli hat also ein phasenweise sehr gutes Spiel gegen den 1. FC Heidenheim gezeigt. Der Matchplan ging auf, die Chancen waren da, der Gegner hat lange Zeit keine. Doch dieses Spiel zeigte auch, dass gute Phasen ohne Effizienz nicht reichen werden, um Bundesligaspiele zu gewinnen. Dieses erste Bundesligaspiel des FC St. Pauli war daher auf der einen Seite enttäuschend. Der Auftritt hat aber auch Mut gemacht und keineswegs die Vorfreude auf den Rest der Saison geschmälert.Immer weiter vor!// Tim
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