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·4. Juli 2025

Türkische Topklubs und das Homegrown-Dilemma: Wenn Europas Listen zur Last werden

Artikelbild:Türkische Topklubs und das Homegrown-Dilemma: Wenn Europas Listen zur Last werden

Galatasaray, Fenerbahçe und Beşiktaş kämpfen Jahr für Jahr mit einer unsichtbaren, aber folgenschweren Hürde auf europäischem Parkett: der Homegrown-Regel der UEFA. Diese verpflichtet die Teilnehmer der Champions League und Europa League dazu, einen Teil ihrer Kaderplätze mit Spielern zu füllen, die sie selbst ausgebildet haben oder die zumindest im gleichen nationalen Verband groß geworden sind. Doch in der Türkei mangelt es an nachhaltiger Nachwuchsarbeit und so stehen sich die Großklubs bei der Kaderplanung oft selbst im Weg. Ein Kommentar von LIGABlatt-Redakteur Çetin M. Dahle.

Europas Kaderlisten – eine unbarmherzige Realität für die Süper Lig


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Nach aktuellem UEFA-Reglement dürfen Klubs für den wichtigsten Kader, die sogenannte Liste A, maximal 25 Spieler melden. Acht davon müssen als "locally trained" gelten – also entweder beim eigenen Klub oder zumindest bei einem anderen türkischen Klub drei Jahre lang zwischen dem 15. und 21. Lebensjahr unter Vertrag gestanden haben. Fehlen diese Spieler, wird die Kadergröße reduziert: Mit nur sechs Homegrown-Akteuren dürfen beispielsweise nur 23 Profis gemeldet werden.

Zudem existiert die Liste B, auf der U21-Spieler vermerkt werden können, die seit mindestens zwei Jahren ohne Unterbrechung beim Klub sind. Sie ergänzt die Liste A, ist jedoch in ihrer praktischen Relevanz begrenzt, da dort meist kaum spielbereite Talente verzeichnet werden.

Fehlende Nachhaltigkeit: Die verpasste Chance der türkischen Akademien

Gerade bei den drei großen Traditionsvereinen der Türkei zeigt sich ein ernüchterndes Bild: Vielversprechende Nachwuchsspieler werden zu früh verkauft oder erhalten schlicht keine Chance, sich in der ersten Mannschaft zu etablieren.

Galatasaray ist ein Paradebeispiel: Talente wie Emin Bayram, Erencan Yardımcı, Ozan Kabak sowie Yusuf Akçiçek oder Bartuğ Elmaz (beide mittlerweile bei Fenerbahçe aktiv) wurden früh und weitestgehend unprofitabel abgegeben – mit dem Ergebnis, dass die klubeigene Homegrown-Quote regelmäßig unter dem Mindestmaß liegt. Spieler – wie bspw. in der vergangenen Saison – Roland Sallai, die den Verein viel kosten, schaffen es dann nicht auf die Liste für europäische Wettbewerbe, weil schlicht die Plätze fehlen.

Auch Fenerbahçe schreibt in dieser Hinsicht eine widersprüchliche Geschichte. Zum Beispiel hat man in der Vergangenheit starke Torhüter wie Volkan Babacan oder Mert Günok hervorgebracht – heute Nationaltorwart und bei Beşiktaş aktiv – doch auch hier fehlt die langfristige Perspektive. Der Transfer von Arda Güler nach Madrid dagegen war wohl kaum vermeidbar. Doch statt eigene Spieler strategisch zu fördern und zu halten, werden Transfers getätigt, die aus UEFA-Sicht ineffizient sind: Sie helfen der Mannschaft in Europa nicht weiter, weil sie nicht in den Kader aufgenommen werden dürfen. Wichtige Spieler wie Ryan Kent oder Oğuz Aydın konnten so in der abgelaufenen Spielzeit nicht in der Europa League eingesetzt werden.

Auch bei Beşiktaş herrscht die gleiche Problematik: Der Fokus liegt auf ausländische Transfers statt konsequenter Akademiearbeit, was den Platz für eigene Talente in der CL-Registrierung limitiert. So hat es zum Beispiel Oxlade-Chamberlain zuletzt nicht in die UEFA-Liste geschafft. Von den drei großen Istanbul Klubs schaffen es die "Schwarz-Weißen" jedoch am besten, Akademiespieler wie Semih Kılıçsoy oder Mustafa Hekimoğlu regelmäßig hochzuziehen und in den aktiven Spielbetrieb zu integrieren. Doch auch hier neigt der Verein dazu, seine wertvollen Akademie-Juwelen zu schnell und unter Wert abzugeben – so bspw. der Transfer von Talent Rıdvan Yılmaz zu den Rangers im Jahr 2022 für gerade mal vier Millionen Euro.

Teure Transfers, leere Plätze – ein strukturelles Problem

Die Homegrown-Regel zwingt Klubs dazu, weitsichtig zu planen. Wer auf dem europäischen Markt bestehen will, braucht nicht nur Stars, sondern ein starkes Fundament aus eigener Ausbildung. Genau hier liegt das Problem: In der Türkei fehlt es an dieser strategischen Vision – eine Vision, die sowohl die Fangemeinschaften als auch die Akademiespieler von einer nachhaltig erfolgreichen Zukunft überzeugt. Die Akademien sind zwar existent, aber nicht zentral in der sportlichen Ausrichtung verankert. Selbst bei vorhandenen Talenten greift oft der Reflex des schnellen Verkaufs – ein Muster, das sich rächt.

So kommt es, dass Galatasaray, Fenerbahçe und Beşiktaş regelmäßig Spieler für die Liga verpflichten, die in der Europa League oder Champions League überhaupt nicht einsetzbar sind. Gleichzeitig müssen sie in Europa Spieler aufstellen, die eigentlich keine Rolle mehr im Ligabetrieb spielen – aber formell die Homegrown-Kriterien erfüllen. Die Qualität leidet, die Chancen auf Erfolg ebenso.

Fazit: Europas Maßstab fordert neue Denkmuster

Die Homegrown-Regel ist erstmal eine Formalität. Doch sie ist auch Ausdruck einer Philosophie. UEFA-Klubs sollen nicht nur einkaufen, sondern entwickeln. Galatasaray, Fenerbahçe und Beşiktaş stehen vor der Herausforderung, ihre Ausbildungsarbeit endlich als strategischen Schlüssel zu begreifen – nicht als Pflichtaufgabe. Wer dauerhaft auf internationalem Niveau bestehen will, muss mehr investieren: in Talente, in Geduld und in Strukturen, die den Nachwuchs nicht nur hervorbringen, sondern auch halten.

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