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·16 October 2024

"Und wenn Piet da oben sagt: Das habt ihr gut gemacht!"

Article image:"Und wenn Piet da oben sagt: Das habt ihr gut gemacht!"

Im ersten Teil unseres ausführlichen Interviews mit FCK-Cheftrainer Markus Anfang sprachen wir mit dem 50-Jährigen über die den bisherigen Saisonverlauf, schwierige Statistiken und seine Spielidee. Im zweiten Teil spricht der gebürtige Kölner über Anpassungsschwierigkeiten seiner Spielern, seinen Umgang mit Kritik und seine Vorstellungen von einer gelungenen Spielzeit.

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Markus Anfang: "Zu wenig Spieler, die Entscheidungen treffen"

Treffpunkt Betze: Wenn man sich das Spiel in Elversberg anschaut, muss man feststellen, dass in der zweiten Halbzeit und vor allem nach dem 0:1 kein ernsthaftes Aufbäumen zu erkennen war und sich Ihre Mannschaft ihrem Schicksal gefühlt ergeben hat. Haben Sie eine Erklärung für diesen Leistungsabfall in der zweiten Halbzeit?

Markus Anfang: Leider spricht niemand mehr davon, dass wir eine sehr gute erste Halbzeit gespielt haben, alle reden nur noch über die zweite Halbzeit. Aber ein Spiel besteht immer aus zwei Hälften. Ich denke, wir hätten in der ersten Halbzeit in Führung gehen müssen, was uns leider nicht gelungen ist. Und mit Anpfiff der zweiten Halbzeit haben wir 25 Minuten in unserem Spiel, wo wir keine Zweikämpfe führen, wo wir keine Intensität haben. Wo wir innerhalb von 20 Minuten all das, was wir in der ersten Halbzeit aufgebaut haben, einfach vermissen lassen. Da haben wir Elversberg ins Spiel geholt.

Und dann sind wir nach dem Gegentor, wo wir eigentlich den Ball schon gewonnen hatten und ihn dann doch wieder hergegeben haben, in eine Schockstarre verfallen, aus der wir erst in der Schlussviertelstunde wieder aufgewacht sind. Wir haben dann zwar noch einmal alles versucht und nach vorne gespielt, aber trotz Chancen von Tobi Raschl oder Ragnar Ache ist uns kein Tor mehr gelungen. Es war aber kein grundsätzlich schlechtes Spiel von uns und es wäre deutlich mehr drin gewesen.

Treffpunkt Betze: Fehlt es in solchen Momenten, wie zu Beginn der zweiten Halbzeit, an Führungsspielern, die auf dem Platz das Heft in die Hand nehmen?

Markus Anfang: Wir haben derzeit in der Tat zu wenig Spieler, die auf dem Platz Entscheidungen treffen und das Kommando übernehmen. Wir haben aber auch Spieler, die in diese Rolle hineinwachsen können. Allerdings man muss auch immer ein bisschen abwägen, aus welcher Situation die Spieler kommen, die dafür in Frage kommen. Jannis Heuer wäre für mich zum Beispiel so ein Kandidat. Er ist im Sommer von Paderborn nach Kaiserslautern gewechselt. Hier kommt er dann in eine neue Mannschaft, muss ein für ihn neues Spielsystem spielen, hatte in der letzten Saison relativ wenig Einsatzzeiten und soll dann gleich der Führungsspieler sein? Natürlich wäre es schön, wenn das klappen würde, aber leider klappt das nicht immer auf Anhieb, was aber auch völlig in Ordnung ist. Jannis ist jetzt nur ein Beispiel. Wir haben auch andere Spieler, die grundsätzlich das Potenzial haben, Führungsspieler zu werden, bei denen die Situation ähnlich ist. Ich weiß, dass man das nicht unbedingt hören will, aber auch da müssen wir den Jungs Zeit geben, in die Rolle hineinzuwachsen.

Markus Anfang: "Sind immer wieder gezwungen, den Kader entsprechend umzubauen"

Treffpunkt Betze: Eine zentrale Rolle im Fußball hat der so genannte Sechser. Die Stärken von Boris Tomiak liegen aus unserer Sicht in der Innenverteidigung, Ähnliches gilt für Jan Gyamerah, der sich in seiner Karriere vor allem auf der Rechtsverteidigerposition am wohlsten fühlte. Afeez Aremu ist noch nicht so weit, Luca Sirch anscheinend auch nicht. Kann es sein, dass der FCK den Abgang von Julian Niehues nicht gut genug kompensiert hat?

Markus Anfang: Um es kurz zu machen: Ich denke, wir haben genügend Spieler im Kader, die diese Rolle ausfüllen können. Ich möchte aber auf die grundsätzliche Rolle des Sechsers etwas näher eingehen, weil es manchmal schwierig ist, die Interpretation der Rolle zu verstehen. Man spielt eine Grundordnung gegen den Ball und man spielt eine Grundordnung mit dem Ball. Wobei es mir nicht um die Grundordnung an sich geht, sondern um die Zahlenverhältnisse. Der Gegner spielt zum Beispiel mit vier Spielern im Zentrum, aber ich will nicht, dass sie ins Spielen kommen. Also kann ich nicht mit zwei zentralen Spielern spielen, weil ich dann zwei gegen vier stehe. Wenn ich aber mit drei spielen will, muss ich auch im Zentrum schon gut verschieben, um den Gegner unter Druck zu setzen. Also versuche ich mit vier Spielern zu spielen. Aber diese vier muss ich herstellen. Gegen den Ball spiele ich dann vielleicht ein 5-4-1 und habe dann eine andere Grundordnung, vielleicht mit einer Doppelsechs. Wenn der Gegner aber mit drei Spielern im Zentrum spielt, spiele ich auch mit drei und damit wieder in einer anderen Grundordnung.

Was ich damit sagen will, ist, dass all diese Überlegungen eine große Rolle bei der Entscheidung spielen, wer die Position besetzen kann. Ich glaube, dass Bobo (Boris Tomiak, Anm. d. Red.) das gut kann, genauso wie zum Beispiel Kalli (Filip Kaloč, Anm. d. Red.) oder andere Spieler. Wenn man einen Sechser hat, der eine gewisse Ausstrahlung und Präsenz hat, dann ist die Rolle des Sechsers überhaupt nicht im Fokus. Da können wir uns natürlich noch verbessern, aber wie gesagt, wir haben genug Spieler, die in diese Rolle hineinwachsen können. Auch ein Julian Niehues kam als junger Spieler ohne große Vorerfahrung im Profibereich zum FCK und musste sich erst entwickeln.

Treffpunkt Betze: Von der Startelf am darauffolgenden Spieltag auf die Tribüne. Bisher mussten Dickson Abiama nach dem Spiel in Münster und Philipp Klement nach dem Spiel in Hannover diese bittere Pille schlucken. Sind die Leistungen Ihrer Spieler so schwankend oder sind Ihre Entscheidungen so konsequent?

Markus Anfang: Das hat nichts mit den Jungs an sich zu tun. Solche Entscheidungen basieren immer auf taktischen Überlegungen. Wir haben zum Beispiel vor dem Spiel in Elversberg überlegt, wie wir die Außenbahnen besetzen. Eine Option wäre Abi (Dickson Abiama, Anm. d. Red.) gewesen, weil er dort schon öfter ausgeholfen hat. Für die linke Seite haben wir uns dann für Wekesser, der die Linie hoch und runter marschieren sollte, entschieden und als Backup für ihn Flo Kleinhansl mitgenommen. Für die rechte Seite hatten wir Richie (Richmond Tachie, Anm. d. Red.) auf der Bank und für das Sturmzentrum Jannik Mause. Dann stellt sich die Frage, ob man noch einen Offensivspieler oder ob man noch einen Defensivspieler mitnimmt, wofür wir uns letztendlich auf Kosten von Abi entschieden haben. Normalerweise sollte das nicht die Regel sein, aber durch die vielen Ausfälle, die wir momentan zu beklagen haben, müssen wir von Spiel zu Spiel schauen, wie wir uns vielleicht neu sortieren müssen und sind immer wieder gezwungen, den Kader entsprechend umzubauen.

Treffpunkt Betze: Im Rahmen der Pressekonferenz vor dem Spiel in Elversberg sagten Sie, dass Florian Kleinhansl Anlauf- und Anpassungsschwierigkeiten hatte. Was genau hat seinen Start beim FCK erschwert? Und wie unterstützen Sie den Spieler in diesem Fall?

Markus Anfang: Stimmt, Flo ist am Anfang nicht so richtig reingekommen, das haben wir auch besprochen. Er hat es auch nicht oft erlebt, dass er bei vielen Spielen nicht dabei war, das war nicht einfach für ihn. Aber ich denke, dass er es in den letzten Wochen gut gemacht hat und immer näher an die Mannschaft herangekommen ist. In den Testspielen wie jetzt in Freiburg oder vor ein paar Wochen in Stuttgart hat er Einsatzzeit bekommen und konnte sich zeigen, und er hat einen guten Eindruck auf mich gemacht.

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Markus Anfang: "Möglichst vielen jungen Spielern Spielpraxis zu geben"

Treffpunkt Betze: Anders als in den letzten Jahren setzen Sie wieder auf junge Spieler: Leon Robinson und Mika Haas spielen in Ihren Spieltagsüberlegungen immer wieder eine Rolle. Was ist mit Spielern wie Shawn Blum oder Enis Kamga, der zuletzt mit der A-Mannschaft trainieren durfte?

Markus Anfang: Als Torwart ist es für Enis natürlich schwierig, Spielpraxis bei den Profis zu sammeln. Aber der Junge ist sehr talentiert und zieht immer voll mit. Blumi wiederum hat die ganze Vorbereitung bei uns mitgemacht und muss sich noch entwickeln. Dafür braucht er Spielpraxis und die kann er momentan am besten in der U21 sammeln und sich dort empfehlen. Bei Mika Haas war es so, dass er in der Vorbereitungsphase gemerkt hat, dass in der ersten Mannschaft ein hohes Tempo gegangen wird, woran er sich erst etwas gewöhnen musste. Er hat das dann angenommen, ist immer besser geworden und kann die Intensität mittlerweile ganz gut mitgehen. Deswegen haben wir ihn auch immer mal wieder berücksichtigt. Leon Robinson ist ein absoluter Mentalitätsspieler. Deswegen ist er auch in wichtigen Spielen wie gegen Hamburg reingekommen. Luca Sirch hatten wir gerade in Elversberg dabei, wo er auch zum Einsatz gekommen ist. Wir versuchen, den jungen Spielern immer wieder die Möglichkeit zu geben, Spielpraxis zu bekommen, wollen sie heranführen und auch weiterentwickeln. Aber wir müssen sie auch behutsam aufbauen und dürfen sie nicht verbrennen.

Treffpunkt Betze: Was fehlt dem FCK aus Ihrer Sicht noch, um die Durchlässigkeit zwischen den Profis und den Jugendmannschaften zu erhöhen?

Markus Anfang: Wir sind ja auf einem guten Weg, die Durchlässigkeit herzustellen. Wie gesagt, wir haben drei Spieler, die letztes Jahr noch in der Jugend oder in der Regionalliga gespielt haben, die jetzt alle schon Spielzeit in der zweiten Liga erhalten. Und wir haben erst acht Spieltage hinter uns. Wir versuchen weiterhin, möglichst vielen jungen Spielern Spielpraxis zu geben, aber es muss auch alles passen. Gerade die jungen Spieler sollen aus den Einsatzzeiten, die sie bekommen, etwas Positives mitnehmen, aber auch erkennen, dass man sich entsprechend anstrengen muss, um sich durchzusetzen, damit das Leistungsniveau stetig nach oben geht.

Nicht vergessen: "Nur drei Spiele im Fritz-Walter-Stadion ausgetragen"

Treffpunkt Betze: Gerade in sportlich schwierigen Zeiten wird in den sozialen Medien oft sehr emotional und unsachlich diskutiert, bzw. argumentiert. Wie gehen Sie damit um?

Markus Anfang: Die sozialen Netzwerke sind für mich überhaupt nicht präsent und haben für mich keinerlei Bedeutung. Da äußern sich Leute zu Themen, in die sie teilweise überhaupt keine Einblicke haben, und das in einer Anonymität, die ich für sehr gefährlich halte. Es gibt unzählige Fälle, wo Menschen in Depressionen verfallen oder vielleicht sogar Selbstmordgedanken hegen, nur weil in irgendwelchen sozialen Medien Dreck über sie ausgeschüttet wurde. Wir hören uns gerne Kritik an und gehen auch darauf ein, solange sie konstruktiv ist und wir wissen, von wem sie kommt.

Treffpunkt Betze: Haben Sie ein Message für die FCK-Fans?

Markus Anfang: Ich würde mir wünschen, dass unsere Fans weiter so hinter uns stehen, wie sie es bisher getan haben. Der Support der Jungs und Mädels ist überragend - egal ob bei Auswärtsspielen oder hier zu Hause. Man darf aber auch nicht vergessen, dass wir in dieser Saison von neun Pflichtspielen (inklusive des DFB-Pokalspiels in Ingolstadt, Anm. d. Red.) nur drei im Fritz-Walter-Stadion ausgetragen haben. Und gerade nach diesen drei Spielen dürfte niemand mit dem Gefühl nach Hause gegangen sein, dass das, was wir gespielt haben, schlecht war. Natürlich haben wir zu wenige Punkte hier behalten, das ärgert uns auch sehr, aber vom Einsatzwillen und von der Leidenschaft her kann uns niemand einen Vorwurf machen. Und so nehme ich auch unsere Kurve wahr. Es ist fantastisch, was unsere Fans dort Woche für Woche abliefern und wie sie ihre Verbundenheit zum FCK leben.

Treffpunkt Betze: Zum Abschluss laden wir Sie zu einer kleinen Prognose ein: Wo sehen Sie sich und den FCK im Mai 2025?

Markus Anfang: Jetzt sind wir bei Wünsch dir was (lacht). Ich glaube, unabhängig von allen Ergebnissen wäre es schön, wenn wir im Mai sagen könnten, wir sind gemeinsam durch schwierige Zeiten gegangen, wir haben unsere Schlüsse daraus gezogen, wir haben uns weiterentwickelt und die Mannschaft hat einen großen Schritt nach vorne gemacht. Wir spielen guten Fußball, wo alles zusammenpasst, und wir haben eine Mannschaft, die eine gewisse Selbstverständlichkeit an den Tag legt, wenn sie rausgeht, um Spiele zu bestreiten. Wenn wir das hinkriegen, dass wir so eine Mannschaft geformt haben, dass wir so eine Einheit sind, dass wir gemeinsam durch schwierige Zeiten gehen und dass wir in den guten Zeiten auch nicht vergessen, wie schwer es manchmal war, aber dass wir in den schlechten Zeiten auch immer so zusammenhalten, dass wir wissen, wir kommen wieder in die guten Zeiten rein, das wäre toll. Und wenn dann Piet da oben sagt: 'Das habt ihr gut gemacht', dann haben wir eine gute Saison gespielt.

Treffpunkt Betze: Ein perfektes Schlusswort, dem nichts mehr hinzuzufügen ist. Vielen Dank für das Gespräch und maximalen Erfolge mit dem FCK!

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