
Rund um den Brustring
·9 August 2025
Very Important Goalscorer

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·9 August 2025
Enzo Millot verlässt den VfB nach vier Jahren gen Saudi-Arabien. In Stuttgart hinterlässt er uns traumhafte Auftritte, eine Vizemeisterschaft und einen Pokal — und die wichtigsten Tore der jüngeren Vereinsgeschichte.
90 Minuten stand der Spieler mit der Nummer 52 auf dem Platz, verhindern konnte er die Niederlage des VfB II in Gießen an jenem 2. Oktober 2021 nicht. Knapp drei Jahre später schlägt der gleiche Spieler, mittlerweile mit der Nummer 8 auf dem Rücken, im Bundesligaspiel gegen Borussia Dortmund eine Ecke in den gegnerischen Strafraum, schleicht sich von der Eckfahne in den Fünfmeterraum und drückt den Ball nach 62 Minuten zum 3:0 in die Maschen. Die Rede ist natürlich von Enzo Millot, der als 19jähriges Talent aus Monaco nach Bad Cannstatt kam und jetzt als 23jähriger Vizemeister und Pokalsieger zu Al-Ahli nach Saudi-Arabien ging.
Es sind aber natürlich nicht allein die Titel (wenn man die Vizemeisterschaft so nennen will), die das Wirken von Enzo Camille Alain Millot in Bad Cannstatt geprägt haben. Es geht auch um einen Spieler, der den richtigen Trainer und das richtige Spielsystem gefunden hat und vom Abstellgleis auf die Überholspur durchstartete. Von Toren, die keine Titel brachten, aber für den VfB (über-)lebenswichtig waren. Und nur am Rande um zu hochgezogene Hosen.
Denn natürlich hätte die Geschichte ganz anders ausgehen können, hätten Alex Wehrle und Fabian Wohlgemuth noch länger als sowieso schon an ihrer offensichtlichen Fehlentscheidung Bruno Labbadia festgehalten. Der verbrannte nicht nur einen passablen Innenverteidiger auf der Außenbahn, sondern konnte auch mit Enzo Millot nicht viel anfangen. Das mag daran liegen, dass er in der Abwehr am liebsten noch Georg Niedermeier und vorne Martin Harnik aufgestellt hätte. Oder daran, dass Bruno Labbadia schlicht keine Spielidee hatte, für die er einen kreativen und manchmal auch unkonventionellen Spieler hätte brauchen können.
Schon Millots erste Spielzeit als unbekanntes Talent mit zwei Einsätzen in der Regionalliga war ja nicht optimal verlaufen. Eine Knieverletzung unterbrach seine Saison und so fand er seinen Platz in einer taumelnden Mannschaft, in deren zentralen Mittelfeld Wataru Endo quasi alles allein regeln müsste, nicht. So richtig passte er auch in Pellegrino Matarazzos 3–5‑2 nicht rein, zumindest nicht in dieser Phase seiner Karriere. Auch in der Folgesaison blieb es unter Matarazzo und Wimmer bei Kurzeinsätzen, bevor die bleiernen Labbadia-Wochen begannen.
Und dann: Pokal-Viertelfinale in Nürnberg, der VfB auf Platz 18, das erste Spiel von Sebastian Hoeneß. 83. Minute: Hiroki Ito spielt einen Pass aus dem Halbfeld in die Spitze, den Millot erläuft und zum Siegtreffer verwertet. Der perfekte Start für den Trainer und der perfekte Restart für Millot: Im Halbfinale macht er den Anschlusstreffer, der ohne Schiedsrichter Schlager vielleicht in die Verlängerung geführt hätte und in der Relegation bringt er den Hamburger Volkspark fast ganz alleine zum Verstummen. Der Rest ist Geschichte. Fünf Tore und sieben Vorlagen steuert er zur besten Saison der Vereinsgeschichte bei, zwei zum Sieg im Pokalfinale gegen Arminia Bielefeld.
Als er nach dem 4:0 den Weg in die Kurve suchte, wusste er mit Sicherheit schon, dass dies sein letztes Tor im Brustring sein würde. Und das ist ok. Anders als manch anderen ehemaligen Mitspielern Millots gönne ich ihm den nächsten Schritt. Der ist zunächst mal vor allem finanzieller und weniger sportlicher Natur, dafür profitiert auch der VfB davon, dass eine der letzten möglicherweise unterbewerteten Ausstiegsklauseln im Kader nicht zum Tragen kam. Dass Millot nach dieser Saison geht, war allen Beteiligten lange klar, wohin ist dann fast zweitrangig. Dass er nicht in der Liga bleibt, ist schön, seine neue Heimat natürlich politisch mehr als fragwürdig, aber wir haben auch schon mit Red Bull und Rogon Geschäfte gemacht.
Etwas schade ist, dass wir nun nicht aus nächster Nähe sehen können, zu was Enzo Millot noch in der Lage ist. Denn dass er noch lange nicht am Zenit ist, hat man an der durchwachsenen Rückrunde gesehen, in der auch er den Unterschied nicht machen konnte und sich somit vielleicht einen sportlich attraktiveren Wechsel verbaute. Auch dass gefühlt zwei Drittel seiner gelben Karten nicht durch Fouls entstanden, wird er noch in den Griff kriegen müssen. Aber wenn es jemand schafft, auch diese Hürden — mit immer noch erst 23 Jahren — zu überwinden, dann Enzo Millot. Wer daran zweifelt, möge sich anschauen wie er die Abwehr von Borussia Dortmund auf der Torauslinie austanzt.
Adieu Enzo et merci!
Zum Weiterlesen: Der Vertikalpass schwärmt: “Ich liebte seinen federnden Schritt und seinen Tanz mit Ball. Er umarmte ihn mit seinem unglaublichen linken Fuß. Er führte ihn anmutig und zärtlich, bei Dribblings klebte er ihm am Fuß und es war unübersehbar, wie tief die Verbindung von Millot und dem Ball ist. Enzo und der Ball: ein schönes Paar.” Schön.
Titelbild: © Christian Kaspar-Bartke/Getty Images
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