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·5. Mai 2023
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Spotlight | Ein bisschen verkehrte Welt in La Liga: Während bei Barcelona konstant die Null steht, sorgt Atletico plötzlich mit Torrekorden für Aufsehen. Dazu widmen wir uns dem Abstiegskampf und machen einen kleinen Exkurs in die Segunda Division.
In „A La Liga“ thematisiert 90PLUS-Redakteur Michael Bojkov die Brennpunkte des spanischen Fußballs. Das Format erscheint im zweiwöchigen Rhythmus.
In den letzten Jahren galt die Defensive immer wieder als Problemzone des FC Barcelona. Weil die alten Spieler an Topnieveau einbüßen mussten und die designierten Nachfolger immer wieder für Formschwankungen und individuelle Aussetzer gut waren, hatten die Cules selten ein gutes Gefühl, wenn der Gegner es in die Nähe des Strafraums schaffte. Dass das gegen Gegner auf höchstem Niveau noch immer der Fall sein kann, hat unter anderem die Gruppenphase der Champions League gezeigt, in der die Katalanen teils einfachste Gegentore kassierten. In der Liga steht dafür die Null – und das so konstant wie bei keiner anderen Mannschaft in den europäischen Topligen.
Vier Spieltage vor Schluss musste Marc-Andre ter Stegen erst elfmal hinter sich greifen. Das liegt zum einen daran, dass er ein herausragender Torhüter ist und die Kette vor ihm mit den Neuzugängen Andreas Christensen, Marcos Alonso und Jules Kounde an Stabilität gewonnen hat, zudem Spieler wie Ronald Araujo konstanter geworden sind. Ein weiterer Faktor sind mit Sicherheit die Gegner in Spanien. In La Liga bevorzugen die meisten Mannschaften eine defensive Herangehensweise, die nochmal defensiver wird, wenn es gegen die Branchenriesen aus Madrid und eben Barcelona geht.
Die Statistiken sind dennoch beeindruckend. Barça hat in der laufenden Saison in La Liga bereits 25-mal zu Null gespielt und könnte damit schon nächste Woche einen internationalen Bestwert aufstellen. In den vier stärksten Ligen Europas (La Liga, Premier League, Bundesliga und Serie A) hat nur Deportivo La Coruna mehr Weiße Westen (26) in einer Spielzeit gesammelt. Das war in der Saison 1993/94. Den vereinsinternen Rekord für einen Torhüter von Claudio Bravo (spielte 2014/15 23-mal zu Null) hat ter Stegen bereits egalisiert.
Fast noch erstaunlicher ist die Tatsache, dass die Katalanen im Camp Nou erst zwei Gegentore kassiert haben – durch einen gegnerischen Elfmeter und ein Eigentor. Den Bestwert in der Kategorie hält Atleti, das 2017/18 viermal in den eigenen vier Wänden hinter sich greifen musste. Und wenn wir schon bei Rekorden sind: Am vergangenen Wochenende debütierte der erst 15-jährige Lamine Yamal in La Liga und wurde damit zum jüngsten Barca-Spieler aller Zeiten. Dass man auf ihn große Stücke setzt, dürfte selbsterklärend sein. Manch einer vergleicht den Teenie-Flügelspieler sogar schon mit Ousmane Dembele.
Atletico ist die mit großem Abstand formstärkste Mannschaft in La Liga. An sich nichts Ungewöhnliches, schließlich gelten die Colchoneros traditionell als die drittstärkste Kraft in Spanien. Neu ist allerdings, dass die Offensive sticht. Normalerweise ist es die eklige Herangehensweise gegen den Ball, die der Mannschaft von Diego Simeone Erfolg bringt. Kaum ein Klub in Europa ist besser für hart erkämpfte 1:0-Siege bekannt als die Rojiblancos.
Im Moment ist alles anders. Die letzten Resultate lauten 3:1, 5:2 und 5:1 – Atleti-like ist das ganz und gar nicht. Mit den jüngsten Schützenfesten hat der Hauptstadt-Klub erstmals seit 1948 in zwei aufeinanderfolgenden Spielen in La Liga fünf oder mehr Tore erzielt. Das Gesicht des lang anhaltenden Formhochs ist Antoine Griezmann, der die vielleicht beste Saison seiner Karriere spielt (vor einigen Wochen haben wir in A La Liga seine Rolle unter Simeone beleuchtet).
In den letzten drei Spielen war der Franzose an sechs Treffern direkt beteiligt (zwei Tore, vier Vorlagen) und bewirbt sich damit nicht nur weiter fleißig für den Award zum Spieler der Saison, sondern könnte dafür sorgen, dass die Colchoneros am Ende vielleicht sogar über dem Stadtrivalen Real Madrid auf Platz zwei landen.
Ein Blick in den Tabellenkeller, wo es aktuell am spannendsten zugeht in La Liga: Fünf Spieltage vor Schluss trennen den Tabellen-14. und den ersten Abstiegsplatz Platz 18 zwei mickrige Pünktchen. Elche steht bereits als Absteiger fest, während Espanyol, Getafe, Cadiz, Celta Vigo, die Aufsteiger aus Valladolid und Almeria und auch der FC Valencia noch bangen müssen. Aufgrund einiger Trainerwechsel und Formtiefs bei allen gefährdeten Klubs lässt sich nur schwer einschätzen, wer im Saisonendspurt im Vorteil ist. Zudem stehen noch einige direkte Duelle aus, die entscheidend sein könnten. Am Ende wird es im Kampf um den Klassenerhalt wohl erneut auf Nuancen ankommen.
Überhaupt ist noch kaum absehbar, welche Teams in der kommenden Saison in La Liga spielen werden. Im Aufstiegsrennen der Segunda Division geht es nämlich genauso heiß her. Dort trennen Eibar, Granada, Levante, Alaves und Las Palmas auf den ersten fünf Plätzen ebenfalls nur drei Punkte. Im Moment ist es eher ein Schneckenrennen, das sich die fünf Kandidaten um die direkten Aufstiegsplätze liefern. Zusammengerechnet haben sie nur fünf der letzten 25 Spiele gewonnen, was einem äußerst schwachen Wert entspricht. Auch in der Segunda dürften am Ende Kleinigkeiten darüber entscheiden, wer kommende Saison in La Liga spielen darf.
(Photo by JOSEP LAGO/AFP via Getty Images)