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·22. Oktober 2025

„Neue Herausforderungen, denen wir uns gerade stellen müssen“

Artikelbild:„Neue Herausforderungen, denen wir uns gerade stellen müssen“

Seit mehr als sechs Jahren ist Andreas Bornemann Geschäftsleiter Sport beim FC St. Pauli. Wir haben mit ihm darüber gesprochen.(Titelfoto: Selim Sudheimer/Getty Images/via OneFootball)

Um etwas besser zu verstehen, wie Andreas Bornemann arbeitet, lohnt sich ein Blick in seine Vergangenheit. 1988 wechselte der damals 17-jährige als Fußballer in die A-Jugend zum SC Freiburg. Allerdings nicht als Profi, sondern als „Stand-by-Profi“, so erklärt er es zumindest selbst: „Wenn ich bei den Profis gebraucht wurde, habe ich dort gespielt, habe aber überwiegend als Kapitän der U23 gespielt.“ So kam es, dass Bornemann, obwohl er „gar keinen Fokus hatte Profi zu sein oder zu werden“ zu insgesamt sechs Bundesligaeinsätzen kam. Und das als polyvalenter Spieler, in einer Zeit, in der es der Begriff „polyvalent“ noch nicht so wirklich in den Profifußball geschafft hatte.


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Fußball, VWL und BWL

Während dieser Jahre als „Stand-by-Profi“ hat Andreas Bornemann bereits studiert. Angefangen mit VWL in Freiburg, später BWL in Basel. Allein aufgrund der Wahl der Studiengänge ist eine Tendenz erkennbar, in welcher Richtung es für Bornemann später weitergehen sollte. „Mich hat das Gesamtthema interessiert. Im Kern natürlich der Fußball, der immer meine Leidenschaft war und ist, aber das Große und Ganze mitzugestalten hat mich noch mehr gereizt.“ Dass er dem Profifußball aber auch über die Spielerkarriere hinaus erhalten bleibt, hatte er jedoch eigentlich nicht unbedingt geplant. Bornemann hatte während seines Studiums in Basel damit geliebäugelt dort einen Arbeitgeber zu finden. Dass er dem Fußball doch erhalten blieb, dafür sorgte der SC Freiburg: (Volker) Finke und (Achim) Stocker waren große Unterstützer von mir, die mir den Weg aufgezeigt haben.“

Dort in Freiburg machte Andreas Bornemann dann seine ersten Schritte im Management. Ein durchaus besonderer Standort, wenn man sich anschaut, wie lange Personen dort in verantwortlichen Positionen bleiben. „In Freiburg sieht man Kontinuität als Erfolgsfaktor an.“ Wenngleich diese Kontinuität in der Phase zwischen den Cheftrainern Finke und Streich etwas ins Wanken geriet, so kann das doch durchaus als eine der großen Stärken des Clubs angesehen werden. Eine Stärke, die maßgeblich dazu beigetragen hat, dass der nicht unbedingt traditionelle Fußball-Standort Freiburg inzwischen ein absolut etablierter Bundesligist ist. Diese Kontinuität, so erklärte es Bornemann, sei etwas, „was man nicht kopieren kann“, aber schon etwas, an dem man sich orientieren kann.

„Das erste Jahr hatte fast nur was mit Schadensbegrenzung zu tun.“ Andreas Bornemann über seine Anfänge beim FC St. Pauli

Freiburg, Aachen, Kiel, nicht Fürth, Nürnberg, dann der FC St. Pauli

In Freiburg blieb Andreas Bornemann als Manager bis 2007, ehe es ihn zu Alemannia Aachen zog. Rückblickend sagte er, dass er dort damals vor seiner Unterschrift „zu wenig Fragen gestellt“ habe, weil schnell nach Dienstantritt 2009 klar geworden sei, dass die finanzielle Situation schwieriger war, als angenommen. Von 2010 bis 2014 war Bornemann dann Sportdirektor von Holstein Kiel, ehe es eigentlich nach Fürth gehen sollte, was dann aber nicht zustande kam. Stattdessen war er ab 2015 Sportvorstand in Nürnberg, stieg mit dem Club 2018 in die Bundesliga auf. Anfang 2019 wurde er dort aber entlassen, nachdem er sich weigerte Trainer Michael Köllner freizustellen. Im Anschluss „wollte ich ein bisschen Zeit zwischen zwei Stationen vergehen lassen.“ Geklappt hat das nicht, denn kurze Zeit später meldete sich der FC St. Pauli bei ihm. Und so begann Andreas Bornemann dann im Sommer 2019 einen Job, den er bis heute innehat: Geschäftsleiter Sport beim FC St. Pauli.

Diese Zeit startete durchaus kompliziert. Monate bevor Andreas Bornemann seinen Job am Millerntor antrat, hatte Jos Luhukay das Traineramt übernommen. Luhukay hatte dann vor dem ersten Spieltag der Saison 19/20 auf einer denkwürdigen Pressekonferenz klar und deutlich gesagt, was er vom Kader hält („Hier herrscht zu viel Bequemlichkeit!“, „Alles über Platz neun wäre in dieser Saison ein Riesen-Erfolg!“). Luhukay sei auch im weiteren Saisonverlauf, so erklärt es Bornemann, nicht geduldig genug gewesen, um einen richtigen Umbruch beim FC St. Pauli einzuleiten. Dabei sei besonders zu Beginn einer Amtszeit einer neuen sportlichen Leitung genau das gefragt, Bornemann sprach von einer Zeitschiene „von zwei, drei Jahren“, die es benötige, um so einen Umbruch durchzuziehen: „Die Geduld muss jeder Aufsichtsrat, jedes Präsidium haben.“ Genau diese Bereitschaft habe es damals in großen Teilen beim FC St. Pauli gegeben, erklärte der 54-jährige.

Fehlende Geduld bei Luhukay, Aufbruchsstimmung bei Schultz

Bevor dieser Umbruch auch im Kader eingeleitet werden konnte, musste zu Beginn allerdings erst einmal mit einem riesengroßen Kader umgegangen werden. Der führte dazu, dass Andreas Bornemann vorerst hauptsächlich mit Leihgeschäften arbeiten konnte. Spieler wie Leo Östigard, Viktor Gyökeres und James Lawrence wurden leihweise verpflichtet. Bornemann: „Das erste Jahr hatte fast nur mit Schadensbegrenzung zu tun.“ Dann kam die Corona-Pandemie, der FCSP sammelte mühsam die für den Klassenerhalt notwendigen Punkte zusammen. Luhukay hatte in der Zwischenzeit mit einigen älteren und erfahreneren Spielern gebrochen, und spätestens am Saisonende war für Bornemann klar: „Gemeinsam etwas zu entwickeln, planvoll und schrittweise – das war mit Jos dann nicht mehr möglich.“

Im Anschluss an das Kapitel Luhukay habe man sich in der sportlichen Leitung die zentrale Frage gestellt: „Was bringt den Verein wieder in eine positive Richtung?“ Es sei damals auch darum gegangen wieder ein positiveres „Gesamtgefühl“ zu erschaffen. Dieses Gefühl konnte mit Timo Schultz als Cheftrainer erschaffen werden. Bornemann: „Du hast gemerkt, dass vom ersten Tag an eine Aufbruchsstimmung entstanden ist.“

Ende 2022: Schultz oder Bornemann

Nach einer schwierigen ersten Halbserie sollte der FC St. Pauli das Jahr 2021 wie im Rausch verbringen, an dessen Ende die Herbstmeisterschaft stand. Alles war auf den Aufstieg am Saisonende 21/22 ausgerichtet. Doch es kam nicht dazu. „Es gab ein paar Dinge, die nicht funktioniert haben und wir haben den Weg, den wir eigentlich definiert hatten, wie die nächsten Schritte laufen sollen, verlassen. Das Ergebnis war, dass wir dahin wieder zurückgefallen sind, wo wir angefangen haben.“ Der Sportchef erklärte, dass es aus seiner Sicht damals, Ende des Jahres 2022, nur zwei Möglichkeiten gegeben habe: Schultz oder Bornemann – der Ausgang ist bekannt.

Dass diese Entscheidung sowohl medial als auch in der Fanszene des FC St. Pauli ein gewaltiges Echo hervorrufen würde, war Bornemann klar: „Ich war mir schon bewusst, was auf der Mitgliederversammlung passieren würde. Aber ich konnte es inhaltlich begründen.“ Der 54-jährige erklärte, dass es ihm bei der Arbeit im Fußball darum gehe „Dinge so voranzutreiben, dass es sich verbessert“, also um die inhaltliche Arbeit und um nichts anderes: „Ich war und bin nicht im Fußball unterwegs, um Freundschaften für’s Leben zu schließen, auch mit Timo nicht.“

Fabian Hürzeler übernahm als Cheftrainer, übrigens nach Rücksprache mit Schultz, wie Bornemann betonte. Eine mutige Entscheidung des Sportchefs, schließlich hatte Hürzeler damals noch kein Herren-Team auf diesem Niveau trainiert und war noch nicht fertig mit seiner Ausbildung zum Fußballlehrer. Bei Fabian habe Bornemann „eine gewisse Substanz“ erkannt, um Dinge voranzutreiben: „Er ist wirklich ein Fußball-Besessener. Der hat so Lust auf dieses Spiel, hat so gute Ideen und hat alles, was er hatte, in diese Zeit hier reingelegt.“ Diese Zeit wirkt nach, bis heute: „Viele Elemente, viele Dinge, die bis heute für uns Gültigkeit haben, sind mit Fabian gemeinsam an der Kollau entstanden.“

„Ich war und bin nicht im Fußball unterwegs, um Freundschaften für’s Leben zu schließen“ Andreas Bornemann

Objektive Nähe und kritische Distanz

Die Überzeugung, dass Fabian Hürzeler zu dem Zeitpunkt der richtige Trainer ist, sei auch deshalb vorhanden gewesen, weil Bornemann ihn schon aus der Zeit zuvor gut kannte. Denn für derartige Überzeugungen brauche es eine gewisse Nähe: „Solche Entscheidungen traue ich mir nur zu, wenn ich möglichst nah dran bin. Ich bewege mich nicht jeden Tag in der Kabine, aber ich bin jeden Tag an der Kollau.“ Das ist auch der Grund, warum Bornemann bei Spielen mit auf der Bank sitzt, denn „Wie soll ich einen Trainer beurteilen, wenn ich nicht sehe, wie er arbeitet?“ Allerdings brauche es auch eine „kritische Distanz“, um diese Arbeit eben auch möglichst objektiv bewerten zu können.

Bewertet werden kann auch das Scouting des FC St. Pauli. Wenn man sieht, wie sich das Leistungsniveau des Kaders unter der Leitung von Andreas Bornemann in den letzten Jahren entwickelt hat, dann ist die Bilanz extrem positiv. Das ist ein Ergebnis des erfolgreichen Scouting-Prozesses. Wie fein dieser geworden ist und welche Herausforderungen es allgemein bei der Kaderplanung gibt, erklärte Bornemann unter anderem auch anhand der Situation im aktuellen Kader: „Es ist von der Akzeptanz her einfacher nach einer schlechten Saison neue Spieler reinzubringen, als wenn du mit Aufstieg und Klassenerhalt zwei erfolgreiche Jahre hast und einige Spieler, die maßgeblich daran beteiligt waren, sich plötzlich neuer Konkurrenz ausgesetzt sehen. Das bringt nochmal ganz neue Herausforderungen, denen wir uns jetzt gerade stellen müssen.“

Damit Andreas Bornemann sich diesen Herausforderungen auch stellen kann, braucht es Präsenz: „Ich brauche das Gefühl: Ich bin dran an den Themen, ich weiß was passiert.“ Das dabei der Familienurlaub in den Hintergrund rückt, gehört aufgrund des Spielplans zur Natur der Sache. Das ändert aber nichts an der Motivation für diesen Job: „Ich sehe es als Privileg an im Fußball arbeiten zu dürfen. Ich ziehe aus dem, was ich machen darf, wahnsinnig viel.“Der FC St. Pauli hat davon in den letzten sechs Jahren extrem profitiert.

// Tim

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