Borussia Dortmund
·4. September 2025
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·4. September 2025
Alina – wie ist es, zu Hause zu sein?„Schön. Ich war mir anfangs nicht ganz sicher, ob das wirklich so sein würde, wie ich es mir vorgestellt habe. Aber jetzt ist es echt cool. Ich bin in mein gewohntes Umfeld zurückgekommen, kenne die Leute und die Umgebung. Das macht es einfach. Bisher fühle ich mich sehr wohl damit.“ (Alina Grijseels im Interview über ihre Rückher.)
Was macht das Zuhause für Dich aus?„Die Menschen. Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets, bin hier groß geworden, entsprechend gibt es eine enge Verbindung. Das hier ist tatsächlich mein Zuhause. Dazu kommen die Leute im Verein und einige Mädels, die immer noch da sind. So ist es ein stimmiges Gesamtpaket, das sich zwar weiterentwickelt hat, das in seinen Grundzügen aber noch immer so ist wie ich es aus den ersten neun Jahren kenne.“
Bevor wir das vertiefen, nimm uns doch einmal mit auf Deine Europareise: Eine Saison in Frankreich, eine in Rumänien – was haben Dir die Jahre im Ausland neben einer imposanten Titelsammlung mit dem jeweiligen Double aus Meisterschaft und Pokal sportlich gegeben?„Grundsätzlich habe ich unfassbar viel gelernt. Ich habe die Erfahrungen aus gleich zwei Topligen gesammelt und gesehen, wie es da läuft, warum die Aufmerksamkeit für Frauenhandball in Frankreich und in Rumänien höher ist als in Deutschland. Für mich persönlich kann ich sagen: Ich bin aus meiner Komfortzone ausgebrochen, habe auch schwierige Phasen mitgemacht, war auf mich allein gestellt und habe darüber auch zu mir selbst gefunden. Ich habe eine eigene Stärke entwickelt. Ich weiß jetzt noch mehr und vertraue darauf, was ich selbst kann, und mache es weniger abhängig von Trainern, Mitspielerinnen und dem äußeren Umfeld.“
Wann war es besonders schwierig?„Direkt zu Beginn. Durch das neue Umfeld waren meine Spielanteile nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Darüber ist dann das Kopfkino angegangen: Bin ich gut genug dafür? Reicht meine Qualität für das allerhöchste Niveau aus? Und zugleich war es auch privat nicht leicht. Ich hatte noch einmal einen Trauer-Flashback. Der Verlust meines Partners, den ich im Frühjahr 2021 verloren habe, war wohl doch noch nicht so verarbeitet, wie ich das gedacht hatte. Da kam einiges zusammen. Das war eine schwierige Phase, aus der ich aber gestärkt herausgekommen bin.“
Wie?„Ich wusste, was ich will, und ich wusste, auf wen ich mich verlassen kann. Ich habe den Verlust, den ich erlitten hatte, in dieser Zeit noch einmal anders, vielleicht gründlicher aufgearbeitet und verarbeitet. Danach ging es auch sportlich Step für Step wieder bergauf. Das war ein Mix aus ganz vielen Dingen. Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung, weil ich mir tatsächlich nicht sicher bin, ob ich sie genauso gemacht hätte, wenn ich hiergeblieben wäre.“
Hat also das Weggehen, das Ausbrechen aus dem Gewohnten, dazu beigetragen, einen persönlichen Schicksalsschlag besser verarbeiten zu können?„Total. Mein privates Kapitel war ja sehr mit Dortmund verbunden. Als ich noch hier war, hatte ich zwar das Gefühl, dass ich es schon gut für mich aufgearbeitet hatte; aber tatsächlich war es so, dass es nach dem Tod meines Partners im Frühjahr 2021 sportlich für mich so gut gelaufen ist, dass dadurch auch einiges überdeckt worden ist. Genau das ist mir in Frankreich klargeworden, genau in dem Moment, in dem es sportlich schwieriger war. Da habe ich gemerkt, dass mir der Halt im Privaten fehlt, weil es mir offenkundig privat nicht gut ging. Ich hatte mich in den Jahren zuvor in den Sport geflüchtet. Das mag normal sein, wie andere sich dann in ihren Beruf stürzen – aber du musst dich auch wieder privat setteln, um nicht vom Sport allein abhängig zu sein. Für dein Gleichgewicht brauchst du diesen Gegenpol, um unabhängig zu sein von der Handballerin und ihrer aktuellen Leistung. Vor diesem Hintergrund war die schwierige Startphase sehr hilfreich für mich, auch mit Blick in die Zukunft.“
Wer hat Dir geholfen, da rauszukommen?„Ich hatte viel Unterstützung von Familie und Freunden, die zwar nicht vor Ort, aber immer für mich da waren. Und ich habe mir noch einmal professionelle Hilfe gesucht, um es von Grund auf aufzuarbeiten und Antworten zu finden auf meine Fragen: Warum geht es mir gerade nicht gut? Was fehlt mir? Was muss ich mir auch wieder ins Bewusstsein rufen? In Kombination hat mir das sehr geholfen, privat wieder auf Füßen zu stehen. Und dann kam das Sportliche fast automatisch dazu. Weil ich wieder bei mir war. Ich habe wieder gesehen, dass es mir gut geht und ich das machen darf, was ich liebe. Auf dieser Grundlage konnte ich mir selbst sagen, dass ich es nicht so verkopfen muss. Allein deshalb hat sich die Zeit im Ausland schon gelohnt.“
Puh, Alina, vielen Dank für Deine Offenheit. Wie kriegen wir jetzt die Kurve zum Sportlichen? – Am besten mit einem harten Cut: Du hast vorhin gesagt, Du hättest unfassbar viel gelernt. Mutmaßlich war allein der Grad der Professionalität höher als in Deutschland.„Ja, das ist so. Die Infrastruktur in Metz ist schon beispielgebend. Wir hatten dort eine Arena, in der alles unter einem Dach war: Kraftraum, Trainingshalle, unsere eigene Kabine mit eigenen Spinden. Ich bin einfach jeden Tag zu meinem Job gefahren. Etwas Vergleichbares gibt es wahrscheinlich in ganz Deutschland nicht, jedenfalls nicht in Dortmund.“
Zumal es auf Top-Level immer nur um Nuancen geht, die dadurch hier liegen bleiben. Jetzt ist es schwierig, als Einzelperson ganze Infrastrukturen aufzubrechen. Würdest Du aber trotzdem sagen, dass Du auf dem Weg der Professionalisierung in Dortmund Erkenntnisse aus dem Ausland konkret einbringen kannst?„Ja. Ich habe mich intensiv ausgetauscht mit dem Vorstand, dem Trainer- und Athletikteam. Wir haben zunächst über die Dinge gesprochen, die schnell und einfach und ohne große Kosten zu implementieren sind.“
Welche sind das beispielsweise?„Verpflegung auf Reisen; wir fliegen ja nicht mit einer Chartermaschine, sondern Linie. Wie kriegt man es also hin, auch dort nahrhaftes Essen zu bekommen? Wie kriegt man das in den Hotels am Spielort geregelt? Das sind kleine Dinge, die aber große Wirkung haben können. Wobei ich sagen muss, dass in Metz und in Bukarest auch nicht alles perfekt war; manches gleicht sich aus. Beim BVB können wir zum Beispiel den Bus der Profis nutzen, das ist ehrlich gesagt eine andere Kategorie als der enge, normale Reisebus, mit dem wir in Bukarest sieben, acht Stunden lang zum Spielort gefahren sind.“
Apropos Spielort: Zwischen Metz und Bukarest war auch noch Paris. Du hast 2024 an den Olympischen Spielen teilgenommen. Was bedeutet Dir das?„Es ist die Erfüllung eines Kindheitstraums. So richtig realisiert habe ich das tatsächlich erst jetzt, ein Jahr später, auf Zypern, als ich elf Tage lang erstmals und sehr bewusst allein im Urlaub war. Zuvor war einfach gar keine Zeit, mal darüber nachzudenken und Revue passieren zu lassen. Nach dem Ende in Metz hatte ich eineinhalb Wochen Pause, ehe es in die Vorbereitung auf Olympia ging, dann zu den Spielen und dann direkt weiter nach Bukarest. Es geht im Sport ja immer höher, schneller und vor allem weiter. Mittlerweile kann ich aber trotz des sportlichen Abschneidens, das nicht so zufriedenstellend war wie erhofft, sagen: Ich bin wahnsinnig stolz darauf, das erreicht zu haben; ich bin glücklich, das miterlebt haben zu dürfen. Man sagt immer so daher, dass Olympische Spiele das Größte für einen Sportler sind – aber mir ist jetzt bewusst, dass es das wirklich ist. Wenn ich heute eine Doku über Olympia anschaue, dann denke ich: Ja – da war ich auch. Und das ist schon ein geiles Gefühl.“
Wenn Du jetzt und mit diesen Eindrücken auf Dortmund und den BVB schaust: Was hat sich seit Deinem Abschied vor zwei Jahren verändert?„Die schon angesprochene Trainingsstätte und die Kooperation mit der Uni sind definitiv Verbesserungen. Zudem habe ich das Gefühl, dass Handball auch im Gesamtverein mehr wahrgenommen wird. Es wird mehr gemacht, angefangen bei Social Media und allem, was dazu gehört. Mein Eindruck ist sehr positiv.“
Der Kontakt zu Rupert Thiele und Andreas Kuno ist über die gesamte Zeit nie abgerissen. Wie wichtig war das für die Rückholaktion? „Abgesehen davon, dass ich ohnehin jedes BVB-Spiel angeschaut habe, wenn ich konnte und nicht selbst auf der Platte stand, haben wir immer mal wieder telefoniert oder uns getroffen, wenn ich in der Nähe war. Der Austausch war also immer da – weil es mich aber auch interessiert hat, wie es läuft und was für die nächsten Jahre angedacht wird.“
So gab es erste lose Gespräche vor Weihnachten und dann noch mal konkreter zu Beginn des neuen Jahres. In welchem Moment war Dir klar: Ja, ich bin bereit und wir machen das jetzt?„Ich saß in Bukarest und war nicht so glücklich mit der Gesamtsituation. Das hatte weniger mit dem Sportlichen zu tun als mit dem Umfeld. Das war alles schon okay, aber hundertprozentig glücklich und wohl habe ich mich nicht gefühlt. Daraus erwuchs bei mir folgende Abwägung: Will ich jetzt etwas anderes und kann mir überhaupt vorstellen, schon wieder zurückzukommen oder ist das zu früh und möchte ich noch ein Jahr auf absolutem Champions-League-Level – natürlich auch finanziell – mitnehmen? Doch dann kam der Moment, in dem ich es gefühlt habe. Ich spürte, dass ich das Leben hier wieder zurückhaben wollte. Auf der Grundlage haben wir den Austausch intensiviert. Ich habe gesagt, dass ich es mir grundsätzlich vorstellen kann – aber nicht, wenn die Verantwortlichen beim BVB locker um Platz zwei bis vier mitspielen wollen und European League auch irgendwie okay wäre.“
Ein Wintertransfer dürfte die Ambitionen nachhaltig untermauert haben. Der BVB hat Lois Abbingh verpflichtet.
„Das war und ist ein starkes Signal. Ich hatte halt schon gesagt, dass der aktuelle Kader bestimmt nicht schlecht sei, dass aber punktuell zwei, drei Sachen verbessert werden müssten, wenn wir wirklich ganz oben angreifen wollen. Als Lois dann unterschrieben hatte, war die Richtung klar. Das hat mich in meiner Entscheidung bestärkt.“
„Nein, das ist keine Bürde. Mir war vorher schon klar, dass hier auch von Fan-Seite eine extrem hohe Erwartungshaltung herrscht. Darin wurde ich durch die Reaktionen nach Veröffentlichung meiner Rückkehr bestätigt. Ich habe aber auch immer gesagt: Wenn ich zurückkomme, dann bin ich nicht die Heilsbringerin – Handball ist immer noch eine Teamsportart. Insofern möchte ich meinen Teil dazu beitragen, dass es gut wird, das ist ja logisch. Ich kann es aber auch für mich einschätzen und mache mir keinen Riesendruck. Das hat auch damit zu tun, was ich gesagt habe: Ich bin heute gesettelter als vor zwei Jahren. Ich weiß schon, was ich kann, und ich weiß auch, dass ich der Mannschaft viel geben kann. Aber momentan bin ich gerade die Neue, die sich in Mannschaft und System integrieren muss. Ich bin kein Fan von: Hey, sie kommt zurück und mit ihr die guten, alten Zeiten . Ich sehe das eher als neuen Anfang von etwas hoffentlich Gutem. Und vor allem freue ich mich, dass Andreas Kuno überzeugt ist, dass es funktioniert.“
Alina, Du bist als Titelsammlerin zurückgekehrt – ist damit schon das Saisonziel definiert? „Für mich persönlich: ja. Das ist das, was ich vorhin meinte. Ich komme ja nicht zurück und sage: Hey, Platz zwei ist auch cool . Dass es nicht einfach ist, weiß ich auch. Aber ich glaube, dass wir eine gute Mannschaft haben. Ich habe jedenfalls sehr viel Bock drauf und will Deutscher Meister werden – diesmal ohne Corona und dafür mit den Fans.“Interview: Nils Hotze
Der Text stammt aus dem Mitgliedermagazin BORUSSIA. BVB-Mitglieder erhalten die BORUSSIA in jedem Monat kostenlos. Hier geht es zum Mitgliedsantrag.