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·25. Juli 2025
Frauenfußball in Deutschland: Zwischen Nationalstolz und strukturellen Baustellen

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·25. Juli 2025
Was für Einschaltquoten, welcher Nervenkitzel? Nach den Sommerferien werden wohl viele Mädchen im Trikot von Aitana Bonmatí auf Deutschlands Fußballplätzen stehen. Sollte England im Finale gegen Spanien triumphieren, könnten auch Shirts von Chloe Kelly oder der erst 19-jährigen Michelle Agyemang zum Trend werden.
Bei den Torhüterinnen werden wir den Namen Berger sehen – trotz des vermeintlichen Fehlers gegen Spanien, der in meinen Augen eher die Folge eines Geniestreichs der Weltfußballerin Bonmatí war: Es gibt nur eine Handvoll Spielerinnen, die nach 120 gespielten Minuten noch den Kopf hochnehmen, die kleine Lücke erkennen sowie die nötige Präzision und Schärfe hinkriegen.
Vielleicht inspiriert das deutsche Nationalteam viele Mädchen sogar für die Defensivarbeit: Wenn selbst eine technisch starke Spielerin wie Jule Brand kompromisslos verteidigt, grätscht und bis zur Erschöpfung läuft, kann sie darüber genau wie mit Toren oder Vorlagen zum Vorbild werden. Ich würde dem DFB empfehlen, schon mal die Flockmaschinen mit ihrem Namen anzuwerfen.
Die deutsche Elf hat sich so leidenschaftlich in die Herzen gespielt, dass einige Experten nun auch bei den Frauen die deutschen Tugenden postulieren und gar an Jens Jeremies, Jürgen Kohler und Berti Vogts erinnern. Die eigentlichen Herausforderungen für den Mädchen- und Frauenfußball liegen ohnehin nicht in der Nationalelf.
Noch immer trainieren Frauen und Mädchen in den Amateurclubs oft zu Randzeiten, etwa montags oder freitags. Währenddessen fließen in vielen Clubs weiterhin die meisten Mittel „traditionell“ in die 1. Herrenmannschaft – selbst in unteren Ligen, wo Prämien oder Handgelder den Weg auf wundersame Weise in die Taschen der Spieler finden. Überweisungen sind eher unerwünscht, könnten darüber doch Finanzflüsse identifiziert werden.
Bei den Frauenteams sind solche Anreize die Ausnahme, auch wenn es sie sehr vereinzelt gibt. Frauen dürfen zwar in allen Bereichen die gleichen Fehler machen wie Männer – so viel Gleichberechtigung sollte im Fußball selbstverständlich sein. Aber die entscheidenderen Baustellen sind andere, wovon ich drei herausstellen will.
Zur ersten Problematik ist beinahe alles gesagt, doch geändert hat sich wenig bis nichts. Mädchen trifft die Infrastrukturmisere besonders hart, da vielerorts geschützte Umkleiden und Sanitäreinrichtungen fehlen. Gerade wieder wurde bei einem Neubau nur eine Kabine für Unparteiische eingeplant – dabei sind heute gemischte Gespanne längst üblich. Warum lassen Sportverbände bei Neubauten solch fehlende Berücksichtigung weiterhin zu? Oder steht das Thema schlichtweg nicht auf der Agenda?
Auch hinsichtlich Trainingsqualität gibt es Nachholbedarf. Häufig leitet „irgendwer“ das Training; Übrungsleiter:innen mit Schein – insbesondere höherer Lizenzstufe – sind Mangelware. Anders als im Männerbereich hören viele Frauen mit Ende 20 auf. Immerhin soll nun in Berlin eine Ü35-Liga als Pilotprojekt starten. Ein wichtiger Schritt, schließlich engagieren sich Aktive häufiger als Trainerin. Natürlich gibt es auch Trainer im Mädchenbereich, doch je höher die Lizenz, desto mehr orientieren sich diese an ambitionierten Jungs-Teams.
Am gravierendsten ist jedoch die Unterbesetzung von Frauen in den relevanten Gremien. In Berlin gibt es momentan nicht einmal eine Beauftragte für den Mädchenfußball im Jugendausschuss – in einer Stadt mit fast vier Millionen Menschen!
Gremienarbeit ist nicht immer vergnügungssteuerpflichtig, das weiß ich nur zu gut. Gerade deshalb ist Veränderung hier dringend geboten. Wobei die viel zitierten alten weißen Männer das Feld nicht freiwillig räumen werden. Der Spruch „Das haben wir schon immer so gemacht!“ dominiert nach wie vor, und der Generationswechsel bleibt aus.
Wobei mir eine Freundin immer wieder sagt, das Alter sei nicht das Problem. Es gebe auch jüngere Männer, die nicht bereit wären, neues Denken zuzulassen. So wie es Ältere gibt, die immer noch nach Innovationen suchen. Die Strukturen deutscher Sportverbände sind insgesamt konservativ – was teils profane Gründe hat, da bspw. Änderungen der Spielordnung Zeit und rechtliche Absicherung brauchen. Aber das kann kein Argument gegen notwendige Reformen sein. Die Diskussionen um den Stellenwert ersetzt es ohnehin nicht.
So wichtig die Forderung nach mehr Frauen in Entscheidungsgremien ist, so braucht es auch genügend Freiwillige, die den teils steinigen Weg der Verbandsarbeit auf sich nehmen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie oft man dabei aneckt, sich auch mal eine blutige Nase holt. Aber es gilt, sich nicht entmutigen zu lassen. Statt – wie im Herrenbereich – Mittel zu sammeln und in Teams zu stecken, wäre es sinnvoller, gezielt Mädchen- und Frauenabteilungen finanziell zu fördern.
Stellen wir uns vor, wir könnten durch Investor:innen und Sponsor:innen im Berliner Fußball jährlich 100.000 Euro speziell für den Mädchenbereich aufbringen: Damit ließen sich zwei Vollzeitstellen schaffen, die sich ausschließlich um die Entwicklung des Juniorinnenfußballs kümmern. Natürlich wäre das kein Allheilmittel und entbindet uns nicht, Positionen und Auffassungen zu diskutieren. Aber spürbare Verbesserungen wären sicher möglich. Nur zum Vergleich: Fußballstars wie Harry Kane oder Manuel Neuer verdienen die genannte Summe in wenigen Tagen – vielleicht wäre es an der Zeit, sie um Unterstützung zu bitten.
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