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·21 aprile 2025
Strittige Szenen am 34. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

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Die nicht gegebenen Elfmeter für Rostock, Köln, Cottbus, 1860, Verl, Essen und Aue, der Strafstoß für Wiesbaden, das 3:0 von Bielefeld, das 1:0 von 1860, die verwehrten Treffer für Verl und Stuttgart II, der Platzverweis gegen Stark, ein Nachtreten von Sontheimer sowie Foulspiele von Brünker, Rabihic und Schmidt. Am 34. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 17 strittige Szenen genauer angeschaut.
Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 54-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.
Szene 1: Für ein hartes Einsteigen gegen Lars Bünning (Dresden) sieht Kai Brünker (Saarbrücken) von Schiedsrichter Timo Gansloweit nur Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 29:15]
Babak Rafati: Brünker grätscht gegen Bünning an der Seitenlinie zum Ball und spielt das Spielgerät, trifft aber auch seinen Gegenspieler in die Beine und bringt ihn heftig zu Fall. Das ist ein Abräumen, das ein Foulspiel darstellt. Für eine rote Karte fehlt allerdings das entsprechende Trefferbild, sodass dieser Einsatz rücksichtslos ist und somit die gelbe Karte eine richtige Entscheidung ist.
Szene 2: Im Mittelfeld wird Vinko Sapina (Dresden) von Kasim Rabihic (Saarbrücken) gleich zweimal gestempelt, eine Karte gibt es nicht. [TV-Bilder – ab Minute 51:20]
Babak Rafati: Rabihic legt sich den Ball etwas zu weit vor, daher kann Gegenspieler Sapina den Ball abfangen. Hierbei kommt Rabihic wiederum etwas zu spät und touchiert Sapina zuerst leicht am Fuß und kurz darauf tritt er ihm auf den Fuß. Für dieses sogenannte "Stempeln“ hätte es neben einem Freistoß die gelbe Karte gegen Rabihic geben müssen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt, diese Karte nicht zu zeigen.
Szene 3: Nach einem Zweikampf mit Sascha Risch (Dresden) tritt Patrick Sontheimer (Saarbrücken) nach, kommt aber mit Gelb davon. [TV-Bilder – ab Minute 4:15]
Babak Rafati: Nach einer Freistoßentscheidung tritt Sontheimer den am Boden liegenden Risch leicht gegen das Gesäß und touchiert ihn hierbei leicht. Trotz dessen sieht das Regelbuch bei einem versuchten Tritt beziehungsweise Tätlichkeit, wie dieser, die rote Karte vor, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt, lediglich die gelbe Karte für dieses Vergehen zu zeigen.
Szene 4: Auf dem Weg zum Tor geht Sigurd Haugen (Rostock) im Strafraum gegen Christopher Lannert und Maximilian Großer (Bielefeld) zu Boden, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Patrick Schwengers nicht. [TV-Bilder – ab Minute 0:45]
Babak Rafati: Haugen wird im Strafraum angespielt. Dabei hält ihn Lannert am Arm fest und reißt ihn entscheidend zu Boden. Das ist ein Foulspiel, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt, keine Elfmeter zu pfeifen. Dieses Vergehen kann der Schiedsrichter aber nicht sehen, da er von hinten draufguckt und ihm somit das Festhalten entgeht. Hier wäre eine Seitenansicht durch ein anderes Stellungsspiel hilfreich gewesen. Der Schiedsrichter wird womöglich lediglich die zweite Aktion gesehen haben, bei der der Verteidiger ein wenig das Bein stellt, aber auch den Ball spielt, was man durchaus weiterlaufen lassen kann.
Szene 5: Nach Vorlage von Mael Corboz trifft Joel Grodowski zum 3:0 für Bielefeld. Rostock reklamiert Abseits, der Treffer zählt. [TV-Bilder – ab Minute 2:00]
Babak Rafati: Beim ersten Abspiel stehen zwei Spieler von Rostock und der Keeper näher zur eigenen Torlinie (siehe Strafraumlinie), sodass alles regelgerecht ist. Beim anschließenden Schuss von Grodowski steht dann zwar ein Mitspieler im Abseits, allerdings lediglich im Sichtfeld und nicht in Sichtlinie, die entscheidend für eine Regelwidrigkeit ist. Wenn der angreifende Mitspieler dort gestanden hätte, wo der Verteidiger, an dem der Ball knapp vorbeifliegt, gestanden hat, würde eine Abseitsposition vorliegen. Somit liegt eine richtige Entscheidung vor, den Treffer anzuerkennen.
Szene 6: Im Strafraum bekommt Yannik Möker (Cottbus) einen Schuss von Donny Bogicevic (Köln) an den Arm, Schiedsrichter Assad Nouhoum lässt das Spiel weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 0:20]
Babak Rafati: Bogicevic schießt nach einer Ecke auf das Tor, dabei bekommt Möker den Ball an den Arm. Auch wenn der Schuss aus kurzer Distanz an den Arm fliegt, vergrößert Möker mit dem Arm die Körperfläche, sodass ein strafbares Handspiel vorliegt. Der Schiedsrichter wird das Vergehen womöglich nicht gesehen haben, weil er zu weit links steht. Wäre er mehr nach rechts eingerückt und hätte er einen Blick von hinten auf das Handspiel gehabt, wäre ihm die Szene sicherlich nicht entgangen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und keinen Elfmeter zu geben.
Szene 7: Lucas Copado (Cottbus) will im Strafraum zum Ball, kommt aber gegen Donny Bogicevic (Köln) zu Fall. Erneut zeigt Nouhoum nicht auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 35:30]
Babak Rafati: Nach einer Hereingabe kommt es zu einem Zweikampf, allerdings ist kein Vergehen von Bogicevic gegen Copado erkennbar, zumal auch keine zwingende Gefahr besteht, ein Foulspiel zu begehen, da der Ball in den Rücken der beiden Spieler fliegt und keiner von beiden mehr an das Spielgerät gekommen wäre. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen und keinen Elfmeter zu geben.
Szene 8: Im Mittelfeld erobert Patrick Hobsch (1860) mit viel Körpereinsatz gegen Danilo Wiebe (Aachen) den Ball, der dabei zu Boden geht. Schiedsrichter Leonidas Exuzidis lässt weiterlaufen, und aus dem Angriff fällt das 1:0 für 1860. [TV-Bilder – ab Minute 1:00]
Babak Rafati: Hobsch stößt Gegenspieler Wiebe mit dem ganzen Körper regelwidrig zu Boden, ohne dabei zum Ball zu wollen (nur gegnerorientiert). Erst, als Wiebe zu Boden geht, schnappt er sich den Ball und leitet einen guten Angriff ein, was anschließend zu einer Torerzielung führt. Das ist einfach kein normaler Körpereinsatz mehr. Hier hätte es zuvor wegen Foulspiels einen Freistoß geben müssen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt, nicht abzupfeifen.
Szene 9: Nach einem Freistoß bekommt Charlison Benschop (Aachen) den Ball von Sean Dulic (1860) an den Arm, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 2:02:40]
Babak Rafati: Nach einem langen Ball köpft Dulic den Ball aus kurzer Distanz an den Arm von Benschop. Dabei ist der Arm des Verteidigers in natürlicher Haltung, sodass kein strafbares Handspiel vorliegt. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen und keinen Elfmeter zu geben.
Szene 10: Im Anschluss an einen Freistoß bringt Dominik Nothnagel (Stuttgart II) den Ball im eigenen Tor unter, allerdings entscheidet Schiedsrichter Justin Hasmann auf Abseits und gibt den Treffer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 0:40]
Babak Rafati: Nach einem Freistoß bewegt sich Lokotsch, der zunächst beim Abspiel in Abseitsposition steht, zum Ball, und irritiert einen Verteidiger und den Torwart, sodass er strafbar im Abseits steht. Auch, wenn er dabei den Ball nicht berührt, hat er entscheidend ins Spielgeschehen eingegriffen und verteidigende Spieler auf sich gezogen und irritiert, sodass auch ohne Ballberührung ein strafbares Abseits vorliegt. Eine richtige Entscheidung, den Treffer nicht anzuerkennen.
Szene 11: Sankoh bringt den Ball zum 1:0 im Tor unter, soll dabei aber im Abseits gestanden haben, sodass der Treffer nicht zählt. [TV-Bilder – ab Minute 36:45]
Babak Rafati: Es kann anhand der vorliegenden Bilder nicht zweifelsfrei aufgelöst werden, ob Sankoh zum Zeitpunkt des Abspiels in Abseitsposition steht oder nicht, zumal es für den Assistenten in diesem Fall besonders schwierig ist, da der Rasen nicht wie üblich gemäht beziehungsweise markiert ist.
Szene 12: Nach einem langen Ball geht Lars Lokotsch (Verl) gegen Michael Glück (Stuttgart II) im Strafraum zu Fall und fordert einen Elfmeter, den Hasmann jedoch nicht gibt. [TV-Bilder – ab Minute 1:08:00]
Babak Rafati: Auch in dieser Szene kann nicht zweifelsfrei aufgelöst werden, ob ein Foulspiel von Glück an Lokotsch vorliegt oder nicht, da die Hintertorkamera in dieser Szene nicht dienlich ist. Eine Perspektive von der anderen Seite, nämlich aus dem Blickwinkel des Schiedsrichters, hätte mehr Aufschluss liefern können.
Szene 13: Für eine Schwalbe und ein Foulspiel an Nicolas Sessa (Stuttgart II) sieht Julian Stark (Verl) jeweils Gelb und muss vom Platz. [TV-Bilder – ab Minute 2:50]
Babak Rafati: Bei der ersten gelben Karte liegt ein Foulspiel vor, was allein am Fallmuster von Stark erkennbar ist. Somit hätte es einen Freistoß für Verl geben müssen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt, auf Schwalbe zu entscheiden und Gelb zu zeigen. Bei der zweiten gelben Karte scheint es so, dass Stark seinen Gegenspieler Sessa womöglich auf den Fuß tritt, sodass womöglich eine richtige Entscheidung vorliegt. Insgesamt eine Fehlentscheidung, diesen Platzverweis auszusprechen.
Szene 14: Dominik Martinovic (Essen) dringt in den Strafraum ein und kommt gegen Edvinas Girdvainis und Emmanuel Iwe (Sandhausen) zu Fall. Auf den Punkt zeigt Schiedsrichter Florian Lechner nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:50:20]
Babak Rafati: Martinovic legt sich im Strafraum den Ball an zwei Verteidigern vorbei. Als er weiterlaufen will, nimmt Girdvainis das Bein heraus, bringt Martinovic durch ein Beinstellen zu Fall und hindert ihn am Weiterlaufen. Das ist ein klares Foulspiel, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt, aus bester Position des Schiedsrichters zum Zweikampf, weiterspielen zu lassen und keinen Elfmeter zu geben.
Szene 15: Kennedy Okpala (Mannheim) läuft auf den Strafraum zu und geht im Duell mit dem bereits verwarnten Kenneth Schmidt (Hannover) zu Fall. Geahndet wird die Aktion von Schiedsrichter Cristian Ballweg nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:47:45]
Babak Rafati: Zunächst einmal erobert Okpala den Ball im Mittelfeld mit fairen Mitteln und leitet einen guten Angriff ein. Danach kommt es circa zwei Meter vor dem Strafraum zu einem Zweikampf, bei dem der Angreifer womöglich selbst gegen die Beine des bereits gelb-verwarnten Schmidt läuft und anschließend zu Fall kommt. Schmidt kann man dabei keinen Vorwurf machen, da er sich nicht in Luft auflösen kann und zudem keine aktive Aktion von ihm ausgeht. Somit liegt eine richtige Entscheidung vor, weiterspielen zu lassen, keinen Freistoß zu pfeifen und in der Konsequenz keine gelb-rote Karte zu zeigen.
Szene 16: Im Strafraum geht Sean Seitz (Aue) gegen BVB-Keeper Silas Ostrzinski zu Fall, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Konrad Oldhafer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 3:55]
Babak Rafati: Seitz will im Strafraum an Keeper Ostrzinski mit dem Ball am Fuß vorbeilaufen, jedoch kommt der Keeper aus seinem Tor herausgelaufen und spitzelt mit den Fingerspitzen den Ball vom Fuß des Angreifers weg. Auch, wenn es bei diesem Zweikampf zu einem möglichen Kontakt kommt und der Angreifer anschließend zu Fall geht, ist die Aktion des Keepers absolut sauber und regelgerecht, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen und auch bei einem möglichen Kontakt keinen Elfmeter zu geben.
Szene 17: Im Strafraum geht Fatih Kaya (Wiesbaden) bei einem Kopfball-Duell gegen Manuel Stiefler und Tim Knipping (Unterhaching) zu Fall, Schiedsrichter Martin Wilke gibt Elfmeter für Wiesbaden. [TV-Bilder – ab Minute 2:00]
Babak Rafati: Bei einem Luftduell hat der Verteidiger den Arm beziehungsweise den Ellenbogen im Gesicht von Kaya, der dabei getroffen wird. Auch, wenn zum einen kein Schlag auszumachen ist und zudem keine Absicht vorliegt, wird der Arm rücksichtslos im Zweikampf eingesetzt. Dabei muss ein Verteidiger immer im Hinterkopf haben, dass ein Gesichtstreffer zustande kommen kann, was in diesem Fall auch eintritt. Auch ohne Absicht, liegt damit ein Foulspiel vor, sodass die Elfmeterentscheidung richtig ist.
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