Neuendorf: "Wir wollten alle Beckenbauer sein" | OneFootball

Neuendorf: "Wir wollten alle Beckenbauer sein" | OneFootball

In partnership with

Yahoo sports
Icon: DFB

DFB

·11. September 2025

Neuendorf: "Wir wollten alle Beckenbauer sein"

Am heutgen 11. September wäre Franz Beckenbauer 80 Jahre alt geworden. Als Spieler wurde er mit der Nationalmannschaft 1974 Welt- und 1972 Europameister, 1990 führte er das DFB-Team auch als Teamchef zum WM-Titel. Auf DFB.de würdigt DFB-Präsident Bernd Neuendorf den am 7. Januar 2024 verstorbenen Ehrenspielführer des Deutschen Fußball-Bundes.

Franz Beckenbauer war für Generationen von Fußball-Fans die "Lichtgestalt". Obwohl das ein Widerspruch war. Denn auch wenn er spielte, als scheine ein Licht von irgendwo dort oben nur auf ihn, ließ er diejenigen neben sich nicht im Dunkeln stehen. Er überstrahlte sie nicht, indem er den Scheinwerfer auf der großen Bühne des Fußballs auf sich drehte, so dass der Lichtkegel die anderen nicht mehr erfasste. Sondern ganz im Gegenteil: Er ließ sie an seiner Seite leuchten. Nicht gönnerhaft, sondern selbstverständlich, wie es die Art dieses überragenden Teamplayers war. Er machte sie besser, weil er der Beste war. Der Beste, den der deutsche Fußball je hervorgebracht hat.


OneFootball Videos


Leichtigkeit und Eleganz

Den Moment seines größten Triumphes, als er in den erlesenen Kreis derjenigen aufstieg, die als Spieler und als Trainer Weltmeister wurden, verbrachte er sogar abseits des Scheinwerferlichts - am Mittelkreis im Olympiastadion von Rom. Er hatte seine Spieler zum Leuchten und sie mit dem golden strahlenden WM-Pokal zusammengebracht, den er 16 Jahre zuvor selbst als Kapitän in Empfang genommen hatte. Nun überließ er ihnen jede Sekunde des Rampenlichts. Franz Beckenbauer betrat den Platz nie im Selbstverständnis, das Flutlicht scheine nur für und auf ihn. Weder als Spieler noch als Tainer.

Er hat nicht nur die Augen derjenigen zum Leuchten gebracht, die das Glück hatten, ihn selbst spielen zu sehen. Für ein Lächeln voller Anerkennung reichte und reicht immer noch allein die Erwähnung seines Namens. Und zwar rund um den Erdball. Auf die Nachricht seines Todes reagierte die Welt Anfang vergangenen Jahres deshalb auch mit Bestürzung und unzähligen Beileidsbekundungen. Die Welt, die er einst umrundete, um sie zu Freunden nach Deutschland einzuladen. Zu seiner Weltmeisterschaft. Die 2006 dann so leicht und lebensbejahend daherkam wie er selbst. Franz Beckenbauer hatte nicht nur das Turnier zum Leuchten gebracht, sondern ein ganzes Land.

Wir Deutschen waren über unsere plötzliche Lockerheit und Lebensfreude fast selbst überrascht - Franz Beckenbauer dagegen hatte schon immer Leichtigkeit und Eleganz verkörpert, auf dem Platz wie im Leben. Er wurde zu einem Weltstar, den es 1977 nach New York, in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten zog. Weil er selbst nicht nur ein Fußballer, sondern ein Mensch der unbegrenzten Möglichkeiten war. In New York spielte er im Trikot von Cosmos Seite an Seite mit einer weiteren Legende, dem brasilianischen Weltmeister Pelé. Und er traf auf einen weiteren Allergrößten seines Metiers, den Box-Weltmeister Muhammad Ali. Über den der Schriftsteller Wolf Wondratschek einst schrieb: "Er bewegte sich, als könne er im Regen boxen, ohne nass zu werden." Franz Beckenbauer bewegte sich, als könne er das mit dem Ball am Fuß. Majestätisch, erhaben.

Genie, Vorbild, Ikone

Ein Jahr vor seinem Tod hatte ich das große Glück, in Salzburg mit Franz Beckenbauer und seiner Frau Heidi zu einem längeren Gespräch zusammenzukommen. Es war einer seiner wenigen Termine, die der Familienmensch noch wahrnahm. Denn auch der Fußball war seine Familie. Und auch wenn ich ihn erst an diesem Tag persönlich kennenlernen durfte, so hatte ich ihn doch, wie so viele meiner Generation, schon viele Jahrzehnte lang bewundert und verehrt. 1974 war das erste Turnier, das ich als damals 13-Jähriger wirklich bewusst wahrgenommen habe. Ein Turnier, das Franz Beckenbauer prägte und als Kapitän mit unserer Nationalmannschaft, seiner Nationalmannschaft, gewann.

Auf dem Bolzplatz wollten wir damals natürlich Beckenbauer sein, weil er das Idealbild eines Spielers verkörperte. Und dieses Gefühl ist über all die Jahrzehnte nie verschwunden. Jeder wollte sein wie "der Franz", wie er sich selbst oft so herrlich unprätentiös vorstellte. Das Genie, das Vorbild, die Ikone. Was mich immer an Franz Beckenbauer fasziniert hat: Der Kaiser hat sich nie über sein Volk erhoben, sondern begegnete jeder und jedem mit Respekt. Auf den Thron gehoben haben wir ihn, nicht er sich selbst. Weil er dort hingehörte.

Danke für alles, Franz!

Die Entwicklung der Nationalmannschaft und des DFB sind ohne die herausragenden Erfolge des Spielers, Kapitäns, Ehrenspielführers, Teamchefs und Funktionärs Franz Beckenbauer nicht vorstellbar. Wir haben ihm unendlich viel zu verdanken. Er hat nicht nur Titel gewonnen, sondern Herzen. Er hat aus dem deutschen Fußball eine Weltmarke gemacht. Er war der perfekte Botschafter des Fußballs "Made in Germany".

Und auch der FC Bayern München hätte sich wohl kaum zum deutschen Rekordmeister, zu einer globalen Marke entwickeln können ohne den Grundstein des Erfolges, den Franz Beckenbauer und seine Spielergeneration gelegt haben.

Beim ersten Turnier auf deutschem Boden führte Beckenbauer seine Mannschaft 1974 als Kapitän zum WM-Titel, bei der EM 1988 stand er als Teamchef an der Seitenlinie, 2006 schwebte er als Organisator, als Gesicht des Turniers über der Weltmeisterschaft. Und wir haben die EM 2024 auch ihm zu Ehren ausgerichtet. Wie künftig jedes Jahr den Franz Beckenbauer Supercup, den wir gemeinsam mit der DFL nach der größten Persönlichkeit des deutschen Fußballs benannt haben. Dass vor wenigen Wochen zur ersten Ausgabe sein Sohn Joel den Pokal vor Anpfiff mit in die Arena hereingetragen hat, hat nicht nur mich sehr bewegt.

Im Namen des DFB und ganz persönlich sage ich: Danke für alles, Franz! Wir werden dich nie vergessen.

Impressum des Publishers ansehen