Nach Derby-Schock: Wie Beşiktaş jetzt zurück auf Kurs kommen kann | OneFootball

Beşiktaş steckt mitten in einer turbulenten Phase. Der 2:3-Derby-Kollaps gegen Fenerbahçe am vergangenen Wochenende steht sinnbildlich für die schwankende Form der Schwarz-Weißen.

Dabei begann alles vielversprechend: Nach kaum mehr als 20 Spielminuten führte das Team von Sergen Yalçın mit 2:0 im ausverkauften Vodafone Park – Leidenschaft, Tempo, Kontrolle. Doch die Rote Karte für Kapitän Orkun Kökçü in der 26. Spielminute kippte das Spiel. In Unterzahl und ohne ihren strategischen Kopf brach Beşiktaş langsam ein. Fenerbahçe drehte das Derby, die Emotionen kochten über.

Derby als Brennglas einer größeren Baustelle

Die Niederlage hat Spuren hinterlassen. Nicht nur in der Tabelle – Beşiktaş steht nach elf Spieltagen auf Platz sechs –, sondern auch in der Psyche des Teams. Denn das Muster ist nicht neu: Frühe Führungen, gute Ansätze, dann Konzentrationsverluste und defensive Instabilität. Das Spiel gegen Fenerbahçe offenbarte all das in 90 Minuten. Ähnliche Verläufe hatten zuletzt auch die Spiele gegen Kasımpaşa, Gençlerbirliği oder Galatasaray, in denen die "Adler" die drei Punkte unnötig wieder hergaben. Das Derby war damit weniger eine Blamage als ein Spiegel dessen, was Beşiktaş derzeit bremst: fehlende Balance zwischen Euphorie und Kontrolle.

Yalçın 2.0: Zwischen Aufbruch und Erwartungsdruck

Seit Ende August ist Sergen Yalçın zurück auf der Trainerbank – jener Mann, der Beşiktaş 2021 zum Double führte und wie kaum ein anderer die DNA des Vereins verkörpert. Seine Rückkehr sorgte für Aufbruchsstimmung. Doch die Realität zeigt, dass auch ein Klub-Insider Geduld braucht, um Struktur und Selbstvertrauen wieder aufzubauen. Yalçın will "Spielkontrolle über den Ball", aber sein Team verliert sie zu oft in den entscheidenden Phasen. Der Kader hat Qualität – gerade durch die Fülle an qualitativen Neuzugängen –, doch Verletzungen und Sperren erschweren  bis dato die Kontinuität.

Kader am Limit – und doch voller Potenzial

Im ersten Training nach der Niederlage gegen "Fener" fehlten gleich fünf Profis: Emirhan Topçu, Černý, Rafa Silva und Necip Uysal sind verletzt, Gabriel Paulista fehlte aus familiären Gründen. Dazu steht Kökçü nach seinem Platzverweis unter Beobachtung des Disziplinarausschusses – das Urteil ist noch ausstehend. Diese personellen Sorgen mindern die Optionen, aber sie öffnen auch Chancen für Spieler aus der zweiten Reihe, Verantwortung zu übernehmen. Die Rückkehr von Stürmer El Bilal Touré könnte ein Schlüssel werden, um die offensive Durchschlagskraft wiederherzustellen.

Präsident Adalı: "In zehn Monaten viel bewegt"

Bei der Generalversammlung am Wochenende wurde Präsident Serdal Adalı entlastet – ein symbolischer Vertrauensbeweis in schwierigen Zeiten. Adalı betonte, der Klub habe in den letzten zehn Monaten "wirtschaftlich wie strukturell große Schritte gemacht". Seine Worte sollen Mut machen: Der Verein ist stabiler als es die sportlichen Schwankungen vermuten lassen. Auch das Gespräch mit Coach Yalçın am Montag soll konstruktiv verlaufen sein – es ging um Ruhe, Disziplin und das große Ganze: den Wiederaufbau eines klaren sportlichen Weges.

Die nächsten Wochen: Zwischen Reaktion und Richtungsweisern

Das kommende Auswärtsspiel in Antalya (8. November) wird zum Charaktertest. Danach wartet das Heimspiel gegen Samsunspor – zwei Gegner, gegen die Beşiktaş dringend punkten muss, um nicht den Anschluss an Fenerbahçe und Galatasaray zu verlieren. Die Ansätze sind da: Das Team kreiert Chancen, spielt mutig nach vorn – doch Stabilität ist das Zauberwort. "Erst Ordnung, dann Offensive", könnte Yalçıns Leitlinie lauten.

Wenn Beşiktaş es schafft, Emotion in Energie und Struktur zu übersetzen, wird dieses Team wieder oben anklopfen. Das Derby tat weh – aber vielleicht war genau dieser Schmerz nötig, um die Weichen zu stellen. Der Weg zurück beginnt nicht auf dem Transfermarkt, sondern im Kopf, im Herzen und in der Balance zwischen Leidenschaft und Disziplin.