90PLUS
·28 de julho de 2025
Neuer „alter“ Trend: Die Rückkehr der stürmenden Außenverteidiger?

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·28 de julho de 2025
Schon seit Jahren spielen Außenverteidiger eine immer größere Rolle, nicht nur im taktischen Konzept der europäischen Spitzenteams. Der Transfersommer 2025 deutet jetzt darauf hin, dass sich ihr Aufgabengebiet erneut verschieben wird.
Einst sagte Gary Neville über seine Rolle als Rechtsverteidiger bei Manchester United: „No one wants to grow up and be a Gary Neville“, kein Kind würde jemals davon träumen als Erwachsener Außenverteidiger zu spielen. Ob die heutige Generation von Jugendspielern davon träumt, später der nächste Achraf Hakimi oder Alphonso Davies zu werden, ist bisher nicht überliefert.
Allerdings ist es nicht unvorstellbar. Gerade Hakimi spielte beim Champions-League-Sieger 2025 Paris Saint-Germain eine absolute Schlüsselrolle. Der Rechtsverteidiger erzielte unter anderem im Finale der Königsklasse das wichtige 1:0 gegen Inter. Insgesamt kam er wettbewerbsübergreifend auf 27 Torbeteiligungen, davon allein neun in der Champions League. Hakimis Rolle bei PSG könnte eine Blaupause dafür sein, wohin die Entwicklung der Außenverteidiger in den nächsten Jahren geht.
Seit Nevilles Karriereende vor 14 Jahren hat sich vieles verändert, mit den gewachsenen Anforderungen an die Außenverteidiger befasste sich 90Plus-Redakteur Till Gabriel bereits im Mai diesen Jahres. In den vergangenen Jahren lag der Fokus dabei allerdings vor allem auf zwei verschiedenen Profilen. Zuerst etablierte Pep Guardiola auch im europäischen Spitzenfußball das Konzept des vorrangig defensiv stabilen Außenverteidigers, der oft als dritter Innenverteidiger agiert und vor allem gegen Konter absichern soll. Beispielhaft nutzte Guardiola Nathan Aké, Josko Gvardiol oder Manuel Akanj in dieser Rolle.
Auch andere Trainer, wie Mikel Arteta bedienten sich dieser zusätzlichen defensiven Absicherung. Das zweite Profil war der einrückende Außenverteidiger ins Mittelfeldzentrum. Auch hier zeigte sich, wie so oft, Guardiola stilprägend und nutzte beispielsweise John Stones oder Rico Lewis als zusätzlichen zentralen Mittelfeldspieler im eigenen Ballbesitz. Davon ließ sich unter anderem auch sein großer Rivale Jürgen Klopp dazu inspirieren Trent Alexander-Arnold im Spielaufbau ins Zentrum einrücken zu lassen.
Diese beiden Rollen haben gemein, dass der Außenverteidiger im eigenen Ballbesitz nicht mehr wirklich außen agiert, sondern im Zentrum spielt. Einfluss im letzten Spieldrittel haben diese beiden Profile allerdings kaum. Die Besetzung der Flügel überlassen die eingerückten Außenverteidiger den offensiven Flügelspielern.
Dies hat den Vorteil der defensiven Stabilität, kann aber auch dazu führen, dass das Offensivspiel des Teams mitunter statisch und ausrechenbar wird. Außerdem sind auch torgefährliche Flügelspieler durch das Halten der Breite teils zu weit weg vom gegnerischen Tor positioniert. Sie bekommen weniger Unterstützung und können von der verteidigenden Mannschaft leichter isoliert und verteidigt werden.
(Photo: Getty Images)
Die letzte Saison gab bereits einen Hinweis darauf, wie sich die Rolle der Außenverteidiger weiterentwickeln könnte. Dies lässt sich am Beispiel von PSG aufzeigen. Luis Enrique setzte Nuno Mendes und Achraf Hakimi in anspruchsvollen Hybridrollen ein. Hakimis starker offensiver Einfluss wurde bereits erwähnt. Einer der Gründe dafür war seine taktische Rolle: eine Mischung aus dem Einrücken ins Zentrum und dem klassischen Hinterlaufen auf der Außenbahn. Im Zentrum fungierte Hakimi allerdings nicht nur als zusätzlicher zentraler Mittelfeldspieler, sondern rückte bis in den Zehnerraum oder sogar ins Sturmzentrum auf. Den Führungstreffer gegen Inter erzielte der marokkanische Nationalspieler aus klassischer Mittelstürmerposition. Auf der linken Seite spielte Nuno Mendes hingegen zumindest phasenweise auch als einrückender dritter Innenverteidiger. Doch Enrique gab dem offensivstarken Portugiesen die Freiheit sich auch nach vorne einzuschalten. So sammelte der Portugiese sechs Torbeteiligungen in der Champions League. Auch Mendes spielte dabei flexibel, hielt zwar mehr als Hakimi die Breite, bewegte sich aber auch zeitweise ins Zentrum.
Schauen wir auf Manchester Citys Rückrunde, nach einer schwachen Phase zum Jahresende 2024 setzte Guardiola in der Rückrunde wieder vermehrt auf etwas klassischere Außenverteidigerrollen. Rechts spielte oft Matheus Nunes, eigentlich ein gelernter zentraler Mittelfeldspieler. Nunes zog aber kaum ins Zentrum, sondern bearbeitete vielmehr die gesamte rechte Seite. Auch auf der linken Seite gab es zwei „neue“ Varianten. Zum einen Josko Gvardiol, der zwar als gelernter Innenverteidiger auch als eingerückter Verteidiger spielen könnte, allerdings auch viele Offensivqualitäten mitbringt. So rückte Gvardiol teils bis ins Sturmzentrum auf und gehörte mit fünf Toren unter den besten fünf Torschützen Citys in der Premier League. Zum anderen mit Nico O’Reilly einen weiteren gelernten Mittelfeldspieler, der aber auch sehr viel Offensivwucht erzeugte.
Zur neuen Saison verpflichtete City mit Rayan Ait-Nouri einen weiteren sehr offensivstarken Außenverteidiger für links hinten. Ait-Nouri entspricht nahezu perfekt dem Profil eines flexiblen Außenverteidigers mit Offensivfokus. Elf Torbeteiligungen in der Saison 24/25 für Wolverhampton sprechen eine deutliche Sprache. Ait-Nouri kann sowohl als Flügelläufer als auch im Zehnerraum für offensive Gefahr sorgen. Defensiv hat er hingegen durchaus noch Schwächen, in der Vergangenheit hätte Guardiola ein solches Spielerprofil wohl eher nicht verpflichtet.
(Photo: Getty Images)
Noch deutlicher durch die Transferpolitik beeinflusst ist die Besetzung der Außenverteidigerposition bei Liverpool. Mit Trent Alexander-Arnold hat der, vom Spielerprofil her, einzigartigste Außenverteidiger, die Reds verlassen. Das Liverpooler Eigengewächs brachte auch unter Arne Slot seine außergewöhnlichen Passqualitäten eher aus dem Mittelfeldzentrum auf den Platz. Die Zeiten in denen Alexander-Arnold viele Flanken von der rechten Seite schlug und den Flügelspieler hinterlief, waren schon unter Klopp vorbei. Als Ersatz verpflichtete Liverpool Jeremie Frimpong von Bayer Leverkusen. Der Niederländer ist ein komplett anderer Spielertyp als Alexander-Arnold. Unter Xabi Alonso wurde Frimpong meist als rechter Wingback in einer Dreierkette eingesetzt und spielte teilweise sogar als rechter Flügelspieler. Seine herausragende Stärke ist sein Tempo, dies prädestiniert ihn dafür als klassischer Flügelverteidiger zu spielen. Im Mittelfeldzentrum eingerückt wird man Frimpong nicht sehen.
Auf der anderen Seite ist mit Andrew Robertson Liverpools langjähriger Stammlinksverteidiger zwar noch da, es kann aber davon ausgegangen werden, dass der Schotte nicht mehr erste Wahl sein wird. Mit Milos Kerkez kam aus Bournemouth ein dynamischer und physischer Außenverteidiger. Kerkez ist sehr laufstark, schlägt viele und sehr gute Flanken und geht gerne ins Eins-gegen-eins. Vorgänger Robertson spielte zuletzt deutlich defensiver als in seinen besten Zeiten und rückte als dritter Innenverteidiger ein. Eine solche Spielweise ist von Kerkez nicht zu erwarten.
Taktisch bringt die Veränderung der Rollen der Außenverteidiger Veränderungen für das gesamte Team mit. Vor allem die offensiven Außen müssen nicht nur die Breite halten, sondern können mehr im Zentrum spielen. Dies könnte in Liverpools Fall zum Beispiel die Möglichkeit eröffnen mit Neuzugang Florian Wirtz auf der linken Seite zu spielen. Im Ballbesitz könnte Wirtz dann in seinen präferierten halblinken Zehnerraum einrücken. Auf der rechten Seite würde sich die Chance eröffnen Mohamed Salah wieder näher am gegnerischen Tor zu positionieren, wenn Frimpong die Breite besetzt.
(Photo: Getty Images)
Dieses Muster lässt sich auch allgemein beschreiben. Eine flexiblere und offensivere Besetzung der Außenverteidiger-Position bietet den offensiven Außenspielern mehr taktische Flexibilität. Auch für den Trainer öffnet sich der Raum die Flügel vielseitig zu besetzen. Auch Spieler mit klassischerweise mehr Zentrumsfokus können auf dem Flügel spielen, wenn sie im Ballbesitz die Freiheit bekommen in den Zehnerraum oder sogar ins Sturmzentrum einzurücken. So sind die Trainer nicht darauf angewiesen viele reine Flügelstürmer im Kader zu haben und können ihre torgefährlichsten Spieler näher ans gegnerische Tor bringen. Für die gegnerische Abwehr ist die höhere Flexibilität und die daraus entstehende Möglichkeit zu Positionsrochaden deutlich schwerer zu verteidigen. Gerade eine Manndeckung lässt sich dadurch gut aufbrechen und in Unordnung bringen.
Logischerweise macht eine offensivere Ausrichtung der Außenverteidiger das Team defensiv anfälliger. Gerade in der Konterabsicherung fallen sie dadurch weg. Dies muss innerhalb des Teams kompensiert werden. Ein Weg könnte beispielsweise sein, dass die zentralen Mittelfeldspieler zurückhaltender agieren. Bei PSG übernahmen diese Aufgabe im Wechsel beispielsweise Vitinha, Joao Neves oder Fabian Ruiz.
Nicht ganz so deutlich ist die Situation bei anderen europäischen Spitzenteams. Arsenal setzte zuletzt meist auf Außenverteidiger mit Zentrumsfokus. Miles Lewis-Skelly bewegt sich fast immer ins Mittelfeldzentrum, während Jurrien Timber und Ben White gelernte Innenverteidiger sind. Mit Ricciardo Calafiori hat Arteta einen Spieler im Kader, der, ähnlich zu Gvardiol bei City, mit seiner Physis auch als offensiver Außenverteidiger, der bis ins Sturmzentrum aufrückt, agieren könnte. Der italienische Nationalspieler ist allerdings oft verletzt und dürfte erstmal Ergänzungsspieler sein.
Beim Blick nach Spanien gibt es bei Real Madrid viele Fragezeichen. Lässt der neue Trainer Xabi Alonso mit einer Fünferkette spielen? Dann wären die Außenverteidiger zwangsläufig offensiver ausgerichtet. Spieler, wie Fran Garcia, Ferland Mendy oder Dani Carvajal und natürlich Neuzugang Trent Alexander-Arnold bieten die Möglichkeit für eine flexible und offensive Ausrichtung der Außenverteidiger. In Barcelona steht Hansi Flick mit Alejandro Balde ein sehr offensivstarker Linksverteidiger zur Verfügung, auf der rechten Seite ist Jules Koundé deutlich defensiver orientiert.
In Italien spielen viele Spitzenteams ebenfalls mit Dreierkette und, oder haben neue Trainer an der Seitenlinie, sodass hier etwaige Veränderungen weniger vorhersehbar sind.
(Photo: Getty Images)
Bleibt der Blick nach Deutschland auf den FC Bayern. Vincent Kompany stehen zumindest nominell einige Optionen für die Außenverteidigung zur Verfügung. Links hinten fällt Alphonso Davies, der der kompletteste und offensivstärkste Außenverteidiger im Kader ist, noch lange aus. Auch hinter der Fitness von Hiroki Ito, der als eingerückter Innenverteidiger spielen kann, steht nach mehreren Fußverletzungen ein großes Fragezeichen. Ansonsten steht hinten links noch der spielstarke Raphael Guerreiro bereit, der seine Stärken im Zentrum und der Offensive hat. Auf der anderen Seite ist Josip Stanisic durchaus offensivstark, konnte sich bisher aber in München noch nicht nachhaltig durchsetzen. Sacha Boey soll gehen, sodass mit Konrad Laimer noch eine weitere Alternative bereit steht. Der Österreicher ist gelernter Mittelfeldspieler, spielt in München jedoch fast nur rechts hinten. Sein Zusammenspiel mit Michael Olise funktionierte durchaus gut. Laimer kann sowohl ins Zentrum einrücken, als auch offensiv hinterlaufen und Räume für seine Mitspieler öffnen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass viele Spitzenteams in der kommenden Saison vermehrt auf eine offensivere Ausrichtung ihrer Außenverteidiger setzen werden. Insbesondere wird auch die Besetzung der Flügel im letzten Drittel wieder vermehrt zu ihrem Aufgabenbereich gehören. Dies ermöglicht eine höhere taktische Flexibilität des Teams generell und insbesondere eine Besetzung der offensiven Halbräume durch die nominellen Flügelspieler, die dadurch weniger an der Außenlinie kleben müssen. Zwar opfern die Teams dafür auch defensive Stabilität, wollen aber eine höhere offensive Durchschlagskraft erreichen und vor allem gegen die momentan weitverbreitete Manndeckung offensive Lösungen zu finden.