Rund um den Brustring
·12. Januar 2025
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·12. Januar 2025
Der VfB startet erfolgreich ins neue Jahr, macht sich aber nach starkem Beginn das Leben in Augsburg wieder unnötig schwer. Ist das das berühmte Pferd, dass das Hindernis gerade so überwindet oder hat die Mannschaft gegen solche Gegner ein grundsätzlicheres Problem?
Irgendwann Mitte der zweiten Halbzeit fuhr ich dann wirklich mal aus der Haut. Anthony Rouault bekam den Ball von Alex Nübel auf rechts zugespielt und entschied sich für eine riskante oder vielmehr fahrlässige Form der Spieleröffnung. Halbhoch, mit halber Kraft flog der Ball quer durch die Stuttgarter Hälfte und wurde dankbar von einem Augsburger Offensivspieler aufgesammelt. Unser und Rouaults Glück: Der FCA war am Sonntagabend wesentlich ungefährlicher als der FC St. Pauli kurz vor Weihnachten. Da führte nämlich der exakt gleiche Pass zum Tor von Eggestein, welches am Ende auch der Siegtreffer sein sollte. Dass dem VfB auch zum Restrundenauftakt solche Pässe unterliefen, ist ein alarmierendes Zeichen, denn offensichtlich hat man sich das Spiel gegen die Hamburger nach Weihnachten nicht noch einmal genauer angeschaut. Denn Rouaults war nicht der einzige fahrlässige Querpass, den die VfB-Defensive fabrizierte. Dass Augsburg am Ende auf einen expected goals-Wert von lediglich 0,22 kam, lag vor allem an ihrer völlig indisponierten Offensive, die am laufenden Band field goals erzielte, aber eben keine Fußballtore.
Und wäre da nicht Deniz Undav gewesen und hätte der nicht allem Anschein nach — anders als ich es am Fernseher vermutete — doch nicht im Abseits gestanden, dann wäre das für den VfB ein sehr frustrierender Abend geworden, der eigentlich sehr gut begann. Die Mannschaft begann das Spiel genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte: Wach, mit Zug zum Tor, mit gutem Laufspiel und konzentrierten Pass-Stafetten. Vieles sah so aus, wie wir es von letzter Saison gewohnt waren und Augsburg war von der spielerischen Qualität eindeutig überfordert — dabei hatten wir noch nicht mal Undav und Leweling drauf. Relativ schnell wurde aber auch deutlich, woran es zuletzt ohne die beiden auch gehakt hatte: Ermedin Demirovic hatte Chancen für drei Tore, machte aber keines. Seinen zentralen Kopfball parierte Finn Dahmen noch, einen weiteren Kopfball und einen Abschluss mit dem Fuß setzte er völlig daneben. In einer Situation, in der ein Tor so wichtig gewesen wäre und das Spiel angesichts der Augsburger Harmlosigkeit vermutlich schon früher entschieden hätte.
Aber irgendwann so um die 30. Minute rum, hörten die Bälle plötzlich auf, gefährlich in den Augsburger Strafraum zu fliegen. Es war, als sei die Mannschaft enttäuscht, dass ihr großes Engagement in der ersten halben Stunde nicht zum Erfolg geführt hatte und als versuche sie nun, das gleiche mit etwas weniger Einsatz zu erreichen. Es häuften sich Abspielfehler im Spielaufbau und verlorene Bälle, die Laufbereitschaft sank. Gleichzeitig versuchten die Brustringträger, weiterhin das gewohnte Aufbauspiel aufzuziehen, was aber angesichts mangelnder Präzision häufig misslang und Augsburg zu — glücklicherweise — letztlich ungefährlichen Gegenstößen einlud. Bezeichnend war der Freistoß, den der VfB in der eigenen Hälfte erhielt und der ohne Not vor den Füßen eines Augsburgers landete. Wäre dieses Spiel im alten Jahr gewesen, hätte man mit Verletzungen und Belastung sicherlich viele Gründe für diesen Spannungsabfall finden können. Nach drei Wochen Pause und mit besserer Personalsituation fällt mir keiner ein. Außer dass es der Mannschaft in solchen Spielen, in denen sie favorisiert ist und das auch merkt, nicht in der Lage ist, die Intensität des Gegners mitzugehen. Da gehen Zweikämpfe in wichtigen Bereichen des Spielfelds verloren und an frei herumhoppelnden Bällen ist zuerst der Gegner dran.
Das wirkt nach einem 1:0‑Sieg, was es ja in dieser Saison auch nicht so häufig gab, erstmal reichlich negativ. Nicht, weil mir ein 1:0 gegen Augsburg zu wenig wäre. Ich nehme jeden Sieg, egal wie er aussieht. Aber weil es wirklich verdammt knapp war und der VfB sich wie schon gegen offensiv ähnlich limitierte Gegner wie Hoffenheim und St. Pauli erneut unnötig um den Lohn gebracht hätte. Was die Spieler können, sah man in der ersten halben Stunde genauso wie bei Stillers traumhaften Heber und Undavs durchsetzungsstarken Abschluss. Aber aus irgendeinem Grund fordert sie ihr Glück immer wieder heraus. Vielleicht hatte sie schon die anstrengenden nächsten Wochen im Hinterkopf und war der Meinung, es würde schon auch so für Augsburg reichen und man müsse sich für Leipzig und Freiburg schonen? Ich weiß es nicht. Ich freue mich sehr über den Sieg und ein weiteres Spiel zu Null, aber es ist anstrengend zu sehen, wie mühsam diese Siege zustande kommen, wenn der VfB doch eigentlich alles in der Hand hat. Zum Abschluss noch etwas Positives: Jacob Bruun Larsen kam zum genau richtigen Zeitpunkt rein und stach mit schnellen Sprints und gezielten Abspielen immer wieder in die Lücken, die Augsburg gegen Ende des Spiels offen ließ. Für den ersten Auftritt nach wenigen Tagen mit der Mannschaft also durchaus in Ordnung.
Klar ist: Gegen die nächsten Gegner kann man so nicht auftreten und vermutlich wird die Mannschaft das auch nicht tun. Vielleicht hatte der Spannungsabfall auch wirklich etwas mit der Qualität des Gegners zu tun, vielleicht sind die Sinne gegen Xavi Simons und Vincenzo Grifo wieder schärfer. Auf jeden Fall halten wir aktuell weiter die Schlagdistanz zu den Europapokalplätzen und haben unterm Strich den oft mit Spannung erwarteten Auftakt ins neue Jahre erstmal gemeistert. In den nächsten Wochen braucht es trotzdem mehr als einen Deniz Undav.
Titelbild: © Sebastian Widmann/Getty Images