90PLUS
·9. September 2021
In partnership with
Yahoo sports90PLUS
·9. September 2021
Spotlight | In dieser Ausgabe unserer Serie „Deutsche Exportschlager“ geht es über den großen Teich in die Vereinigten Staaten. Hany Mukhtar, Julian Gressel und Kai Wagner mischen die Major League Soccer (MLS) auf.
Die Major League Soccer (kurz: MLS) ist die höchste Spielklasse im nordamerikanischen Fußball. Früher noch oft als bessere „Altherren-Liga“ oder „Rentnerliga“ geschimpft, gewann die MLS in den letzten Jahren nach und nach an Prestige dazu. Es hat ein Imagewandel stattgefunden. Zweifelsohne war es früher so, dass altgediente Top-Stars des europäischen Fußballs ihre Karriere in den Staaten haben ausklingen lassen. Mittlerweile ist dies allerdings nur noch äußerst selten der Fall.
Die Liga ist mittlerweile auch eine Chance für viele europäische Spieler, sich zu beweisen. Es mag aus verschiedensten Gründen nicht geklappt haben in den europäischen Ligen, in der MLS bekommen sie oft eine Chance. So auch die drei in diesem Artikel behandelten deutschen Spieler Hany Mukhtar (26), Julian Gressel (27) und Kai Wagner (24).
Hany Mukhtar galt seinerzeit als einer der talentiertesten seines Jahrgangs. 2014 wurde er an der Seite von Spielern wie Julian Brandt (25), Joshua Kimmich (26) oder Niklas Stark (26) U19-Europameister und schoss im Finale gegen Portugal (1:0) sogar das goldene Tor zum Titelgewinn. Anders als seinen eben genannten Mitspielern blieb dem Mittelfeldspieler der große Durchbruch in Deutschland verwehrt. Dennoch sei Mukhtar letztlich „sehr, sehr froh, wie alles verlaufen ist“. In einem Interview mit dem kicker gab er zu Protokoll, dass er jeden Schritt nochmal so gehen würde.
Zum Zeitpunkt der U19-EM hatte Mukhtar bereits Erfahrung bei den Profis von Hertha BSC gesammelt. Im September 2012 gab der damals 17-Jährige bereits sein Debüt für seinen Ausbildungsverein. In dieser Saison folgten sechs weitere Kurzeinsätze. Nach dem Aufstieg in die Bundesliga gehörte er auch 2013/2014 zum Kader der Hertha und kam auf insgesamt zehn Einsätze für die Profis. Dem Erfolg bei der U19-EM sollten eigentlich weitere Schritte bei den Profis folgen, diese blieben aber aus. Darum ging es für Mukhtar zunächst zu Benfica Lissabon.
Dort wollte es ebenfalls nicht so ganz klappen. Erst bei Brönby IF kam es zum Durchbruch des U19-Europameisters. Nach drei Jahren in Dänemark suchte Mukhtar im Januar 2020 aber eine neue Herausforderung und schloss sich dem gerade neu gegründeten MLS-Klub Nashville SC an. Sogar Mukhtar selbst war am Anfang etwas skeptisch. „Irgendwann […] kam ein dänischer Scout zum Training und erzählte mir irgendwas von der MLS. Da habe ich „Nein danke!“ gesagt“, offenbarte er jetzt. Allerdings hat sich sein Bild seit seinem Wechsel geändert. „Die Liga wird besser und besser, sie wächst unglaublich und wird, das ist meine Meinung, in den nächsten fünf bis zehn Jahren zu den Top-Ligen der Welt gehören“, erklärte der mittlerweile 26-Jährige.
Photo: Kevin Langley / Imago
Mukhtar sieht die MLS als „Sprungbrett“ und hat sich bewusst für einen Wechsel entschieden. „In Nashville wurde mir ein spannendes Projekt aufgezeigt, es soll ein Team um mich herum aufgebaut werden. Das ist eine große Ehre. Wann gibt es das schon, dass ein Verein quasi neu gegründet wird und du im Mittelpunkt stehst?“, erklärte der Offensivakteur. In der Tat ist Mukhtar der wertvollste und wohl produktivste Spieler bei Nashville. Bereits in seiner Debütsaison war er Dreh- und Angelpunkt, sammelte in 15 Spielen sieben Scorerpunkte (vier Tore, drei Assists) und qualifizierte sich mit dem Liga-Neuling direkt für die MLS-Playoffs.
Dort ging es direkt bis ins Viertelfinale, wo man sich erst in der Verlängerung dem späteren Finalisten Columbus Crew geschlagen geben musste (0:2). In der aktuell laufenden Saison geht der Höhenflug von Nashville weiter, auch dank Mukhtar. Aktuell rangiert man in der Eastern Conference auf dem dritten Platz und stellt mit nur zwei Niederlagen die wenigsten der gesamten Conference. Mukhtars Statistik: 20 Spiele, 15 Torbeteiligungen (acht Treffer, sieben Assists), darunter ein Hattrick gegen Chicago Fire (5:1). Es war gleichzeitige der schnellste Dreierpack in der Geschichte der MLS. Lediglich sechs Minuten brauchte der ehemalige deutsche Juniorennationalspieler für das Kunststück.
Sollte das „Märchen“ von Nashville und Mukhtar in dem Tempo weitergehen, steht einer baldigen Rückkehr des technisch versierten Rechtsfußes nach Europa nichts mehr im Weg. Und wer weiß, vielleicht sogar in die Bundesliga?
Einen gänzlich anderen Weg als Mukhtar hat Julian Gressel hinter sich. Der 27-Jährige spielte bis zu seinem sechzehnten Lebensjahr in der Jugend der SpVgg Greuther Fürth, entschied sich dann aber für einen Wechsel in die Jugend der SG Quelle Fürth. Von dort ging es dann im Zuge des Übergangs zu den Herren in die Heimat zur TSV Neustadt/Aisch. Nach zwei Jahren im Amateurbereich des deutschen Fußballs zog es 2013 den damals 19-Jährigen Gressel nach seinem Abitur auf ein amerikanisches College nach Übersee. Das war sein Sprungbrett in den Profifußball. In Deutschland hat der Mittelfeldspieler nie auf Profiniveau gespielt.
Photo: Fred Kfoury III/Icon Sportswire / Imago
Am Providence College im Bundesstaat Rhode Island ging das Abenteuer in Übersee los. Dreieinhalb Jahre rackerte sich Gressel fern von der Familie und Freunden ab. Das Ziel, es über das College in die MLS zu schaffen, stand dabei nie Mittelpunkt. Allerdings wurden seine Leistungen von Jahr zu Jahr stärker, sodass er in seinem letzten Studienjahr für den sogenannten Draft zugelassen wurde. Über das Draftsystem kommen in den amerikanischen Sportligen junge Talente in den Profisport.
Im MLS-Draft 2017 wurde Gressel bereits in der ersten Runde an achter Stelle von Atlanta United ausgewählt. Ähnlich wie Nashville war Atalanta damals ein Liga-Neuling. „Es war eine Rieseneuphorie in Atlanta. Beim ersten Freundschaftsspiel waren Massen von Fans da. Es gab große Unterstützung, obwohl wir noch nicht ein einziges Spiel gespielt hatten“, sagte Gressel im Gespräch mit deutschlandfunknova. Zudem erzählte er, dass vor allem zu Beginn so gut wie jedes Spiel ausverkauft war. „Da waren teilweise 70.000 Menschen im Stadion“, so Gressel.
Das erste Jahr war direkt ein voller Erfolg, sowohl für den damals 24-Jährigen als auch für den Verein. Man konnte sich für die Playoffs qualifizieren, schied allerdings dort in der ersten Runde im Elfmeterschießen gegen Columbus Crew aus. Gressel spielte eine starke Debüt-Saison (14 Torbeteiligungen in 32 Partien) und wurde als bester junge Spieler der Liga (Rookie of the Year) ausgezeichnet. 2018 ging es so weiter, diesmal überstand Atlanta die erste Playoffrunde und holte am Ende sogar den Titel (MLS-Cup). Ein Jahr, nachdem Atlanta in der MLS an den Start ging. In der Titelsaison steuerte Gressel in der regulären Spielzeit 16 Scorerpunkte (vier Treffer, zwölf Assists) in 33 Partien bei. In den Playoffs legte er einen Treffer auf.
Phoot: Robin Alam / Imago
Gressel ist ein Arbeiter auf dem Platz und sich für keinen Zweikampf zu schade. Vor allem seine Arbeit gegen den Ball und seine Flexibilität machen ihn so wertvoll. Seine vielen Assists zeigen zudem seine Stärken bei Flanken und sein Auge für den Mitspieler. Nach drei überaus starken Jahren bei Atlanta ging es dann nach Washington zu D.C. United. Gressel wollte eigentlich nicht wechseln, die Verhandlungen über ein besser dotiertes Arbeitspapier mit Atlanta verliefen allerdings im Sand.
Also entschied sich der Flügelspieler im Januar 2020 für einen sogenannten Trade (Tausch/Wechsel). „Ich wusste, dass andere Vereine bereit waren, mir den Vertrag zu geben, den ich mir vorgestellt habe“, verriet der 27-Jährige. Im amerikanischen Sport haben die Spieler allerdings kaum bis gar kein Mitspracherecht, wohin es dabei für sie geht. „Es entschied sich dann zwischen den NY Red Bulls und Washington“, offenbarte Gressel. Nach einer eher durchwachsenen ersten Saison in der amerikanischen Hauptstadt läuft es in der zweiten deutlich besser. In der Eastern Conference rangiert D.C. United aktuell auf dem siebten Rang, der zur Teilnahme an den Playoffs berechtigt.
Ähnlich wie Mukhtar will Kai Wagner die MLS ebenfalls als Sprungbrett nutzen. Der Linksverteidiger spielt seit 2019 in den Staaten und hat sich mittlerweile zu einem der besten Außenverteidiger der Liga entwickelt. Anders als Gressel hat Wagner durchaus „professionelle“ Erfahrungen in Deutschland gesammelt. Unter anderem kickte der Linksfuß in der Jugend des FC Augsburg. Im Herrenbereich spielte er eine Saison für die Reserve des FC Schalke 04, sowie in der 3. Liga bei den Würzburger Kickers. Von 2017 bis 2019 spielte er in Würzburg und erregte schon dort das Interesse einige Klubs aus der 2. Bundesliga. Dennoch verschlug es ihn dann 2019 in die MLS zu Philadelphia Union.
Photo: Kyle Ross/Icon Sportswire / Imago
„Ich hatte Gelegenheiten, in der 2. Bundesliga zu unterschreiben, aber diese Vereine haben mich nicht überzeugt. Also begann ich, mit amerikanischen Klubs zu sprechen“, erzählte Wagner in einem Interview mit 90min. Philadelphia soll sich laut Wagner immens um ihn bemüht haben. „Vor allem der Sportdirektor, der Deutscher ist (Ernst Tanner, Anm.d.Red.) und mein Profil gut kannte, hat mich von einem Wechsel überzeugt“, offenbarte er. Schaut man sich ein Spiel des Linksverteidigers an, fällt sofort auf, wo seine Stärken liegen. „Ich bin ein Verteidiger, der sich offensiv einschaltet und den Gegner aggressiv unter Druck setzt. Ich mag es, mich in das Spiel nach vorne einzubringen und so viele Flanken wie möglich zu schlagen“, beschreibt Wagner seinen Spielstil.
In der MLS fasste der heute 24-Jährige sofort Fuß. In seiner Debütsaison stand er in 30 Partien auf dem Feld und bereitete sechs Treffer vor. Philadelphia qualifizierte sich für die Playoffs, scheiterte aber im Viertelfinale an Atlanta. Ein Jahr später warteten erneut die Playoffs, diesmal war Union als Sieger der Eastern Conference einer der Titelfavoriten. Allerdings schieden Wagner und Co. bereits im Achtelfinale überraschend gegen New England Revolution aus. Aktuell sieht alles danach aus, dass sich Wagner in seinem dritten Jahr auch zum dritten Mal für die Playoffs wird qualifizieren können. Philadelphia liegt in der Eastern Conference auf dem fünften Rang.
Photo: Fred Kfoury III/Icon Sportswire / Imago
Wagner selbst ist überzeugt davon, dass seine positive Entwicklung so weitergehen kann. „Ich habe jetzt zwei großartige Saisons in der MLS hinter mir. Ich bin auf dem richtigen Weg“, konstatierte er. Eine Rückkehr nach Europa sei für ihn daher nur eine Frage der Zeit: „Zurück nach Europa? Auf jeden Fall! Mein Ziel ist es, der Beste zu werden, der ich sein kann, und um das zu erreichen, muss ich mich auch in Europa weiterentwickeln!“
Photo by Imago
Live
Live
Live