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·6. Oktober 2025

Union Berlin: Baumgart zeigt Grenzen der Fankultur auf

Artikelbild:Union Berlin: Baumgart zeigt Grenzen der Fankultur auf

Steffen Baumgart hat in Leverkusen etwas getan, was viele Trainer scheuen: Er hat sich mit den eigenen Fans angelegt. Als Alejandro Grimaldo blutend am Boden lag und Union-Anhänger „Steh auf, du Sau“ skandierten, stürmte der 53-Jährige wütend zum eigenen Fanblock. Nicht die sportliche Niederlage, sondern dieser Moment definierte den Nachmittag. Baumgart griff ein, um beleidigende Gesänge gegen den verletzten Grimaldo zu stoppen – und die Fans hörten tatsächlich auf ihn.

Der Vorfall wirft ein Schlaglicht auf eine unbequeme Wahrheit: Die vielgepriesene deutsche Fankultur hat ein Empathieproblem. Wenn ein Spieler nach einem unbeabsichtigten Ellenbogentreffer seines eigenen Mitspielers benommen und blutend behandelt werden muss, sollte die erste Reaktion Sorge sein, nicht Häme. Dass ausgerechnet ein Trainer diese Selbstverständlichkeit einfordern muss, zeigt, wie sehr sich Teile der Kurven in ihrer eigenen Realität verloren haben.


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Baumgarts Erklärungsversuch nach dem Spiel – die Fans hätten die Schwere der Verletzung aus der Entfernung nicht erkannt – ist nachvollziehbar, aber auch entlarvend. Denn sie offenbart ein Grundproblem: Viele Fans reagieren reflexhaft feindselig auf alles, was nach gegnerischem Zeitspiel aussieht. Die Fankultur steht im Fokus, da solche Vorfälle häufiger werden, auch wenn konkrete Belege für eine Zunahme fehlen. Was sich aber definitiv verschoben hat, ist die Hemmschwelle. Die Grenze zwischen lautstarker Unterstützung und menschlicher Verachtung verschwimmt zunehmend.

Dabei geht es nicht um übertriebene Moralisierung. Emotionen gehören zum Stadion wie der Rasen zum Spielfeld. Aber es gibt eine Grenze, und die verläuft dort, wo ein Mensch verletzt am Boden liegt. Baumgart betonte die Wichtigkeit von Empathie und Respekt im Stadion – Werte, die eigentlich keiner Erwähnung bedürfen sollten. Dass er sie trotzdem einfordern musste, sagt mehr über den Zustand mancher Fankurven aus als jede soziologische Studie.

Die Union-Fans fuhren mit einer Schelte ihres Trainers nach Hause. Sportlich war ohnehin nichts zu holen gewesen beim verdienten 0:2. Aber vielleicht war Baumgarts Intervention wichtiger als drei Punkte. Er hat seinen Anhängern einen Spiegel vorgehalten und gezeigt, dass Vereinstreue nicht bedeutet, die Menschlichkeit an der Stadiontür abzugeben. Wenn Trainer zu Erziehern ihrer eigenen Fans werden müssen, stimmt etwas Grundlegendes nicht. Baumgart hat das verstanden. Hoffentlich auch seine Anhänger.

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