MillernTon
·16. August 2024
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Der FC St. Pauli tat sich in der ersten Runde des DFB-Pokals schwer, konnte die Partie in Halle aber mit etwas Glück in der Verlängerung gewinnen.(Titelbild: Oliver Hardt/Getty Images/via OneFootball)
Es war allen bereits vor Anpfiff klar, dass den FC St. Pauli mit dem Halleschen FC in der ersten Runde des DFB-Pokals eine relativ hohe Hürde erwarten würde. Freitagabend, Flutlicht, der Gegner hochmotiviert und gut in die Sasion gestartet, während dem FCSP dieser Saisonstart in eben diesem Spiel bevorstand. Und es passierte dann leider auch das, was den Favoriten in solchen Partien definitiv nicht passieren darf: Mit der ersten Offensivaktion ging der Hallesche FC in Führung. Ab diesem Moment war klar, dass sich der FC St. Pauli richtig strecken muss, um die zweite Pokalrunde nicht nur im Fernsehen zu verfolgen.
Was leider auch bereits vor Anpfiff der Partie klar gewesen ist: Bei diesem Pokalabend wird sich eine Menge Nazi-Scheiße tummeln. Und das tat sie auch. Dieses Thema soll und darf auf keinen Fall ignoriert werden und so wird dazu im Laufe des Samstags noch etwas beim MillernTon veröffentlicht werden.
Wie erwartet gab es beim FC St. Pauli keine Veränderungen in der Startelf. Es begannen dieselben elf Spieler, die auch in den beiden letzten Vorbereitungsspielen zu Beginn auf dem Platz standen. Interessant dabei: Weder Maurides noch Andreas Albers standen im Spieltagskader. Am Ende waren es dann zwei Defensivspieler, die dem FCSP mit ihren Toren den Sieg brachten.
Auch beim Halleschen FC gab es keine Veränderungen in der Startelf. Warum auch, hatte das Team doch zuvor in eben jener personellen Aufstellung mit dem 4:0 in Erfurt überzeugen können. In Sachen Formation tat sich dann aber doch ein klein wenig was: Statt einem 3-1-4-2 wie in den Partien zuvor, agierte das Team etwas defensiver in einem 3-5-2 mit zwei Sechsern. Eine Umstellung, die sich lange Zeit auszahlte.
Aufstellung beim Spiel Hallescher FC gegen FC St. Pauli
HFC: Müller – Landgraf, Löhmannsröben, Berger – Stierlin – Hauptmann, Richardson, Kulke, Weber – Akono, Friedrich
FCSP: Vasilj – Wahl, Smith, Mets – Stevens, Wagner, Irvine, Metcalfe, Treu – Eggestein, Guilavogui
Noch bevor der Abend durch die Führung der Hallenser in die falsche Richtung für den FC St. Pauli abbog, wäre das Team fast perfekt gestartet: Morgan Guilavogui, der definitiv erneut ein Lichtblick im Spiel des FCSP war, hatte bereits nach 14 Sekunden eine richtig gute Torgelegenheit, scheiterte aber an HFC-Torwart Müller. Ein vielversprechender Beginn für den FCSP, der aber nicht gehalten werden konnte.
Denn das Aufbauspiel des FC St. Pauli war fehlerhaft und wirkte daher in den ersten 45 Minuten fast durchgehend ziemlich wild. Nur in ausgewählten Momenten konnte man erkennen, wie das Team das im Zentrum sehr kompakte Pressing des HFC brechen wollte. Fast konsequent wurde das Spiel nach vorne über Karol Mets eröffnet, der den Ball in Richtung Philipp Treu oder Connor Metcalfe spielte. Von dort wurde abgelegt in den Sechserraum zu Jackson Irvine, der das Spiel dann auf die rechte Seite zu Fin Stevens verlagern sollte.
Soweit die Theorie. Viele Male tat sich der FCSP bereits mit dem erfolgreichen Pass von Mets oder der anschließenden Ballannahme schwer. Und der Fehlerteufel zog sich auch durch die Anschlussaktionen. Nur selten kam es überhaupt dazu, dass ein Diagonalball gen Stevens auf die rechte Seite flog. Leider konnte der neue Rechtsverteidiger des FC St. Pauli dann aus den Pässen, die ihn erreichten nur ganz wenig machen. Ihm war anzumerken, dass er sich an das Level und die Intensität des Spiels noch gewöhnen muss. Dass er das kann, hat man dann in der zweiten Halbzeit gesehen.
Doch bleiben wir noch im ersten Abschnitt, auch wenn es etwas wehtut. Nach der Trinkpause Mitte der ersten Halbzeit, von der man sich erhoffen konnte, dass danach etwas mehr Struktur ins FCSP-Spiel kommt, wurden die Diagonalbälle auf Stevens auch direkt aus dem Abwehrzentrum gespielt – von Eric Smith nämlich, der in dieser Partie (anders als gegen Bergamo) nur zu Beginn ab und an mal in den Sechsserraum vorschob, nach wenigen Minuten aber konsequent in der Innenverteidigung verblieb.
Als Smith diese Pässe spielte – die selbstredend ihr Ziel fanden – stand es leider bereits 0:1 aus Sicht des FC St. Pauli. Denn kurz nachdem Guilavogui bei einem Eckball per Kopf fast das 1:0 erzielt hätte (Müller parierte wieder stark) und im Anschluss Hauke Wahl, sich mit der Hand am Pfosten festhaltend, einen xG-Wert von ungefähr 0.95 produzierte, aber eben keinen Treffer, vertändelte Nikola Vasilj den Ball im eigenen Strafraum und lud den HFC in Person von Cyrill Akono zum Treffer ein (xG-Wert: 0.97).
Ein klarer Torwartfehler, klar. Vasilj darf in diesem Moment, von Akono unter Druck gesetzt, vieles machen, aber sicher nicht ins Dribbling gehen im Stile einer Bahnschranke. Aber Scheiße passiert und Hauke Wahl machte im Anschluss an die Partie in der Mixed Zone klar, dass das Team Vasilj keinen Vorwurf macht, indem er diese schönen Worte sprach: „Fußball ist ein Fehlersport. Aber auch ein Mannschaftssport. So gewinnen wir zusammen und würden auch zusammen verlieren.“
Doch leider waren der Fehlersport spätestens nach dem 0:1 in der gesamten Mannschaft des FC St. Pauli allgegenwärtig. Viele Pässe nach vorne kamen nicht an, die Anzahl an Ballverlusten vor allem in den Achterräumen war brutal hoch bis inakzeptabel. Und wenn das schon so ist, dann muss zumindest die folgende Defensivaktion passen. Aber das Gegenpressing hat beim FCSP vor allem in der ersten Halbzeit überhaupt nicht stattgefunden. So konnte sich der Hallesche FC mit der Führung im Rücken auf die Defensivarbeit konzentrieren und hatte leider auch wenig Probleme, diese erfolgreich zu bewerkstelligen.
Mit Beginn der zweiten Hälfte wurde das Spiel des FC St. Pauli etwas besser. Das Team blieb bemerkenswert ruhig und versuchte weiterhin, Lösungen zu finden. Und nur wenige Minuten nach Wiederanpfiff zeigte sich, wie diese Lösungen aussehen können: Auf der rechten Seite machte der FCSP durch Ein-Kontakt-Spiel die Situation schnell. Von außen (da zeigte Stevens, was er drauf hat) ging es ins Zentrum und von dort (Irvine) direkt wieder nach außen, dieses Mal aber hinter den HFC-Außenverteidiger in den Raum, wo Guilavogui eingelaufen war. Gefühlt war es das erste Mal, dass es dem FCSP gelang, hinter die letzte Kette von Halle zu kommen. Und das wurde belohnt, weil Guilavogui nicht nur den Raum belief, sondern auch punktgenau zu Eggestein ins Zentrum passte. Ein toller Spielzug, von denen man sich mehr wünschte, weil er einfach zu gut und zu schnell für den Gegner gewesen ist.
Die Minuten nach dem Ausgleich – der übrigens pünktlich um 19:10 Uhr fiel – waren dann auch jene, in denen der FC St. Pauli den sichersten Eindruck machte. Zwar blieb ein Chancenfeuerwerk aus, aber der Druck auf den HFC wurde minütlich größer, die Ballsicherheit des FCSP auch. Blöd nur, dass sich das Team in der 64. Minute dann bei der Restverteidigung im Kollektivschlaf befand und so dem HFC, der diese Situation auch gut ausspielte, erneut zur Führung einlud. Spätestens jetzt wurde ein Ausscheiden in der ersten Pokalrunde ein sehr reales Szenario.
Daran änderte sich auch längere Zeit nichts. Das Spiel hatte eine Art Reset erlebt und der FC St. Pauli agierte wieder ähnlich fehlerhaft und zerfahren, wie noch in den ersten 45 Minuten. Ein verhältnismäßig später Vierfach-Wechsel in der 71. Minute (Saad, Afolayan, Ritzka und Dźwigała kamen ins Spiel) und die damit vollzogene Änderung der Formation auf ein 3-4-3 brachte auch vorerst nichts Zählbares. Komisch eigentlich, weil es durch diese Umstellung gelang, den HFC viel öfter in direkte Duelle auf der Außenbahn zu zwingen, Saad und Afolayan sorgten für einigen Wirbel.
Doch die nackten Zahlen lesen sich brutal: Zwischen der 65. Minute und der Nachspielzeit erarbeitete sich der FCSP nur einen einzigen, völlig harmlosen Torschuss: Treu verzog aus der Distanz – xG: 0.01. Klar, in dieser Phase hatte der HFC auch alle Hände voll damit zu tun, an der Uhr zu drehen und jeglichen Spiel-Rhythmus zum Erliegen zu bringen. Trotzdem war es ziemlich dürftig, dass sich der FCSP in dieser Phase keine ernsthaften Torgelegenheiten erspielte.
Viel besser war hingegen, dass das Team trotz dieses schwierigen Spiels weiterhin versuchte, seine Struktur zu behalten und ganz offensichtlich weiterhin fest daran glaubte, diese Partie noch zu seinen Gunsten drehen zu können. Elias Saad, ein Aktivposten, hatte dann in der Nachspielzeit für die erste gefährliche Szene für das HFC-Tor seit geraumer Zeit gesorgt. Eine Minute später, die Hallenser wähnten sich vermutlich bereits in der zweiten Pokalrunde, segelte ein Ball von der linken Seite in den Strafraum, wo ein Spieler diesen, in bester Stürmer-Manier, unhaltbar für den Torwart zum umjubelten Ausgleich einschoss. Dass es sich dabei um Adam Dźwigała handelte, hätten wohl die wenigsten für möglich gehalten. Er wurde aber für die letzten Minuten ganz bewusst nach vorne in den Angriff geschickt, wie Alexander Blessin nach Abpfiff erklärte. Ein Treffer, wie er eigentlich Top-Stürmern vorbehalten ist, war der Lohn.
Elias Saad sorgte nach seiner Einwechslung für deutlich mehr Wirbel in der Offensive des FC St. Pauli.
(Oliver Hardt/Getty Images/via OneFootball)
Damit ging es in die Verlängerung. Ob der Ausgleich verdient gewesen ist oder nicht, war zu diesem Zeitpunkt natürlich völlig egal. Und das Spiel war nun komplett offen, wenngleich man schon das Gefühl hatte, dass der FC St. Pauli aufgrund des späten Ausgleichtreffers nun etwas die Oberhand hatte und die individuelle Qualität sich mehr und mehr durchsetzte. Es sollten vor allem kräftezehrende Minuten werden, in denen die Gäste zwar etwas mehr vom Spiel und auch mehr Strafraumsituationen hatten, doch wirklich zwingend wurde es nicht. Bis zur 115. Minute…
Und damit zurück zum Vierfach-Wechsel aus der 71. Minute: Als Blessin mit Saad, Afolayan, Dźwigała und Ritzka vier neue Spieler in die Partie brachte, haben sich vermutlich viele FCSP-Fans Jokertore gewünscht. Dieser Wunsch wurde erfüllt. Dass von diesen vier Spielern aber Dźwigała und Ritzka die Torschützen sein würden… ist ziemlich kurios, am Ende aber natürlich scheißegal!Glücklicherweise war auch scheißegal, dass sich Nikola Vasilj nach dem späten 3:2 für den FC St. Pauli nochmal bei zwei Flanken ganz brutal verschätzte. Es folgte mit Abpfiff sichtbare Erleichterung bei allen Beteiligten in Braun-Weiß. Das primäre Ziel, die zweite Pokalrunde, wurde erreicht. Über den Rest allerdings, über eklatante Fehler im Spielaufbau, fehlendes Gegenpressing, mangelnde Restverteidigung und ein 3-4-3 mit Saad und Afolayan, das erneut irgendwie etwas besser zu passen schien, wird zu reden sein.
Ja, im Spiel des FC St. Pauli war ziemlich viel zu sehen, was man als ausbaufähig bezeichnen muss. Da sollte nun ganz genau hingeschaut werden, was da alles nicht richtig passte und warum. Zur Wahrheit gehört aber sicher auch, dass der Vorteil des Halleschen FC aufgrund bereits absolvierter Pflichtspiele vielleicht etwas größer war, als vor dem Spiel angenommen. Darauf deutet zumindest hin, dass auch die beiden anderen Bundesligisten am frühen Freitagabend, Hoffenheim und Mainz, ihre Spiele gegen Viert- beziehungsweise Drittligisten erst per Nachsitzen gewinnen konnten.
Sowieso ist völlig klar: So ein Spiel hätte der FC St. Pauli vor einiger Zeit noch verloren, die Moral stimmt weiterhin. Und so wird aus dem DFB-Pokal, aus dem der FCSP viel zu oft viel zu früh ausgeschieden ist, langsam aber sicher ein Lieblingswettbewerb. Zum vierten Mal in Folge hat man die erste Runde überstanden. Das gab es bisher erst einmal (zwischen 90/91 und 94/95 wurde das gar fünfmal in Folge geschafft). Wenn wir dann zu Beginn der kommenden Saison den Europapokal-Auslosungen beiwohnen, dann wird man sicher milde lächeln und sagen: „Wisst ihr noch, damals? Als sich Adam in Halle als Weltklassestürmer verkleidet hat?“
Immer weiter vor!// Tim
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