MillernTon
·5. September 2025
Ein wiederkehrendes Thema

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·5. September 2025
Nach dem Testspiel des FC St. Pauli in Kiel machte Dapo Afolayan erneut keinen Hehl aus seinem Frust über zu wenig Spielzeit.(Titelfoto: Stefan Groenveld)
Wie es Spielern geht, die wenig Spielzeit bekommen, kann man oft nur mutmaßen. Weil sie in den Mixed Zones selten danach gefragt werden. Denn sie sind nicht so sehr im Fokus, wie jene, die am Wochenende auf dem Rasen stehen. So ist es schon besonders, wenn einer dieser Spieler von seinem Innenleben erzählt. So geschehen, und das nicht zum ersten Mal, bei Dapo Afolayan. Der Offensivspieler wurde, nach einem Kurzeinsatz am ersten Spieltag, im Derby nicht eingesetzt. Aufgrund der geringen Einsatzzeit und der Vorgeschichte konnte man auch bereits erwarten, dass nun eine altbekannte Thematik wieder hochkochen würde. Es war nur eine Frage der Zeit – solange nämlich, bis Dapo Afolayan wieder vor die Mikros treten würde.
Nach dem Testspiel gegen Holstein Kiel, bei dem Afolayan zur zwischenzeitlichen Führung traf, war es dann soweit. Er wurde auf seine geringe Spielzeit angesprochen. Bereits nach seinen letzten Interviews war klar: Afolayan ist niemand, der Dinge diplomatisch ausdrückt. Und auch niemand, der sich davor scheut, diese Dinge in der Öffentlichkeit anzusprechen.Das ist an sich alles andere als schlimm. Alle wünschen sich mehr als 08/15-Aussagen von Fußballprofis. Dieses „mehr“ bekommen wir von Dapo.
Wo ist dann also das Problem? Denn natürlich finden Fußballprofis es richtig scheiße, wenn sie nicht spielen. Es wäre ungewöhnlich, wenn es nicht so wäre (Ausnahmen bestätigen die Regel). Schließlich trainieren sie die gesamte Woche darauf hin. Ohne eine (un)gesunde Prise Ehrgeiz und auch Selbstbewusstsein schafft es kein Spieler in die Bundesliga. Es wäre total verwunderlich und sicher nicht hilfreich für das Team, wenn Dapo Afolayan sich mit seiner aktuellen Rolle als Bankspieler zufriedengeben würde. Das sind Themen, die in jedem Fußballteam moderiert werden müssen, in einem Mannschaftssport voller Egoisten. Konflikte sind vorprogrammiert, sie gehören dazu. Doch zumeist werden sie intern ausgetragen. In Interviews gibt es dann diplomatische Aussagen zu hören, während es in der Kabine deutlicher zugeht. Im besten Fall bedeutet das für einen Club, dass sich Spieler noch mehr reinhängen, als sie es vorher taten. Im schlechtesten Fall machen sie sich öffentlich Luft, ohne sich im Training weiter reinzuhängen.
Ob und wenn ja, welches dieser Szenarien beim FC St. Pauli zutrifft, lässt sich von außen nicht seriös beantworten. Wichtig wäre, wenn es Dapo Afolayan gelingen würde die berühmte „Antwort auf dem Platz“ zu geben, auf die Nicht-Berücksichtigung mit guten Leistungen zu reagieren. So wie er es in der Vorsaison zum Beispiel nach der Nicht-Berücksichtigung in der Hinrunde gegen Wolfsburg machte – mit einer starken Leistung gegen Hoffenheim. Einen Bankplatz hatte er auch zu Beginn der Saison 24/25, erarbeitete sich dann aber dank guter Leistungen einen Stammplatz. In der Rückrunde ging die Spielzeit aber immer weiter zurück. Wie sehr Afolayan das frustrierte, wurde in seinem Interview kurz nach Saisonende mehr als deutlich. Die letzte Saison von Dapo Afolayan und auch sein Start in diese ist von Wellenbewegungen geprägt.
Dann ist die Geschichte ja eigentlich einfach: Dapo Afolayan müsste an den Dingen arbeiten, die aktuell nicht passen und würde so wieder den Weg zurück auf den Rasen finden. Doch dazu müsste er laut eigener Aussage erst einmal wissen, worauf er eine „Antwort auf dem Platz“ geben muss. Nach gutem Start in die Vorbereitung, sitzt Afolayan nun zu Beginn der Spielzeit auf der Bank und laut eigener Aussage weiß Afolayan nicht wirklich, warum: „Es ist nichts passiert, es hat sich nicht geändert. Ich habe genau so weitergemacht.“ Alexander Blessin erklärte gegenüber Medienvertreter*innen dazu nach dem Pokalspiel gegen Norderstedt: „Gerade in den ersten drei Wochen war Dapo sehr energiereich, hat der Mannschaft sehr viel gegeben. In den letzten beiden Vorbereitungsspielen, fand ich, hatte er ein bisschen weniger Energie“ und betonte, dass es sich bei der Entscheidung um „keine gegen Dapo, sondern eine für Andréas“ gehandelt habe.
Interessant dabei: Auf Nachfrage erklärte Afolayan, dass mit ihm im Laufe der Vorbereitung nicht darüber gesprochen worden sei, dass er den letzten Abschnitt der Vorbereitung weniger energiereich bestritten habe. Womit wir mehr oder weniger direkt zur Kritik an der Körpersprache von Dapo Afolayan kommen. Diese gab es von Alexander Blessin, aber inzwischen vor allem auch von Fans und Medien-Vertreter*innen (da nehme ich mich selbst nicht aus). Sie hat sich inzwischen etwas verselbstständigt, viele dürften besonders kritisch auf Afolayans Verhalten auf dem Platz schauen. Das stört den offensiven Außenbahnspieler gewaltig. Er erklärt, dass er die Berichterstattung über seine Körpersprache für „beschissenen Journalismus halte“, denn der „Begriff Körpersprache ist ein Begriff, der nur verwendet wird, um bestimmte Spieler zu beschreiben.“ Genauer führte Afolayan diese Kritik nicht aus.
Der Vorwurf, dass Dapo Afolayans Körpersprache nicht passt, stört ihn selbstverständlicherweise gewaltig. Ob Statistiken diesen Vorwurf der nicht ausreichenden Arbeitsmoral unterstützen, ist nicht ganz klar. Sicher ist, dass Zahlen alleine der Thematik nicht gerecht werden. Der MillernTon-Artikel „Dapo Afolayan – ein Problem für die Defensive?“ wurde jedenfalls kontrovers diskutiert – auch Blessin äußerte sich damals dazu. Er erklärte, dass es bei der Arbeit gegen den Ball unter anderem um die richtige Positionierung gehe und auch darum aktiver nachzuarbeiten. Dinge, die sich nicht in Zahlen abbilden lassen.
Generell ist auffällig: Wenn es um die Kritik an der Spielweise von Dapo Afolayan geht, dann sind die öffentlichen Aussagen von Blessin und Afolayan nur auf den ersten Blick gegensätzlich. Denn wer es genauer betracht, der/dem wird aufgefallen sein, dass beide zuletzt meist von unterschiedlichen Dingen sprachen: Blessin sprach oft das Defensivverhalten an. Afolayan betonte hingegen selbstbewusst seine Fähigkeiten in der Offensive, bezeichnete sich nun nach dem Kiel-Spiel als einen der „besten Dribbler, besten Ballträger in Europa“. Er erklärte vorher, dass er von seinen Qualitäten überzeugt sei, seinen Teams immer „mit Toren und Vorlagen“ weitergeholfen habe. Es wird also von unterschiedlichen Dingen geredet.
Um die Kritik zumindest ein wenig genauer zu untersuchen, lohnt sich ein Blick in die Zahlen: Zum einen die Laufstatistiken, um sich dem Thema „Bereitschaft“ zumindest ein bisschen zu nähern. In der letzten Saison lag Dapo Afolayan in den Laufstatistiken (Sprints: 24 pro 90 Minuten, intensive Läufe: 66 pro 90 Minuten, gelaufene Kilometer: 10,2km pro Minuten) eher hinter Morgan Guilavogui (27, 68, 9,7) und deutlich hinter Elias Saad (31, 88, 12,3), aber eher vor Noah Weißhaupt (20, 65, 10,4). Bei den geführten Defensivzweikämpfen und abgefangenen Pässen liegt Afolayan ebenfalls hinter diesen beiden Spielern zurück, dieses Mal deutlicher hinter Guilavogui als Saad. Hier sind die Zahlen aber auch deutlich höher als jene von Weißhaupt.
Die Statistiken sind mit äußerster Vorsicht zu betrachten, weil sie nur einen ganz oberflächlichen Eindruck liefern. Denn einen Leistungsnachweis für die „Bereitschaft“ zur Arbeit gegen den Ball, liefern sie nicht. Weil die Laufwerte nicht in Offensiv- und Defensivaktionen unterteilt werden – und weil auch unklar ist, ob Spieler überhaupt verstärkt Defensivzweikämpfe führen oder nur Räume zustellen sollen. Sie können aber schon als leichte Indikatoren dienen. Die Zahlen zeigen erneut, dass es sicher Luft nach oben gibt im Defensivverhalten von Dapo Afolayan. Aber sie zeigen eben auch, dass seine Leistungen weit nicht so bodenlos sind, wie sie in vielen (Sozialen) Medien beurteilt werden.
Klar ist natürlich auch: Wenn ein Spieler so etwas sagt wie „ich bin einer der besten Dribbler, besten Ballträger in Europa“ – dann versteht der MillernTon das als Einladung mal genauer in die Zahlen zu schauen (Zahlen von WyScout).Dapo Afolayan hat letzte Saison pro Spiel zu durchschnittlich 7,2 Dribblings angesetzt – damit gehört er zu den Top15 in Europa auf seinen Positionen (linke und rechte offensive Außenbahn, nur „Top5-Ligen“). Auch wenn die „erfolgreichen Dribblings pro Ballkontakt“ als Metrik herangezogen werden, gehört Afolayan zu den besten Spielern Europas. Das wird allerdings massiv dadurch relativiert, dass er von 122 Spielern in der WyScout-Liste mit mehr als 2,4 Dribblings pro Partie auf Platz 107 liegt, was die Erfolgsquote der Dribblings angeht. Afolayan dribbelte letzte Saison also überdurchschnittlich viel, allerdings mit unterdurchschnittlicher Erfolgsquote. Nur drei Bundesligaspieler haben letzte Saison öfter pro 90 Minuten den Ball verloren. Um zu schauen, welche Qualitäten er als Ballträger hat, lohnt sich der Blick in die „progressiven Läufe“: Da liegt Afolayan mit 2,7 progressiven Läufen pro Spiel auf Platz 72 von 122. Um den Beitrag zur Offensive noch genauer zu bemessen, bräuchte es Metriken wie ‚expected Threat‘ – ob das aber das generelle Bild massiv ändert? Eher unwahrscheinlich.
Medial kehrt dieses Thema immer wieder zurück, es wird immer wieder nachgefragt. Weil Medien-Vertreter*innen hier eine „Story“ wittern. Das ist anstrengend und vor allem rückt dadurch die Spielweise von Dapo Afolayan vermehrt in den Fokus, wird auch öffentlich sehr kritisch (teilweise kritischer als bei anderen Spielern) betrachtet. Es ist aber eben auch ein sich verstärkender Prozess, die Protagonisten liefern zuverlässig Inhalte. Denn sowohl Alexander Blessin, als auch Dapo Afolayan äußern sich öffentlich zu diesem Thema, wenn sie danach gefragt werden. Somit wird ein Konflikt, der normal ist in jeder Kabine, aber eben nur dort hingehört, wiederholt in die Öffentlichkeit getragen. Denn wenn jemand bei einem Club auf der Bank sitzt, der um den Klassenerhalt in der Bundesliga spielt, sich aber öffentlich sehr selbstbewusst zu seinen Fähigkeiten äußert und seine sportliche Situation beklagt, dann wird darüber berichtet. Das ist so im Profifußball – auch wir leisten hier ja einen Beitrag dazu (und haben intensiv diskutiert, ob wir das wirklich machen sollen).
Wie geht es nun weiter? Der öffentliche Eindruck ist jedenfalls bescheiden. Die Verantwortlichen des FC St. Pauli werden vermutlich schon die Frage beantwortet haben, ob man es sich leisten kann einen Spieler in der eigenen Kabine zu haben, der aktuell eher mit Antworten neben als auf dem Platz für Aufsehen sorgt. Auch für Afolayan selbst scheint der Frust über wenig Spielzeit nicht so groß zu sein, dass ein Wechsel ernsthaft angestrebt wurde. Denn das Transferfenster war offen, als bereits klar war, dass Dapo Afolayan aktuell nicht erste Wahl ist. Vielleicht ist es intern also ganz anders, vielleicht wird dort anders über die Themen gesprochen, wird der Frust tatsächlich in Leistung auf dem Platz umgesetzt. So wie es die letzten Male gelang. Sicher ist aber auf jeden Fall: Für den FC St. Pauli, besonders aber für Dapo Afolayan wäre extrem wichtig, dass es spätestens jetzt ruhiger wird.
// Tim
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