FC Bayern München
·7. August 2025
Zu Besuch bei Ex-Bayer Javi Martínez

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·7. August 2025
Idyllisch ist es zu Hause bei Javi Martínez. Wer ihn in Ayegui besucht, sollte aber auf Abenteuer gefasst sein. Dem FC Bayern-Magazin „51“ hat er gezeigt, wie ihn sein Heimatdorf geprägt hat – und warum München zu seiner zweiten Heimat wurde.
Zum Treffpunkt mitten in Ayegui kommt Javi mit der Vespa. Der Ort ist klein, die Straßen sind schmal, die Häuser leuchten rotgolden in der Sonne. Alles wirkt freundlich und aufgeräumt. Hier ist Javi also aufgewachsen. In seiner Kindheit sei das Dorf nur halb so groß gewesen wie heute, erzählt er. Aber das Wachstum wundert ihn nicht. „Wer nach Ayegui kommt, der bleibt“, meint er. Auch ihn zieht es immer wieder hierher zurück. Eigentlich ist er ja vor 19 Jahren weggegangen. Erst nach Bilbao, dann nach München, schließlich nach Doha. Aber wenn er freihat, so wie jetzt Anfang Juli, kommt er nach Hause. „Die Menschen hier kennen mich, seit ich klein war. In Ayegui bin ich nicht der Fußballer, sondern einfach Javi. Deswegen liebe ich es, hier zu leben.“
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Zu Fuß geht es zur Iglesia San Martín, der kleinen Kirche im Zentrum. Direkt daneben liegt ein gepflasterter Platz, in der Mitte ist das Ortswappen in den Boden eingelassen, zwei gekreuzte Kanonen mit einer Krone. „Meine erste Allianz Arena“, grinst Javi. Als Kind hat er jeden Tag auf diesem Platz gebolzt, bestimmt 1.000-mal, schätzt er und klopft auf ein Eisengitter, das auf einer Seite des Platzes den großen Eingang zum Pfarrbüro absperrt. „Das war ein Tor.“ Auf dem steinernen Platz in Ayegui lerne man noch „richtigen Fußball“, meint er und zeigt auf sein linkes Knie. „Die Narben sind von hier.“ Schon als kleiner Junge ging er keinem Zweikampf aus dem Weg, nahm aufgeschlagene Knie in Kauf, um als Sieger nach Hause zu gehen. Der Heimweg war eh nicht lang. Javi deutet zur Hauptstraße, die direkt unterhalb des Platzes vorbeiführt. Auf der anderen Straßenseite steht auf einem mehrere Meter hohen Schild: „Martínez“. Im Haus daneben wohnt seine Tante. Direkt dahinter lugt die orange Fassade von Javis Elternhaus hervor.
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An Javis erstem Fußballplatz vorbei führt der Jakobsweg, immer wieder sieht man Pilger mit schweren Rucksäcken. Vor einer Woche habe einer eine Abzweigung verpasst, erzählt Javi. „Ich habe ihm den richtigen Weg gezeigt, bin ein Stück mit ihm gegangen.“ In Ayegui hilft man sich eben, man hält zusammen, packt an. Werte wie diese sind Javi wichtig. „Die Werte, mit denen ich groß geworden bin, möchte ich auch an meine Kinder weitergeben.“ Inzwischen sind sie zu sechst im Hause Martínez. Javi, seine Frau Aline und vier Kinder. Erst vor zehn Monaten sind Zwillinge bekommen. Die Familie wohnt am Ortsrand, vor ein paar Jahren haben sie hier gebaut. Im Garten toben die beiden älteren Kinder im Pool, dahinter erstreckt sich ein Fußballplatz. Hier spiele er gern mit seinem Sohn oder Freunden, erzählt Javi. Zum Fithalten hat er außerdem eine Sporthalle und einen Fitnessraum. Überhaupt sei die Gegend ein Fitnessparadies, sagt er. Laufen, Fahrrad fahren, wandern – es gebe jede Menge Möglichkeiten, sich zu bewegen. Von Javis Terrasse aus blickt man auf Felder und Hügel, man hört die Vögel zwitschern. Durchs Gartentor kommt gerade seine Mutter mit einem Rudel Hunden in den Garten. Sie trägt ein FC Bayern-Shirt.
Auch vier Jahre nach Javis Weggang aus München ist der FC Bayern präsent in Javis Zuhause. Hinter der Eingangstür sitzt Maskottchen Berni, auch Bilder und Geschenke von Fanclubs hat Javi aufgehoben. Die Trophäen stehen im Obergeschoss: WM-Pokal, Champions League, UEFA Super Cup … „Schöne Erinnerungen“, findet er. Javi greift nach einer Meisterschale, sie scheppert. Beim Umzug ist sie leider kaputtgegangen. In neun Jahren in München gewann Javi unglaubliche 23 Titel. „Ich hatte Glück, im besten Bayern-Team aller Zeiten gespielt zu haben“, sagt er. „Wir sind auf den Platz gegangen und wussten, dass wir gewinnen. Wir waren eine Maschine.“
Auf dem Gipfel des Montejurra genießt Javi die Ruhe und die Einsamkeit – und blickt hinab auf sein Heimatdorf.
2012 kam Javi zum FC Bayern, kurz vor seinem 24. Geburtstag. Eigentlich wollte ihn Athletic Bilbao gar nicht hergeben. Da Bayern die in seinem Vertrag festgeschriebene Ablöse zahlte, konnte ihn der Verein aus dem Baskenland aber nicht aufhalten. 40 Millionen Euro, das war eine Menge Geld, ein Rekordtransfer für den FC Bayern, und das für einen Defensivspieler. Für Javi ging damals ein Traum in Erfüllung, erzählt er: „Ich bin mit Effenberg, Élber, Matthäus aufgewachsen. 1999 habe ich gesehen, wie Kuffour in Barcelona geweint hat. Als dann die Möglichkeit kam, nach München zu wechseln, musste ich nicht nachdenken.“
Die Gespräche mit dem damaligen FCB-Coach taten ihr Übriges. „Jupp Heynckes hat gesagt, ich sei genau der Spieler, den die Mannschaft braucht, um die Champions League zu gewinnen“, erinnert sich Javi. Er ist Heynckes bis heute dankbar, sich so für ihn eingesetzt und ihn auch vor den riesigen Erwartungen in München geschützt zu haben. „Wenn einer 40 Millionen kostet, dann wollen die Leute sofort Leistung sehen. Aber Jupp hat mir Geduld und Zeit gegeben, um in Top-Form zu kommen.“ Als „Staubsauger“ im defensiven Mittelfeld gab er der Mannschaft schnell die nötige Balance und Stabilität.
Im Hause Martínez empfängt Berni die Besucher. Als Kuscheltier ist er bei den Kindern beliebt.
Schon in seiner ersten Bayern-Saison gewann Javi das Triple – und wurde danach in Ayegui feierlich empfangen. „Das ganze Dorf war auf der Straße. Meine Familie, meine Freunde, alle. Das war sehr emotional“, erzählt er. Kurz darauf holte er auch noch den UEFA Super Cup. Gegen den FC Chelsea erzielte er in der Nachspielzeit der Verlängerung mit einem Kopfball das 2:2. Im Elfmeterschießen triumphierten dann die Bayern. „Es war das erste Mal, dass der FC Bayern diesen Pokal gewonnen hat. Selbst so große Spieler wie Effenberg haben das nicht geschafft“, sagt er. 2020 wiederholte er mit der Mannschaft dieses Kunststück. Gegen den FC Sevilla traf er wieder per Kopf in der Verlängerung, diesmal war es das 2:1-Siegtor.
Warum hat es für ihn, den Jungen aus Navarra, in München eigentlich so gut gepasst? Die Antwort ist für Javi einfach: „In München habe ich mich wie in Ayegui gefühlt.“ Es spielte keine Rolle, dass München um ein Vielfaches größer ist als sein Heimatdorf. Oder dass es eine Sprachbarriere gibt. Am Ende geht es um ein Gefühl. Das Gefühl, an einen Ort zu gehören. Und das hatte Javi in München. „Ich sage schon immer: Navarra ist wie Bayern. Die Menschen sind ähnlich, man steht sich nahe. Das Wetter ist ähnlich, in Ayegui kann es auch kalt werden. An manchen Tagen sieht man die Pyrenäen, wie die Alpen in München.“
Willkommene Abkühlung: Nach dem Sport springt Javi gern in den Pool. Die Kinder sowieso
Aber natürlich war in neun Jahren FC Bayern nicht immer alles eitel Sonnenschein. So viele Einsätze (43) wie in seiner ersten Saison hatte er in den folgenden Spieljahren nicht mehr. Verletzungen bremsten ihn immer wieder aus. Kreuzband, Patellasehne, Meniskus, Muskelbündel, die Leiste … Kaum ein Körperteil, das nicht betroffen war. Sogar das Schlüsselbein brach er sich einmal. Aber Javi ist ein Kämpfer, er kam immer wieder zurück. Eine wichtige Stütze dabei waren drei Freunde, die er aus der Heimat mit nach München genommen hatte. So hatte er immer bekannte Gesichter um sich, Menschen, denen er vertraute und die für ihn da waren. Ein kleines Ayegui in München. „Sie waren eine große Hilfe“, sagt Javi.
Javi pflegt die Freundschaften aus seiner Kindheit. Mit drei Freunden ist er zum Padel-Tennis verabredet. Er braust vorbei am alten Kloster, wo sich Pilger am Weinbrunnen erfrischen können („Schmeckt gar nicht schlecht“), und am Campo Javi Martínez. Der Fußballplatz des örtlichen Vereins wurde vor einigen Jahren nach ihm benannt. Daneben liegt die Halle mit den Padel-Plätzen. „Padel macht einfach Spaß“, sagt er und begrüßt Iván Iliberri. „Wir kennen uns, seit ich fünf, sechs Jahre alt war“, erzählt Javi und grinst. „Iván ist ein Schlawiner. Früher hat er immer versucht, uns den Ball zu klauen.“ Heute spielen die beiden im Doppel zusammen. „Javi hat sich nicht verändert“, findet Iván, „er könnte in Miami oder sonst wo leben, aber er kommt immer wieder nach Ayegui zurück. Das zeigt, was für ein Mensch er ist.“
Familienzeit: Vier Kinder und mehrere Hunde halten Javi und seine Frau Aline auf Trab.
Auch nach München zieht es Javi immer wieder, zuletzt vor ein paar Wochen zum Champions League-Finale. „Jedes Mal, wenn ich in München bin, ist das ein schönes Gefühl“, sagt er. 2021 konnte er sich wegen der Corona-Pandemie nicht richtig von den Fans verabschieden. „Das war komisch, traurig“, findet er. Aber das Kapitel München ist für ihn noch nicht abgeschlossen. Irgendwann werde er zurückkommen. „Meine Frau sagt auch immer, dass sie noch mal für ein paar Jahre in München leben möchte. Wir waren dort sehr glücklich.“
Um die Zukunft dreht sich gerade vieles bei Javi. Anfang September wird er 37 – und vielleicht war letzte Saison wirklich seine letzte. Er überlegt gerade, ob er noch ein Jahr dranhängt oder die Schuhe an den Nagel hängt. Körperlich fühle er sich topfit, sagt er, aber sein Kopf sehne sich nach „ein bisschen Freiheit“. Seine Zukunft sieht er auf jeden Fall im Fußball. Gerade hat er mit dem Trainerschein angefangen. Aber vielleicht zieht es ihn auch ins Management. „Ich muss erst noch herausfinden, was ich will“, meint er. Sein Blick wandert zum Montejurra. Der eine oder andere Ausflug dorthin schafft bestimmt Klarheit.
Drei Wochen nach unserem Besuch hat Javi eine Entscheidung getroffen: Er spielt weiter, beim Zweitligisten Al-Bidda SC in Doha. Alles Gute, Javi!
Der Text ist in der aktuellen Ausgabe des Mitgliedermagazins „51“ erschienen – hier gibt es ihn in einer gekürzten Fassung zu lesen.