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·15. Oktober 2025

Hilfe, ich habe den Sturm geschrumpft!

Artikelbild:Hilfe, ich habe den Sturm geschrumpft!

In Hollywood hätte man den Plot wohl „Honey, I shrank the striker!“ genannt, in Stuttgart heißt es nüchterner: Der VfB hat keinen Mittelstürmer mehr. Dass Sebastian Hoeneß gegen den VfL Wolfsburg ohne echten Neuner dasteht, war von Sportvorstand Fabian Wohlgemuth selbstverständlich nicht so geplant. Dass es so kommen konnte, ist Pech, missratene Transferstrategie in letzter Sekunde, aber auch keine Überraschung.

Wie in jedem guten Familienfilm gibt es unterschiedliche Meinungen, wer schuld ist. Der Boulevard machte aus einem Interview, das ausnahmsweise länger als eine Bildlegende war, gleich ein „Hoeneß hadert mit dem Transfersommer“. Ja, wer hadert eigentlich nicht außer Finanzvorstand Alex Wehrle, der diese Position bekanntlich seit kurzem mitverantwortet?


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Zurückblicken hilft wenig, außer um es in Zukunft besser zu machen. Hoeneß muss hier und heute das Problem nach der Verletzung von Ermedin Demirovic lösen: personell wie taktisch. Seine Möglichkeiten sind vielfältig, aber gleichzeitig begrenzt. Oder, um im Filmgenre zu bleiben: Er hat auf der Mittelstürmer-Position die Wahl zwischen mehreren Nebendarstellern, die plötzlich Hauptrollen übernehmen sollen.

Deniz Undav Der Nationalspieler ist zurück, aber Hoeneß warnt, „ihn von Null auf Hundert zu belasten, wäre unverantwortlich.“ Undav ist kein klassischer Neuner, eher ein Raumdeuter à la Thomas Müller. Seine besten Szenen hat er, wenn jemand anderes in der Hauptrolle vor ihm agiert, aber Woltemade und Guirassy wurden bekanntlich für teurere Produktionen gecastet.

Tiago Tomàs Er kann das spielen, heißt es. Die Frage ist vielmehr: Kann er das gut spielen? Beim nächsten Gegner Wolfsburg nahm er die Position in einigen Spielen ein, überzeugen konnte er in keiner einzigen Partie. Was einerseits an seinem Spielerprofil liegt, andererseits an seiner Wechselhaftigkeit. Ein Spieler zwischen Welt- und Amateurklasse, zwischen Hollywood und B-Movie.

Jamie Leweling Er kann das spielen, heißt es. Die Frage ist vielmehr: Kann er das gut spielen? In Fürth und bei Union nahm er die Position in einigen Spielen ein, überzeugen konnte er in keiner einzigen Partie. Leweling braucht Raum, hat seine Stärken eher nicht im Kopfballspiel und ist überdies angeschlagen von der Nationalmannschaft zurück gekommen.

Silas Nach seiner Verletzung bekam er im Testspiel gegen Elversberg seine ersten Minuten. Eine echte Option ist er aufgrund seiner langen Pause nicht. Zudem ist Hoeneß offenbar kein großer Freund von Silas. Und Silas kein großer Freund von der Position des Mittelstürmers. Nur Bruno Labbadia, der Altmeister des Abstiegskampfs, sah das in ihm. Aber der entdeckte in Waldemar Anton auch einen Rechtsverteidiger.

Mo Sankoh Ich glaube, von außen wollen viele ihn sehen. Hoeneß jedoch ist nicht überzeugt, auch wenn er den Mittelstürmer immer wieder lobt. Sankoh hat sich nach seiner Horror-Verletzung zweifellos entwickelt. Aber auf keine seiner zahlreichen Leihstationen ist er eingeschlagen. Auch wenn er zuletzt sogar U21-Kapitän war, so versemmelte er in der zweiten Mannschaft reihenweise Großchancen. Aber: Elfmeter kann er schießen!

Enis Redzepi Der 17-jährige wurde erstmals zum Training der ersten Mannschaft des VfB Stuttgart eingeladen. Der Stürmer hat aktuell 12 Tore und 6 Assists in nur 9 Spielen für die U19 auf dem Zettel. Ist er eine ernsthafte Option für Hoeneß? Nur für notorische jung-und-wild-Fanatiker, die jedes Nachwuchsspiel für ein Casting halten, ohne den Leistungsstand der Jungs im Detail zu kennen.

Wenig überraschendes Fazit: Personell lässt sich Demirovic nicht 1:1 auffangen.

“Wir werden auf Improvisation und kreative Lösungen angewiesen sein. Ähnliches haben wir auch in der Vergangenheit erfolgreich bewältigt“, sagt Wohlgemuth und meint mit „wir“ in erster Linie Sebastian Hoeneß. Er konnte ja schlecht sagen: „Hilfe Sebastian, ich habe den Sturm geschrumpft – bitte lass’ Dir was einfallen!“ Aber gemeint hat er es so. Nur: Dass der Erfolgstrainer aus dem Nichts wie letztes Jahr mit Nick Woltemade einen neuen Stürmer entwickelt, scheint unrealistisch. Sieben Spiele in 22 Tagen, Bundesliga, DFB-Pokal, Europa League – Woltemade konnte letztes Jahr in Ruhe wachsen (sorry!), diese Zeit gibt es jetzt nicht.

Kann Hoeneß den fehlenden Mittelstürmer systemisch auffangen? Nach dem Motto “Wenn wir schon keinen Mittelstürmer haben, dann spielen wir eben ohne“ und zwingen keinen in diese ungewohnte Rolle. Bedeutet: Immer ein anderer Spieler rückt je nach Spielsituation in die vorderste, zentrale Linie. Das bisher praktizierte 4-2-3-1 wird aufgelöst in ein 4-3-3 oder 4-4-2. Das würde einerseits die gewohnte Statik im zentralen Mittelfeld verändern, andererseits war die Strafraumbesetzung schon mit Demirovic nicht optimal. Ohne ihn wird sie vermutlich nicht besser. Zumal der VfB im bisherigen Saisonverlauf durchaus Probleme hatte, Tore zu schießen. Es wurden also nicht nur die Stürmer, sondern auch die Torschützen geschrumpft.

Bleibt nur die Hoffnung, dass der VfB wenigstens eine Eigenschaft geschrumpft hat, die man ihm stets zuschreibt: seine Begabung, Aufbaugegner zu sein. Die Wölfe warten seit elf Spielen auf einen Heimsieg. Ob der VfB unter diesen Vorzeichen am Samstag ein Happy End feiert?

Bild: Selim Sudheimer/Getty Images

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