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·10. November 2025
Nach Tiki-Taka und Klopps Vollgasfußball: Das ist der neue Erfolgstrend im Fußball

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·10. November 2025

Der Fußball entwickelt sich stetig weiter. Das war schon immer so und wird wohl auch immer so bleiben. In diesem Zusammenhang gibt es regelmäßig einen Trend, der für besonders erfolgreichen oder innovativen Fußball steht und Titel bringen soll. Dieser wird dann von ganz oben bis nach ganz unten nachgeeifert und dabei auch bis in den unteren Amateurbereich kopiert.Doch was ist nach dem Tiki-Taka von Pep Guardiola und dem FC Barcelona, dem Steilklatsch der RB-Schule oder dem "Fußball auf die Fresse"-Stil mit "Gegenpressing als bestem Zehner" von Jürgen Klopp aktuell eigentlich gerade in Mode und angesagt?
Fußballtrends entstehen in der Regel, wenn sich ein bestimmter Spielstil als revolutionär und besonders erfolgreich herauskristallisiert. So war es zum Beispiel vor langer Zeit, als sich der niederländische "Fußball total" von Rinus Michels und Johan Cruyff durchsetzte, aus dem dann letztlich irgendwie auch das weltbekannte "Tiki-Taka" von Pep Guardiola hervorging und den Weltfußball bis heute für immer veränderte.In Großbritannien war es lange das bei vielen verhasste "Kick and Rush”, in Italien der berühmte Abwehrriegel "Catenaccio" und vor nicht allzu langer Zeit begeisterte noch der auf Pressing und Umschaltspiel ausgelegte "Vollgasfußball” von Jürgen Klopp die Fußballfans auf dem Planeten. Drum herum viele weitere Ideen und Auslegungen mehr.

Ihre Fußballideen sind die prägendsten unserer Zeit: Jürgen Klopp und Pep Guardiola / Robbie Jay Barratt - AMA/GettyImages
Jeder Trainer – egal, ob Profi oder Amateur – zieht die Kernessenz der jeweiligen Grundidee heraus und baut seinen eigenen Spielstil darauf auf. Diego Simeone beispielsweise mit einer eher defensiven Ausrichtung, Julian Nagelsmann etwas offensiver mit einer Kombination aus Ballbesitz und umschaltgeprägter RB-Schule. Diese Trends scheinen sich abzuwechseln wie die Jahreszeiten in der Natur und aktuell fragt man sich vielleicht. was eigentlich aktuell Mode im Weltfußball ist. Welche Idee ist aktuell die vermeintlich erfolgreichste, von der auch zahlreiche Amateurcoaches profitieren können? Die Antwort darauf ist so simpel wie fußballromantisch und dennoch unglaublich schwer erfolgreich umzusetzen.
Blickt man auf die aktuell mitreißendsten Teams im Profifußball, dann scheint der Trend klar: Es ist die mannschaftliche Geschlossenheit und das Aufopfern für den Mitspieler, die die Mannschaften nach vorne bringen. Dies zeigt sich in der 2. Bundesliga etwa beim FC Schalke 04 und dem SC Paderborn oder aber auch beim großen FC Bayern München in der Bundesliga. Zuletzt hob Bayern-Star Joshua Kimmich hervor, dass es exakt dieser Wandel des Rekordmeisters und die Rückkehr zur fußballerischen Grundidee ist, die die Münchner in dieser Saison so unaufhaltsam erscheinen lassen.

Steht für aufopfernden Kampf und großen Teamgeist: Joshua Kimmich / BSR Agency/GettyImages
Unter anderem Miron Muslic auf Schalke und Vincent Kompany haben es mit lange vernachlässigten Grundzügen geschafft, die in ihrem Rahmen strauchelnden Giganten wieder in die Spur zu bringen und den Erfolg zurückzuholen. Beide Teams stehen in Deutschland derzeit für einen erfrischenden Wiederaufstieg zu altbekannten Tugenden.Sei es die Dominanz der Münchner oder der Hauch der Eurofighter, der den FC Schalke nach Abstiegsangst in Aufstiegsträume zurückholte. Es basiert auf einem gemeinschaftlichen Teamgedanken und einem aufopferungsvollen Miteinander statt auf vermeintlichen Einzelkünstlern und Diven auf dem Rasen. Keine fancy Taktikkniffe, kein revolutionärer Gedanke dahinter, kein großer Hype - einfach nur die Wurzeln des Spiels wieder in den Vordergrund gestellt.Interessanterweise sind es gerade diese Eigenschaften, die von den Fans jetzt abgefeiert werden und es scheint fast so, als wären die "deutschen Tugenden" von einst jetzt der Trend.

Funktionierendes Gesamtgefüge: FC Bayern München / FRANCK FIFE/GettyImages
Mit diesem Ansatz arbeitet auch Niko Kovac bei Borussia Dortmund. Auch er hat aus dem BVB in kürzester Zeit wieder einen ernstzunehmenden Titelkonkurrenten für den FC Bayern gemacht, den man auch international auf dem Schirm haben muss. Auch sein Erfolg basiert auf Miteinander und Maloche und findet viele Verehrer und Nachahmer. Es war die schlichte Abkehr vom krampfhaften Versuch, zu den spielerisch starken Top-Klubs zu gehören, und ein Zurück zum Ärmel hochkrempeln und Arbeiten, die auch Dortmund wieder gefestigt und nach oben gebracht haben.

Hansi Flick hat den FC Barcelona zurück in die Elite geführt / AFP7/GettyImages
Dieser Trend lässt sich aber auch außerhalb des deutschen Fußballs erkennen. So war es beispielsweise Hansi Flick, der beim FC Barcelona durch die Einführung neuer Regeln genau diesen Teamgedanken förderte und den Verein in der vergangenen Saison wieder zu einem Top-Team machte, was mit der Meisterschaft und dem Pokalsieg gekrönt wurde und die Katalanen auch lange als ernsthaften Anwärter auf einen Champions-League-Triumph erscheinen ließ. Flick erreichte dies, indem er beim FC Barcelona beispielsweise dafür sorgte, dass die Spieler enger zusammenrückten und als Gesamtheit agierten. Sei es durch ein einheitliches Auftreten zu offiziellen Terminen in Vereinskleidung oder durch mehr Zeit an gemeinsamen Trainingstagen. Als geballte Faust bist du eben stärker als fünf schicke Finger alleine. Das kam auch in Barcelona an.

Formte aus einem Verein der Solisten ein starkes Fußball-Orchester: Luis Enrique / Xavier Laine/GettyImages
Auch Paris Saint-Germain feierte mit dem Champions-League-Titel in der vergangenen Saison den größten Vereinserfolg in der Geschichte des französischen Hauptstadtklubs – und das, nach einer Phase in der namhafte Stars wie Lionel Messi, Kylian Mbappé oder Neymar an einer Seite gespielt hatten. Der spanische Coach Luis Enrique formte ein echtes Team und sorgte für mannschaftliche Geschlossenheit auf dem Rasen. Es war die Etablierung einer klaren Teamphilosophie, die auf kollektiver Arbeit, intensiver Trainingsarbeit und taktischer Disziplin basiert statt auf Individualismus und Extrawürsten für verwöhnte Einzelkönnern. Enrique brachte den Erfolg zu PSG, indem er aus einem Verein der großen Solisten ein harmonisch und gemeinschaftliches Fußball-Orchester formte. Meisterschaft und Pokalsieg führten letztlich zum Triple für Paris und den spanischen Coach und belegen ebenfalls den aktuellen Erfolgstrend.
Ähnliches passiert derzeit auch mit großem Murren und Aufsehen bei Real Madrid. Auch der neue Trainer Xabi Alonso versucht, die Königlichen nach seinem eigens erschaffenen Vorbild von Bayer 04 Leverkusen zu einem funktionierenden und spielstarken Gesamtgefüge zu formen. Dabei schreckt der Baske nicht davor zurück, die großen Solokünstler wie Vinicius Junior zurechtzustutzen oder gegebenenfalls sogar abzusägen. Alonso achtet deutlich mehr auf den Teamgedanken, reduziert den Zugang zum Gelände und zu seinem Team auf ein Minimum und erhöht die gemeinsame Zeit, die die Stars der Königlichen gemeinsam als Team verbringen. Die Tabellenführung gibt ihm derzeit recht.

Baut Real Madrid um: Xabi Alonso / Diego Souto/GettyImages
Schafft es der 43-jährige Ex-Leverkusener, seinen Stil auch auf das "weiße Ballett” der Madrilenen anzupassen, dann dürfte Real schon bald wieder eine furchteinflößende Bestie des Weltfußballs werden und die zarten Fußballfüßchen mit der Durchschlagskraft einer Heavy-Metal-Band schwingen.
Heimlich, still und leise zieht es sich durch den Weltfußball, doch es ist klar erkennbar: Der aktuelle Trend geht wieder mehr hin zu Teamgedanken und einem funktionierenden Gesamtgefüge - ohne großes Klimbim. Es geht um Spieler, die bereit sind, sich für ihre Mitspieler auf dem Rasen zu zerreißen, anstatt sich alleine ins Rampenlicht zu stellen. Es sind keine Taktikkniffe die das Rad neu zu erfinden scheinen, sondern eine Rückkehr zu dem, was sich schon vor Jahrzehnten als erfolgreich dargestellt hat. Statt höher, schneller, weiter jetzt einfach wieder zusammen und breiter.Ein Trend, der die Tugenden vergangener Zeiten endlich wieder in den Vordergrund stellt und den Fußball neben all den trickreichen und spektakulären Superstars wieder mehr zu einem Teamsport macht. Eine Entwicklung, nach der sich Millionen von Fußballfans sehnen und die glücklicherweise auch für großen Erfolg steht - und das nicht weniger spektakulär, wenn man den FC Bayern betrachtet. Es ist auch ein Zeichen für viele Jugendfußballer, wie man in diesem Sport nach vorne kommen kann. Gerade bei ihnen hat man in den letzten Jahren festgestellt, dass ihre bevorzugte Fußballtaktik nicht Tiki-Taka, sondern TikTok hieß. Beim Anblick spektakulärer Social-Media-Videos mit trickreichen Highlights von Neymar & Co. dachten viele, das sei Fußball. Ist es aber nicht. Vielleicht gesundet nun auch der Jugendfußball am neuen Trend.
Auch wenn er nicht so gehypt wird wie seine Vorgänger der jüngeren Vergangenheit, ist er bei weitem der Trend, der am meisten Spaß macht. So können auch kleinere Klubs mit wenig Geld und deutlich mehr Geschick Erfolg haben. Bleibt zu hoffen, dass sich dieser Trend nachhaltig festsetzt und auch in Deutschland zahlreiche Nachahmer findet.
Fußball-Trends können auch gefährlich sein. Die deutsche Fußballnationalmannschaft etwa hat sich in der jüngeren Vergangenheit immer wieder an erfolgreichen Trends aus dem Weltfußball orientiert und dabei erheblich an ihrer eigenen Identität verloren.
So war es beispielsweise ein Unding, dem Trend der falschen Neun nachzueifern, wodurch das einstige Stürmerland Deutschland seine Torjäger quasi wegzüchtete. Man hat das Gefühl, dass der DFB auf der Suche nach einem Platz unter den großen Trendsettern seinen eigenen Stil stark vernachlässigt oder gar verloren hat. Oft fragte ich mich: Wer sind wir in Fußball-Deutschland eigentlich und für was wollen wir stehen? Vielleicht jetzt wieder für die Tugenden des aktuellen Trends, was eine Rückkehr zu unserer fußballerischen DNA bedeuten würde. Gepaart mit all seinen wunderbaren taktischen Feinheiten und technischen Wunderdingen.Natürlich hat uns die Weiterentwicklung auch zu einem WM-Titel geführt, doch 2014 war es am Ende auch die mannschaftliche Geschlossenheit, gepaart mit deutschen Tugenden und einem modernen Fußball, die uns an die Weltspitze führten.Unvergessen das Bild eines blutverschmierten und von Krämpfen geplagten Bastian Schweinsteiger. Er steht sinnbildlich für das, was uns den Titel am Ende sicherte. Es war keine besonders attraktive Spielidee oder Taktik-Raffinesse. Erinnern wir uns zurück an einen legendären WM-Satz von Per Mertesacker: "Wat woll'n Se? Wollen Sie eine erfolgreiche WM oder sollen wir wieder ausscheiden und haben schön gespielt?"Ein Visionär und Philosoph, der Per. Und ein Statement, das auch in die anstehende WM passt. Wir wollen eine erfolgreiche WM - egal wie schön es am Ende aussieht.

Der deutsche WM-Held Bastian Schweinsteiger / ODD ANDERSEN/GettyImages
Wenn wir dorthin zurückkehren wollen, dürfen wir nun vielleicht der Hoffnung frönen, dass auch der DFB diesen aktuellen Trend mitgeht und wir im kommenden Sommer mit deutschen Tugenden und mannschaftlicher Geschlossenheit endlich wieder bei einem großen Turnier Erfolg haben. Der aktuelle Trend muss wieder die deutsche Basis des Fußballs werden. Von da aus kann man die Grundidee gerne schmücken - aber bitte nicht zu ausgefallen und nicht jährlich neue Experimente!

Macht auch Bundestrainer Julian Nagelsmann deutsche Tugenden wieder groß? / Alexander Hassenstein/GettyImages
Ein erstes positives Zeichen in diese Richtung war, dass Bundestrainer Julian Nagelsmann bereits nach den Debakeln gegen die Türkei und Österreich beschloss, nicht mehr nach Namen, sondern wirklich nach Leistung zu nominieren und mehr Fokus auf ein intaktes Gesamtgebilde legte. Auch wenn dieser Trend zuletzt Schwankungen erfuhr und Nagelsmann wieder kreativere und teils experimentellere Ansätze verfolgte, bleibt die Hoffnung groß, dass die typisch deutschen Tugenden mit Blick auf die kommende Weltmeisterschaft endlich wieder zum Merkmal des deutschen Fußballs werden und vergangene Erfolge wiederholbar machen.Um eine geschlossene Mannschaft herum, die Schulter an Schulter durch dick und dünn geht und auf leidenschaftlichem Kampf basiert, können dann gerne Jamal Musiala und Florian Wirtz ihre Wunderdinge beisteuern. Um den WM-Titel zu gewinnen, braucht man sicherlich keine glänzenden Lackschuhe mit sexy Schnürsenkeln, sondern kann auch mit Socken in den Badelatschen antreten und mit Nachdruck eine WM-Liege mit dem Handtuch besetzen - Hauptsache gemeinsam!
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