MillernTon
·23. September 2024
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In einer wahnsinnig intensiven Partie holt der FC St. Pauli gegen RaBa Leipzig seinen ersten Punkt. Es wäre mehr drin gewesen, überzeugend war die Leistung trotzdem.(Titelfoto: Stefan Groenveld)
Absolut unglaublich, der Blick auf die Uhr: Als Peter Gulasci den Schlenzer von Elias Saad mit den Fingerspitzen über das Tor schaufelte, waren gerade einmal läppische 16 Minuten gespielt. 16 Minuten, in denen bereits so viel drin war, so viel Power, so viele berauschende Aktionen des FC St. Pauli. Wohl nur selten gab es am Millerntor eine intensivere Anfangsviertelstunde zu sehen. Die Stimmung war bereits vor Anpfiff gut, doch mit der ersten Umschaltaktion des FC St. Pauli explodierte die Atmosphäre. Die restlichen Minuten der Partie waren laut, aufregend und unfassbar energiegeladen.
Beim FC St. Pauli gab es drei Veränderungen in der Startelf: Für Robert Wagner reichte es nicht, die Mandelentzündung ist noch nicht auskuriert, er fehlte im Kader. Lars Ritzka schaffte es zwar in den Kader, war allerdings auf der Bank und nicht in der Startelf. Auch Morgan Guilavogui fehlte nach seinem erlittenen Pferdekuss im Spiel gegen Augsburg in der Anfangsformation, saß aber auf der Bank.
Für diese drei Spieler kamen Manos Saliakas, Elias Saad und Dapo Afolayan in die Startelf. Damit befand sich kein Sommerneuzugang in der Anfangsformation. Nur noch Hartel anstelle von Boukhalfa im Zentrum hätte gefehlt, dann wäre die „Aufstiegs-Elf“ komplett gewesen. Noch eine Parallele zur Vorsaison: Das Team agierte in einem 5-2-3, welches aber vor allem gegen den Ball anders ausgespielt wurde.
Bei RaBa Leipzig gab es im Vergleich zur Partie bei Atletico Madrid satte fünf Veränderungen in der Startelf. Für Openda, Lukeba, Nusa, Vermeeren und Henrichs kamen Lukas Klostermann, Yussuf Poulsen, Nicolas Seiwald, Christoph Baumgartner und Lutharel Geetruida ins Spiel. Das Team von Trainer Marco Rose startete in einem 4-2-2-2, welches aber nur defensiv in ausgewählten Momenten sichtbar war.
Aufstellung beim Spiel FC St. Pauli gegen RaBa Leipzig: FCSP: Vasilj – Wahl, Smith, Mets – Saliakas, Boukhalfa, Irvine, Treu – Afolayan, Eggestein, Saad; RaBa: Gulasci – Geertruida, Klostermann, Orban, Raum – Haidara, Seiwald – Baumgartner, Simons – Poulsen, Sesko
Im 5-2-3 des FC St. Pauli agierten Dapo Afolayan und Elias Saad zwar mit einem deutlichen Fokus auf die offensive Außenbahn, verblieben dort aber nicht dauerhaft. Im Vergleich zur Vorsaison schoben sie auch öfter ins offensive Zentrum, sodass Manos Saliakas und Philipp Treu vorschieben konnten. Wenn der FCSP versuchte, flach von hinten aufzubauen, dann schob Carlo Boukhalfa fast mit auf die Höhe von Johannes Eggestein. Jackson Irvine und Eric Smith bildeten eine Doppelsechs.
Dieses Schema im Spielaufbau ist aber mehr theoretischer Natur, weil man es auf dem Platz nur in wenigen Momenten der ersten Halbzeit sehen konnte, wenn der FC St. Pauli einen eigenen Abstoß hatte. Mit zunehmender Spieldauer schlug Vasilj aber auch diese mehr und mehr lang nach vorne. Gewann man den Ball aus dem Spiel heraus, suchten die Spieler des FC St. Pauli den freien Raum in der Leipziger Hintermannschaft. Und das so schnell wie möglich und viel lieber, als sich erstmal für das Aufbauspiel zu formieren (eine gute Formation für Umschaltmomente hatten sie nämlich). Bei Ballgewinnen richtete sich der erste Blick des ballführenden FCSP-Spielers direkt nach vorne, auf der Suche nach freien Mitspielern. Das Schöne daran: Es gelang dem FC St. Pauli ziemlich oft, vielversprechend umzuschalten.
Noch besser: Gegner Leipzig konnte die Defensive des FC St. Pauli nur ganz, ganz selten in Verlegenheit bringen. Das ist auch das, was Alexander Blessin nach dem Spiel fast gebetsmühlenartig positiv hervohob: Defensiv zeigte sein Team eine überragende Leistung. Für Blessin war beides, die gefährlichen Umschaltmomente und die stabile Arbeit gegen den Ball, ein Produkt der eigenen intensiven Arbeit, weil die Spieler in beiden Spielsituationen jeweils mit vollem Einsatz zu Werke gingen.
Die Leipziger versuchten gegen die gut organisierte Defensive des FC St. Pauli einiges. Bei Ballbesitz setzte sich im ersten Abschnitt eine recht komplexe Rotation in Gang. Die Sechser Seiwald und Haidara ließen sich in die Innenverteidigung zurückfallen, Xavi Simons zog es auf die linke Seite raus, wo er zusammen mit David Raum eine Überzahl erzeugen wollte (Saliakas und Afolayan konnten viele, aber nicht alle dieser Situationen mit guter Abwehrarbeit entschärfen). Lutsharel Geertruida schob von der Rechtsverteidiger-Position in den rechten Halbraum, Innenverteidiger Lukas Klostermann agierte als Rechtsverteidiger. Vorne rotierten Yussuf Poulsen und Benjamin Sesko und setzten dann stakkato-artig zu Tiefenläufen an. Es war insgesamt sehr viel Dynamik im Leipziger Aufbauspiel. Gebracht hat es aber ziemlich wenig, weil der FC St. Pauli im 5-2-3 enorm sicher stand und weniger mann-, sondern eher raumorientiert verteidigte. Spätestens, wenn es dann in die direkten Duelle ging (Blessin erwähnte auf der PK vor dem Spiel, dass man da Chancen sieht), dann hatten die Leipziger Spieler oft das Nachsehen.
Aber da ist natürlich noch mehr, was dazu führte, dass der FC St. Pauli gegen Leipzig nicht nur wenig Torchancen zuließ, sondern sich vor allem in der ersten Halbzeit auch einige hochkarätige Chancen erspielte. Elias Saad und Dapo Afolayan brachten Elemente in das Spiel des FCSP, die enorm dabei halfen. Zwei Statistiken zeigen das deutlich auf: Afolayan gewann sieben seiner acht Dribblings, oft mussten beim Versuch, ihn zu stoppen, mehrere Leipziger eingreifen. Saad lief für einen offensiven Außenbahnspieler unglaubliche 13 Kilometer, war damit der laufstärkste Akteur auf dem Platz.
Beide Spieler waren nicht nur aufgrund ihrer individuellen Fähigkeiten wichtig für die Offensive. Auch die Anordnung im 5-2-3 in der Defensive hatte offensiv Vorteile. In der Vorsaison fiel das Team gegen den Ball in tiefer Ordnung oft aus diesem 5-2-3 in ein 5-4-1. Gegen Leipzig aber verblieb man auch dann noch im 5-2-3, wenn man mit allen Spielern im eigenen Drittel stand. Zwar attackierten Saad und Afolayan auch auf der Außenbahn ihre Gegenspieler, unterstützten damit Treu und Saliakas, doch ballfern lösten sie sich wieder und schoben auf die Höhe von Johannes Eggestein.
Das klingt nach einem nur sehr winzigem Detail, hatte aber große Wirkung. Denn wenn der FC St. Pauli dann im 5-2-3 den Ball gewann, konnte aufgrund der Positionierung von Saad und Afolayan in Umschaltmomenten sehr schnell die gesamte Breite des Feldes mit eigenen Spielern besetzt werden. Für einen Gegner, bei dem sich viele Spieler gerade nicht auf ihren eigentlichen Positionen befinden (Leipzig rotierte ja mächtig im Aufbau) ist das ein Horroszenario.
Dapo Afolayan beschäftigte mehr als einmal gleich mehrere Leipziger Spieler und konnte so die Offensive des FC St. Pauli enorm beleben.
// (c) Stefan Groenveld
All die Lobhudelei klingt natürlich so, als wenn der FC St. Pauli RaBa Leipzig in der ersten Halbzeit an die Wand nagelte. Das taten sie fast, mit vielen gefährlichen Umschaltmomenten. Doch es fehlte das Tor. Auf 27 Ballkontakte im Leipziger Strafraum kam der FCSP im ersten Abschnitt (Leipzig hatte acht), elf Torschüsse (Leipzig hatte vier). Die numerische Überlegenheit des FC St. Pauli drückte sich in vielen Statistiken aus, jedoch nicht in Form von Toren. Wie auch im ersten Heimspiel der Saison gelang es nicht, den verdienten Lohn durch einen eigenen Treffer einzufahren. Allerdings gelang es dieses Mal, den eigenen Kasten sauber zu halten. Was auch indirekt mit der eigenen Offensivleistung zusammenhing.
Denn mit Beginn der zweiten Halbzeit agierte RaBa Leipzig stark verändert im Aufbauspiel. Von den vielen Rotationen war nun nichts mehr zu sehen. Vielmehr hielten alle Spieler ihre Positionen. Cheftrainer Marco Rose erklärte auf der PK nach dem Spiel, dass diese ausbleibenden Rotationen eine direkte Reaktion auf die vielen gefährlichen Umschaltmomente des FC St. Pauli gewesen ist. Zu oft gelang es dem FCSP, eine nach Ballverlust ungeordnete Leipziger Mannschaft vor große Probleme zu stellen. Die taktische Anpassung durch den Verzicht auf die eigenen Ideen im Aufbauspiel darf durchaus als Leipziger Lob für das gute Spiel des FC St. Pauli verstanden werden.
Durch die Umstellung gelang es Leipzig tatsächlich, die stete Gefahr der FCSP-Umschaltmomente etwas zu dämpfen. Doch auch weiterhin kam der FC St. Pauli zu guten Torgelegenheiten, erzeugte mehr Gefahr im gegnerischen Strafraum (16-6 Ballkontakte im 16er). Mit zunehmender Dauer wurde aber auch deutlich, dass die FCSP-Spieler langsam aber sicher den Preis für die intensive Arbeit zahlen mussten. Den ganz großen Druck, die ständige Gefahr durch hohes Tempo nach Ballgewinnen, vermochte der FC St. Pauli nicht mehr entwickeln. Je mehr sich das Spiel dem Abpfiff näherte, umso deutlicher wurde, dass das Team auf jeden Fall die Null halten wollte und nicht um jeden Preis auf einen eigenen Treffer drückte.
So stand mit Schlusspfiff ein 0:0 auf der Anzeigetafel. Gemessen an der Reaktion auf den Rängen im Millerntor, würde man vermutlich nicht als erstes darauf kommen, dass dieses Spiel torlos endete. Dieser Punktgewinn des FC St. Pauli wurde gefeiert. Weil er unerwartet kam. Vor allem aber, weil die mutige Spielweise, die Intensität und auch die Umsetzung der taktischen Vorgaben Mut machen für den Rest der Saison. Das klingt ein bisschen zweckoptimistisch, weil es dem FC St. Pauli erneut nicht gelang, einen eigenen Treffer zu erzielen und er zum dritten Mal in vier Spielen torlos blieb. Aber diese Partie gegen Leipzig könnte so etwas wie der Dosenöffner für den FC St. Pauli gewesen sein. Es gibt für dieses Spiel zwar nur einen Punkt, doch dürfte es eine ganze Menge Mut geben für den Rest der Bundesligasaison.Immer weiter vor!// Tim
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