MillernTon
·8. Oktober 2025
Pause, Ruhe, Gelassenheit

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·8. Oktober 2025
Die Länderspielpause ist für den FC St. Pauli die Chance zur Ruhe zu finden. Inner- und außerhalb des Teams.(Titelfoto: Stefan Groenveld)
Ein Kommentar von Tim
Auf dem Trainingsplatz des FC St. Pauli ist aktuell deutlich weniger los. Am Dienstag fehlten dem Team ganze neun Spieler, die sich auf Reisen mit ihren Nationalteams begeben haben. Neun Nationalspieler – das ist, auch wenn ich es nicht geprüft habe, sicher ein Rekord für den FC St. Pauli. Und selbst wenn man persönlich von Länderspielpausen und Nationalteams eher wenig halten mag, so muss klar festgehalten werden: Wenn man die nominierten Spieler darauf anspricht, dann ist dort eigentlich immer großer Stolz herauszuhören. Für den FCSP ist es ebenso eine Auszeichnung, wenn Spieler nominiert werden.
Stolz ist man beim FC St. Pauli hingegen sicher nicht auf die letzten drei Ligaspiele. Nach dem Ärger über die nicht gute Leistung gegen den VfB Stuttgart und die unglückliche Niederlage gegen Leverkusen, gab es nun zuletzt Ärger über eine nicht gute Anfangphase und fehlende offensive Durchschlagskraft in Bremen. Diese drei Niederlagen in Serie zeigen: Die Lücke ist (noch) vorhanden.
Und mit diesen drei Niederlagen muss der FC St. Pauli nun erstmal etwas länger klarkommen. Es gibt nicht die Möglichkeit diese Serie schnellstens zu beenden. Stattdessen sorgt die Länderspielpause dafür, dass der FC St. Pauli länger auf die Chance warten muss wieder etwas Zählbares zu holen. Ein Problem? Für Eric Smith ist die Sachlage eindeutig: „Of course it sucks, that we are coming now to a break.“ Aber es gibt auch Vorteile, die diese Länderspielpause bietet.
Was genau für den FC St. Pauli einer der Vorteile der Länderspielpause und der vielen reisenden Nationalspieler ist, erklärte James Sands nach Abpfiff in Bremen sehr nachvollziehbar: „Auf der einen Seite möchtest Du alle beisammen haben, um an den Dingen zu arbeiten. Auf der anderen Seite: Wenn du drei Spiele in Folge verlierst, dann ist es vielleicht ganz gut, wenn man einen Reset-Knopf findet. Zum Beispiel, indem Spieler mit ihren Nationalteams unterwegs sind. Ich denke, daher kann es durchaus hilfreich sein, so lange wir fokussiert zurückkommen, weil als nächstes ein wichtiges Heimspiel ansteht.“
Auch Alexander Blessin sieht das ähnlich. Der FCSP-Cheftrainer erklärte zwar, dass er sehr gerne ein Testspiel am Mittwoch in Hannover bestritten hätte, es aber aufgrund der vielen fehlenden Spieler einfach keinen Sinn mache. Denn es fehlen nicht nur neun Nationalspieler, sondern auch einige verletzte Spieler, sowie jene, die am Samstag für die U23 (bei Hannover 96 II im Einsatz) eingeplant sind. Zur Unzeit komme die Länderspielpause nun aber nicht, so Blessin: „Neun Spieler sind bei der Nationalmannschaft, kriegen wieder ein bisschen anderen Input, werden dadurch abgelenkt, haben vielleicht Erfolgserlebnisse. Dann kommt man wieder zusammen und hat wieder ein gemeinsames Ziel. Da müssen wir natürlich schauen, dass wir das sauber und schnell auf der einen Seite abhaken und dann auch wieder den Fokus finden.“
Den Fokus (wieder)finden und sich auf ein gemeinsames Ziel konzentrieren. Das wäre in der Tat hilfreich. Denn es ist schon auffällig, dass es rumort, sowohl inner- als auch außerhalb des Teams. In den letzten Tagen musste ich mich zwischendurch fragen, ob man bei einem Fußballclub oder in einem Trash-TV-Format gelandet ist. (Inzwischen gelöschte) Schlammschlachten via Instagram, (öffentlich erklärte) Undiszipliniertheiten von Spielern, sensible Interna, die den Weg an die Öffentlichkeit finden – das gehört sicher irgendwie zum Alltag eines Bundesligaclubs, total ätzend ist es trotzdem. Denn es sorgt für keine gute Außendarstellung des FC St. Pauli. Von außen betrachtet scheint es besser zu sein, wenn man Dinge intern regeln würde, sie nicht in die Öffentlichkeit trägt. Die Themen rund um Jackson Irvine und Dapo Afolayan sind natürlich nicht miteinander vergleichbar, aber sie scheinen sich in einem negativen Teufelskreislauf zu befinden – und für nichts und niemanden wird die Situation besser, wenn Konflikte erst in die Öffentlichkeit getragen und dann dort ausgetragen werden. Das letzte Mal als der FCSP für ähnlich viele Schlagzeilen neben dem Platz sorgte war im Frühjahr 2022, kurz bevor der Aufstieg verspielt wurde. Gewinner gab es damals keinen.
Ruhe und Gelassenheit wären gut, auch wenn ich weiß, dass diese Eigenschaften aktuell nicht unserer Zeit entsprechen. Doch was von außen in einzelne Aktionen hineininterpretiert wird, was spekuliert und gemutmaßt wird, dass ist wirklich unangenehm. Klar, wir alle beschäftigen uns liebend gerne und hochemotional mit unserem Club. Und wir alle nutzen unsere Leidenschaft auch, um dem Alltag zu entfliehen. Es ist also völlig normal und auch gut, wenn es emotional zur Sache geht, wenn leidenschaftlich diskutiert wird. Nichts wäre für einen Profifußballclub schlimmer, wenn er diese Emotionen nicht erzeugen würde. Trotzdem sollten sie nicht jegliches Maß und jegliche Mitte verlieren.
Das gilt nicht nur für unzählige Meinungsäußerungen zu Themen abseits des Fußballplatzes. Auch die Anzahl an arg enttäuschten Stimmen über die drei Niederlagen – die zeigen, dass der FC St. Pauli wohl auch diese Saison Probleme bekommen könnte in die Champions League einzuziehen – ist sehr auffällig. Leute, was habt ihr erwartet?! Wir sind hier nicht beim Football-Manager, wo man mit ein paar cheat-codes (im „echten“ Fußball wären das so ungefähr Finanzspritzen in Höhe von ein paar hundert Millionen Euro) mal eben innerhalb von zwei Jahren vom Aufsteiger zum CL-Club wird und aus einem Zweitligakader eine Millionentruppe macht! Die Erwartungshaltung einiger ist (vermutlich verstärkt durch den guten Saisonstart) völlig absurd. Na klar, der FCSP ist besser als in der Vorsaison. Na klar, ich möchte auch den maximalen sportlichen Erfolg. Aber wenn die Erwartungshaltung jede rationale Basis verlässt und aus Träumen plötzlich völlig überzogene Ansprüche werden, dann ist das kontraproduktiv.
Die Länderspielpause ist für den FC St. Pauli also vor allem eines: eine Chance. Eine Chance, dass endlich wieder etwas Ruhe einkehrt.
// Tim
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