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Niklas Levinsohn·27. September 2019
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Niklas Levinsohn·27. September 2019
In der vergangenen Woche hat der Fußball mal wieder mit unschönen rassistischen Ausfällen auf sich aufmerksam gemacht. Doch auch die Reaktionen darauf waren nicht einwandfrei.
Ein schlechter Scherz unter Teamkollegen, mit dem Handtuch um die Hüfte und dem (alkoholfreien) Bier in der Hand gesprochen, kassiert schlimmstenfalls eine patzige Antwort und verliert sich dann in der vom Wasserdampf aufgeheizten Umkleidekabine. Ein schlechter Scherz unter Teamkollegen, leichtfertig auf dem eigenen Twitter-Profil veröffentlicht, kann einen schon mal in Windeseile zum Rassisten machen, wie Manchester Citys Bernardo Silva diese Woche erfahren musste.
Der Portugiese postete einen ehrlicherweise ziemlich dämlichen Tweet, in dem er ein Kinderfoto seines Mannschaftskameraden Benjamin Mendy mit dem spanischen Schokoladenmännchen der Marke Conguitos verglich. Wer hier Rassismus sieht, der hat zunächst einmal recht. Die überzeichneten Gesichtszüge der Figur bewegen sich in der Tradition amerikanischer Minstrel Shows aus dem 19. und 20. Jahrhundert, in denen weiße Darsteller mittels Blackfacing Vorurteile und diskriminierende Stereotype über People of Color bedienten und verstärkten.
Rassismus kommt eben nicht nur glatzköpfig und an der Schnürsenkelfarbe leicht identifizierbar daher, sondern nimmt auch vermeintlich harmlosere Formen an. Es muss nicht einmal eine böse Absicht vorliegen, um etwas rassistisches zu sagen oder zu schreiben. Bernardo Silva ist da das beste Beispiel. Denn böse Absicht ist dem 25-Jährigen nun wirklich nicht zu unterstellen. Mendy und ihn verbindet eine langjährige Freundschaft aus gemeinsamen Monaco-Zeiten.
So richtig es ist, zu betonen, warum Silvas Tweet rassistisch war, so falsch ist es aber auch, den Offensivmann auf alle Ewigkeit als Rassisten brandmarken zu wollen. Sein Trainer Pep Guardiola hat recht, wenn er sagt: „Sie urteilen über ihn anhand eines Witzes, ich anhand der letzten drei gemeinsamen Jahre.“ Es zeugt von einer ungesunden Verflechtung unserer Gesellschaft mit den sozialen Medien, dass viele sich auf Basis eines Tweets im Bilde über einen Menschen wähnen, mit dem sie noch kein Wort in ihrem Leben gewechselt haben.
Der unbestrittene König der sozialen Medien, wenigstens im Herrschaftsgebiet des Fußballs, ist wohl der englische Twitter-Account der AS Rom. 500.000 Follower, zuweilen brillanter Humor und ein Auge für soziale Themen. In diesem Sommer vermeldeten die Giallorossi jeden Transfer gemeinsam mit der Vermisstenanzeige eines verschwundenen Kindes. Gleich mehrere konnten gefunden werden. Nun hat der sonst so fabelhafte Roma-Account allerdings einen Tweet abgesetzt, der ein wenig Unbehagen mit sich bringt.
Offenbar hat ein selbsternannter Fan des Hauptstadtklubs Innenverteidiger Juan Jesus in dieser Woche per Instagram-Direktnachricht rassistisch beleidigt. Wir verzichten an dieser Stelle auf die Übersetzung. Der Brasilianer machte den Chatverlauf in seiner Instagram-Story öffentlich und markierte in dem Beitrag auch gleich seinen Arbeitgeber. Die Reaktion der Roma? Ein lebenslanges Stadionverbot für den Verfasser, aber eben auch ein Teilen der Nachrichten sowie des unzensierten Profils des Übeltäters.
Gegen die Maßnahme, den Mann mit einem Stadionverbot zu belegen, gibt es wahrlich nichts einzuwenden. Eine Entscheidung, die nachvollziehbar ist und gerne auch geteilt werden darf. Insbesondere mit Hinblick auf die Untätigkeit des italienischen Ligaverbands, der sich zwar gerne in Lippenbekenntnissen übt, aber bei den sich häufenden rassistischen Zwischenfällen in den Stadien weiterhin gerne die Drei-Affen-Taktik bemüht. „How dare you?“, würde Greta Thunberg fragen.
Problematisch bleibt es trotzdem, den Autor der rassistischen Nachrichten dem urteilsfreudigen Twitter-Tribunal derart preiszugeben. Auch wenn das in solchen Momenten kaum jemand hören möchte: Rassisten haben ebenfalls ein Recht auf Privatsphäre. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ein möglicher Arbeitgeber über diesen Tweet stolpert. Oder dass der Junge, der im Bild oben rechts zu sehen ist, Freunde hat, die über diesen Tweet stolpern. Ob er auch ein Rassist ist? Wer weiß das schon. Sippenhaft ist jedenfalls zurecht ein Relikt der Vergangenheit.
Am Ende geht es also wie so oft im Leben um die Verhältnismäßigkeit. Das Argument, hier sei nun mal ein abschreckendes Exempel statuiert worden, greift zu kurz. Es ist nie eine gute Idee, die eine Dummheit mit einer anderen auszugleichen. Das wäre ja fast so, als würde man keine Bayern-Spieler mehr für die deutsche Nationalmannschaft abstellen wollen, falls ein ganz bestimmter Bayern-Spieler in der Hierarchie ins zweite Glied rutschen sollte. Aber das ist ein anderes Thema.