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·18. Juli 2024
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·18. Juli 2024
Die Befürchtungen der Fans haben sich bewahrheitet: Lena Oberdorf hat sich im Spiel gegen Österreich eine Kreuzbandverletzung zugezogen. Auch das Innenband ist betroffen. Der klare 4:0-Erfolg wird so zum Pyrrhussieg. Regelmäßige Zuschauer beim Frauenfußball ist die Bewegung inzwischen bestens bekannt, die zum Kreuzbandriss führt.
Ein Wegrutschen, ein Knack, schmerzverzerrtes Gesicht. Zahlreiche Topspielerinnen wie Sam Kerr oder Leah Williamson hat die Verletzung in letzter Zeit erwischt. Bei Oberdorf selbst gab es auch schon die ein oder andere Schrecksekunde - bis nun war ihr Knie aber immer stabil geblieben. Jetzt steht fest, dass die 22-Jährige lange ausfallen wird - etwa neun Monate dauert es normalerweise bis zum Comeback.
Ein harter Schlag für Oberdorf, die nach ihrem Wechsel aus Wolfsburg zu Bayern eigentlich in München durchstarten wollte und eine Schlüsselrolle bei Olympia gehabt hätte. Interimstrainer Horst Hrubesch war nach der Verletzung bereit, "eine Nacht zu beten", aber konnte auch damit die Diagnose nicht verhindern.
Jetzt muss Hrubesch kreativ werden. Einen Eins-zu-Eins-Ersatz für Oberdorf gibt es im deutschen Kader nicht: Ihre Defensivstärke und Robustheit, gepaart mit Offensivdrang und einer guten Spieleröffnung, sind einzigartig. Einen perfekten Ersatz gibt es nicht.
Es ist ja nicht so, als hätten die DFB-Frauen noch nie ohne Lena Oberdorf gespielt. Das letzte Mal ist auch nicht lange her, aber Hrubesch hat wohl nicht die besten Erinnerungen daran: Nur wenige Tage vor Oberdorfs Verletzung verlor Deutschland ohne sie mit 0:3 gegen Island. Nach einer unkreativen Leistung war es eine verdiente Niederlage, und das Mittelfeld erwies sich wieder als Problemzone.
Auch mit Oberdorf in der Startelf war das schon ein Thema gewesen, vor allem bei der verkorksten WM 2023. Da auch Oberdorfs Bald-Vereinskollegin Sydney Lohmann nicht komplett fit ist, Sara Däbritz verletzt ausfällt, Melanie Leupolz ihren Rücktritt aus dem Nationalteam erklärt hat und Lina Magull nicht von Hrubesch nominiert wurde, ist die Besetzung im Mittelfeld eher dünn.
Der kleine 18er-Kader bei Olympia macht die Situation nicht besser. Die Situation könnte den weniger erfahrenen Spielerinnen zugutekommen: Sjoeke Nüsken und Elisa Senß gehörten beide bislang nicht immer zur ersten Garde im DFB-Team - Senß ist sogar erst im Herbst das erste Mal für die DFB-Frauen aufgelaufen -, könnten jetzt aber eine Chance bekommen.
Das Duo stand gegen Island in der Startelf, womit sie immerhin eine minimale Erfahrung haben - andererseits war es eben keine besonders erfreuliche Erfahrung. Beide sind es gewohnt, im defensiven Mittelfeld aufzulaufen.
Elisa Senß: Ein anderer Typ als Oberdorf / Jürgen Fromme - firo sportphoto/GettyImages
Senß, die im Sommer von Leverkusen nach Frankfurt wechselt, ist eine klassische spielstarke Sechserin. Technisch ist Senß ganz vorne dabei, kann sich auch unter Druck mit einem geschickten Dribbling befreien und sucht im Zweifel immer den Pass, statt einfach die Kugel rauszukloppen. Mit ihren 1,61 Metern ist die 26-Jährige dagegen in der Luft keine Macht. Horst Hrubesch gilt als Fan, lobte sie nach ihrem Debüt im letzten Herbst über den grünen Klee. Senß hat also ein ganz anderes Profil als Oberdorf.
Das kann für die DFB-Frauen interessante Möglichkeiten eröffnen, aber Oberdorfs Abwesenheit hinterlässt vor allem ein Abräumer-Vakuum, auch wenn die 22-Jährige nicht auf diese Rolle reduziert werden sollte. Ihre Lücke kann daher auch nicht von einer einzelnen Spielerin gefüllt werden, sondern das Zusammenspiel zwischen Abwehr und Mittelfeld muss wohl anders organisiert werden.
Auch Sjoeke Nüsken kann zwar verteidigen, hat ihre Stärken aber mehr in der Offensive. Das hat der FC Chelsea erkannt, bei dem Nüsken seit letztem Sommer spielt: Während sie für Eintracht Frankfurt noch auf der Sechs oder in der Innenverteidigung spielte, wird Nüsken in England jetzt offensiver eingesetzt.
Nach Oberdorfs Verletzung war Nüsken diejenige, die für Oberdorf eingewechselt wurde. Ein direkter Ersatz für sie ist die 23-Jährige aber nicht. Vielmehr könnte Nüsken von einer generellen Positionsrotation im Mittelfeld profitieren und so in die erste Elf rücken.
Sjoeke Nüsken hat sich bei Chelsea weiterentwickelt / Visionhaus/GettyImages
Ein dritter "Rookie" im Mittelfeld ist Janina Minge. Nach ihrer starken Saison 2022/23 durfte sie die erste Luft im DFB-Team schnuppern, war bei der Weltmeisterschaft aber nur erste Ersatzspielerin und nicht im Kader. Auch Hrubesch entschied sich zunächst dafür, Minge bei Olympia zuhause zu lassen.
Die Neu-Wolfsburgerin dürfte aber nach Oberdorfs Olympia-Aus die besten Chancen auf eine Nachnominierung haben. Das liegt maßgeblich an ihrem starken Auftritt in Hannover: Minge bekam vor 43.953 von Beginn an eine Chance und nutzte diese mit einer fleißigen Performance nach vorne und hinten. In Freiburg spielte sie vergangene Saison vor allem in der Innenverteidigung sowie im defensiven Mittelfeld.
Minge ist eine engagierte Spielerin, die auch ihre Torgefahr schon unter Beweis gestellt hat. Gegen Österreich funktionierte das Zusammenspiel zwischen ihr und der eingewechselten Senß gut - aber die beiden hatten auch noch Lena Oberdorf an ihrer Seite, die einiges der dreckigen Arbeit abnahm. Das Mittelfeldtrio Nüsken-Senß-Minge scheint also wie eine wahrscheinliche Option.
Janina Minge (rechts) überzeugte gegen Island / Hulda Margret/GettyImages
Wie genau das aussehen könnte, und wer dann welche Rolle einnehmen würde, das ist wegen der Flexibilität der drei Spielerinnen noch schwer zu sagen. Fest steht aber, dass mit dieser Formation auch ein gewisses Risiko einhergeht. Senß und Minge haben diese Saison bei Leverkusen und Freiburg gespielt, also nicht auf höchstem Niveau oder in der Champions League. Und das Trio hat kaum Erfahrung im Zusammenspiel. Es wäre ein riskanter Schachzug von Hrubesch.
Auch andere Lösungen wären denkbar. Im Kader der DFB-Frauen stehen einige Spielerinnen, die zwar am liebsten an anderen Ecken des Spielfelds zu finden sind, aber auch schon auf der Sechs gespielt haben.
In diese Kategorie fällt etwa Marina Hegering, die dort schon Oberdorf bei Wolfsburg vertreten hat. Hegering ist sehr erfahren und könnte für eine bessere Kommunikation mit der Verteidigung sorgen, andererseits ist die 34-Jährige nicht die Schnellste und verletzungsanfällig.
Alexandra Popp hat schon ungefähr jede Position mal gespielt, darunter auch im defensiven Mittelfeld. Die DFB-Kapitänin würde Führungsstärke mitbringen und könnte ihre unerfahreneren Kolleginnen anleiten. Dann wäre die 33-Jährige aber nicht mehr im Sturm verfügbar.
Hrubesch hat also einiges abzuwägen, eine einfache Lösung gibt es nicht. Auch bei anderen Positionen herrscht noch Unklarheit, allen voran im Tor. Wer weiß, vielleicht können ja zwei Fliegen mit einer Klatsche geschlagen werden, indem Merle Frohms oder Ann-Katrin Berger einfach eine neue Berufung im Mittelfeld suchen?